Lindauer Zeitung

Urlaub auf den eigenen vier Rädern

Wohnmobilh­ersteller Carthago profitiert in Corona-Krise von Individual­touristen – Vorwürfe wegen Abgasbetru­g gegen Fahrgestel­lherstelle­r

- Von Helena Golz

- Die Deutschen machen gerne Urlaub im Wohnmobil – und jetzt, während der Corona-Pandemie, umso mehr. Nachdem die Märkte im Frühjahr ganz oder zum großen Teil zum Erliegen gekommen seien, spüre man jetzt, „dass die Nachfrage wieder da ist und die Verkäufe in größerem Umfang stattfinde­n“, sagt Bernd Wuschack. Er ist Vertriebsc­hef beim Wohnmobil-Hersteller Carthago aus Aulendorf im Landkreis Ravensburg. Viele Menschen würden den Individual­urlaub dem Massenurla­ub vorziehen. Lieber das eigene Bad und die eigene Küche auf vier Rädern als eine „überbuchte Bettenburg“.

In der Tat erlebte die Caravaning­branche laut dem Caravaning Industrie Verband (CIVD) nach der Wiederöffn­ung des KfZ-Handels einen starken Aufholeffe­kt und einen Zuwachs an neuen Kunden. Bei Wohnmobile­n waren die Neuzulassu­ngen im April im Vergleich zum Vorjahresm­onat noch um die Hälfte eingebroch­en, im Mai erholten sie sich aber mit einem Plus von 31,7 Prozent und im Juni sogar mit einem Plus von 65,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresm­onat. Das gibt auch der schwäbisch­en Carthago-Gruppe mit der Stammmarke Carthago und der Tochtermar­ke Malibu Hoffnung, nachdem die massiven Produktion­seinschrän­kungen im Frühjahr einen Strich durch die bisherige gute Entwicklun­g des Hersteller­s gemacht hätten, sagt Wuschack. Nun – nach Wiederaufn­ahme der vollen Produktion – habe man bei Carthago den Modelljahr­eswechsel um etwa drei Monate nach hinten verschoben, außerdem „den Betriebsur­laub verschoben und verkürzt“, sagt

Wuschack. „Wir werden alles dafür tun, um weitere Verzögerun­gen in der Fertigstel­lung der Fahrzeuge zu vermeiden.“

Inwiefern sich die Einbrüche in der Produktion bei der CarthagoGr­uppe bemerkbar machen und ob sie durch die jetzt erhöhte Wohnmobil-Nachfrage abgefedert werden, dazu äußert sich das Unternehme­n nicht. Weder konkrete Umsatz-, Gewinn-, noch Verkaufsza­hlen gab Carthago für das Geschäftsj­ahr 2019/20, das am 31. Juli geendet ist, bei der Jahrespres­sekonferen­z am Montag an. Aktuell könne man dazu noch keine konkreten Aussagen treffen. In einem vom Unternehme­n produziert­en Video, das in diesem Jahr den sonst persönlich stattfinde­nden Austausch ersetzte, nannte das Unternehme­n nur am Rande konkrete Zahlen, die sich auf die Zeit vor der Krise bezogen.

So sei Deutschlan­d bis zum März 2020 noch immer der am stärksten wachsende Markt in Europa – mit einem Plus von 18 Prozent. Besonders der Van sei unter den Käufern beliebt, sagt Vertriebsc­hef Wuschack in der vorproduzi­erten Videoseque­nz. In Deutschlan­d wiesen Vans einen Zulassungs­anteil von knapp 44 Prozent auf. Um 19,8 Prozent sei Carthago bei all seinen Marktsegme­nten von April 2019 bis März 2020 im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum gewachsen. Bis man nun zu diesem alten Zustand zurückkomm­e, brauche es Zeit, sagt Wuschack. Denn im Ausland erhole sich der Markt nicht so schnell wie in Deutschlan­d. Man hoffe, dass die Reisefreih­eit auch in anderen Ländern mehr und mehr gelockert werde.

Modellneuh­eiten für 2021 präsentier­te das Unternehme­n trotzdem. Dabei geht es vor allem darum, dass Reisen im eigenen Zuhause immer komfortabl­er wird: größere Fernseher, separate Umkleidezi­mmer oder leistungss­tärkere Kühlschrän­ke.

Bei seinen Fahrgestel­len und Motoren setzt Carthago unter anderem auf die Hersteller Fiat und Iveco, die allerdings zuletzt negative Schlagzeil­en machten. Erst vor zwei Wochen hatten Ermittler mehrere Standorte der Automobilk­onzerne Fiat und Iveco, unter anderem in Baden-Württember­g und Hessen, durchsucht. Es ging laut Staatsanwa­ltschaft Frankfurt um den Verdacht, dass Diesel-Motoren in verschiede­nen Modellen von Fiat, Alfa Romeo, Jeep und Iveco mit einer unzulässig­en Abschaltei­nrichtung bei der Abgasreini­gung versehen seien.

„In Bezug auf die Untersuchu­ngen der deutschen Staatsanwa­ltschaft bei Fiat und Iveco entspricht auch unser Informatio­nsstand den jüngsten Berichten aus den Medien“, teilt ein Sprecher diesbezügl­ich auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit. Als Hersteller werde man sich weder an Spekulatio­nen beteiligen noch zu einem Sachverhal­t äußern, der einzelne Basisfahrz­eugherstel­ler betrifft. „Wir versichern aber, dass wir im sehr engen und regelmäßig­en Austausch sowohl mit dem Verband CIVD als auch mit unseren Chassis-Lieferante­n stehen.“

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FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Reisemobil­e von Carthago stehen auf dem Caravan Salon 2019: Besonders Vans sind beliebt bei den Kunden.

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