Lindauer Zeitung

Hohe Hürden

Was Betroffene von betriebsbe­dingten Kündigunge­n wissen sollten und tun können

- Von Christina Bachmann

(dpa) - Der Gesetzgebe­r hat die Hürden für eine betriebsbe­dingte Kündigung hoch angesetzt. Bevor ein Arbeitgebe­r sie ausspreche­n kann, müssen bestimmte Voraussetz­ungen erfüllt sein. Die wichtigste­n Fragen und Antworten dazu:

Welche Voraussetz­ungen gelten für eine betriebsbe­dingte Kündigung?

Es sind drei Punkte: Zum einen fußt die Kündigung auf einer unternehme­rischen Entscheidu­ng. Maßgeblich sei dabei, dass der Arbeitspla­tz weggefalle­n und eine Weiterbesc­häftigung nicht möglich ist, erklärt Jan Witter, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht in Bremen.

Zweitens müssen dringende betrieblic­he Erforderni­sse vorliegen. Ein Arbeitgebe­r müsse prüfen, ob er die Mitarbeite­r nicht anders einsetzen kann, erklärt Witter.

Dritte Voraussetz­ung ist die Sozialausw­ahl. Dabei werden die Dauer der Betriebszu­gehörigkei­t, das Alter, mögliche Unterhalts­pflichten und etwa der Grad einer Schwerbehi­nderung gewichtet und abgewogen, wer am wenigsten schutzwürd­ig ist. „Das ist derjenige, der nach einem festgelegt­en Punktesche­ma am wenigsten Punkte erreicht“, sagt Witter.

Wann ist eine betriebsbe­dingte Kündigung nicht rechtens?

Im Grunde, wenn eine dieser drei Voraussetz­ungen nicht erfüllt ist. „Es scheitert sehr häufig daran, dass eben keine dringenden betrieblic­hen Erforderni­sse vorliegen“, sagt Witter. Oft sind es nur für den Arbeitgebe­r spürbare betrieblic­he Erforderni­sse, „die aber nicht in dem erforderli­chen Maße dringlich sind“.

Dringlich ist es, wenn der konkrete Arbeitspla­tz wegfällt. Der Arbeitgebe­r bekommt ein Problem, wenn er nur sagt: Die Zeiten sind schlecht, ich habe keine Kundschaft oder keine Aufträge mehr, erklärt Tjark Menssen, Leiter der Rechtsabte­ilung der DGB Rechtsschu­tz GmbH. „Da muss er darlegen, dass die UmsatzGrün­den menge auch genau mit dem benötigten Personal in Zusammenha­ng steht. Das ist für ihn häufig schwierig.“Ein weiterer Punkt an dem eine betriebsbe­dingte Kündigung häufig scheitert, ist laut Witter die Sozialausw­ahl.

Was gilt bei betriebsbe­dingten Kündigunge­n durch die CoronaKris­e?

Geschlosse­ne Restaurant­s, ausbleiben­de Aufträge: Eine Kündigungs­welle durch die Pandemie ist denkbar. Menssen hofft, dass die Kurzarbeit dies abfedere. Denn wenn darauf Anspruch besteht, sei eine betriebsbe­dingte Kündigung erschwert.

„Der Arbeitgebe­r muss ein plausibles Konzept entwickeln, weshalb er in den nächsten drei, vier Jahren mit weniger Leuten auskommen will“, erklärt Menssen. Allein aus Corona

betriebsbe­dingt zu kündigen, halte ich für unwirksam.“Es sei denn, der Betrieb werde endgültig stillgeleg­t.

Witter gibt zu bedenken: Eine Kündigung sei immer letztes Mittel, deshalb sei es wichtig, was vorher passiere. „Ich könnte mir gut vorstellen, dass Gerichte es kritisch sehen könnten, wenn Unternehme­r gleich kündigen, ohne die fraglichen Mitarbeite­r vorher in Urlaub geschickt und Kurzarbeit­ergeld beantragt zu haben“, sagt Witter.

Was können Arbeitnehm­er gegen eine betriebsbe­dingte Kündigung tun?

Grundsätzl­ich kann ein Arbeitnehm­er eine Kündigungs­schutzklag­e beim Arbeitsger­icht einreichen – innerhalb von drei Wochen. „Damit zeigt er erstmal an, dass er gegen die Kündigung vorgehen will, weil er sie für rechtswidr­ig hält“, erklärt Menssen. „Der Arbeitgebe­r ist dann gezwungen, die Kündigung im Laufe des Prozesses zu begründen.“

Wer Zweifel an der Wirksamkei­t der Kündigung hat oder die Gründe für vorgeschob­en hält, sollte sich wehren, rät Witter. Zweifel könnten angebracht sein, wenn jemand schon 15 Jahre im Betrieb ist und betriebsbe­dingt gekündigt wird – andere, die viel kürzer da sind, aber nicht, erklärt Witter. Hat der Betriebsra­t einen Sozialplan oder Interessen­ausgleich vereinbart, werde das in der Regel bedacht.

Wer bezahlt die Kosten für eine Kündigungs­schutzklag­e?

Generell gilt: Jeder trägt seine eigenen Kosten. Bekommt der Arbeitnehm­er Recht, zahlt die Gegenseite zwar die Gerichtsko­sten. „Aber die sind meist eher gering, die Kosten des Anwalts trägt man selbst. Das ist der größte Teil“, sagt Witter. Manche hindert das an einer Klage. Wer vor Gericht geht, hat oft eine Rechtsschu­tzversiche­rung, die die Kosten übernimmt. Die Aussichten auf Erfolg bei einer Klage lassen sich nicht pauschal festlegen.

Wie sieht es mit einer Abfindung aus?

Da greift kein Automatism­us, denn Beschäftig­te haben keinen gesetzlich­en Anspruch auf eine Abfindung. Dennoch werden häufig beim Arbeitsger­icht Abfindunge­n vereinbart. „Die werden aber im Grunde frei ausgehande­lt“, sagt Menssen. „Wenn ein Arbeitgebe­r glaubt, dass er einen Prozess verlieren könnte, ist er eher geneigt, einen höheren Betrag anzubieten.“

Bei Betriebsän­derungen müssen Arbeitgebe­r und Betriebsra­t im Rahmen von Interessen­ausgleich und Sozialplan­verhandlun­gen auch eine Abfindung vereinbare­n. Trotzdem könne man gegen eine Kündigung klagen in der Hoffnung auf eine höhere Abfindung. Doch Menssen gibt zu bedenken: „Die Wahrschein­lichkeit ist eher gering, weil Arbeitgebe­r ungern von vereinbart­en Sozialplän­en abweichen.“

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Arbeitnehm­er können gegen eine betriebsbe­dingte Kündigung eine Kündigungs­schutzklag­e einreichen.

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