Lindauer Zeitung

„Unsere Gäste sind sehr vernünftig“

Im österreich­ischen Feldkirch steigt das Poolbar-Festival – mit weniger Besuchern und größeren Abständen

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Ein Team an Musikliebh­abern richtet im österreich­ischen Feldkirch das Poolbar-Festival aus. Dieses Jahr läuft alles anders als gewohnt: ausschließ­lich Veranstalt­ungen an der frischen Luft, maximal 750 Besucher statt der 900 aus früheren Jahren, zugewiesen­e Plätze und die Möglichkei­t, sich registrier­en zu lassen. Christiane Wohlhaupte­r hat bei Herwig Bauer, Geschäftsf­ührer und Gründer, nachgefrag­t, ob sich die Gäste sicher fühlen und was er sich für das diesjährig­e PoolbarFes­tival erhofft.

Herr Bauer, das Poolbar-Festival erlebt dieses Jahr seine 27. Auflage. Was waren in den vergangene­n Jahren für Sie als Festivalma­cher die größten Herausford­erungen?

Natürlich ist die aktuelle Situation die herausford­erndste seit vielen Jahren. Davor war das Thema der Finanzieru­ng eines, das uns davongalop­piert ist: Immer, wenn ich das Gefühl hatte, mithilfe neuer Sponsoren die Lücke geschlosse­n zu haben, kam der nächste Schritt in Richtung Profession­alisierung oder Erweiterun­g des Festivals, oder die nächste Investitio­n, die nächste Personalko­stensteige­rung, der nächste Schub bei den Band-Gagen – oder aber die eine oder andere Veranstalt­ung, die schlechter besucht war als finanziell nötig ... Und schon war das Finanzloch wieder da. Eine kommerziel­lere Ausrichtun­g als Antwort kam für uns aber nie in Frage.

Zu welchem Zeitpunkt war Ihnen klar, dass das Poolbar-Festival 2020 nicht in seiner ursprüngli­ch angedachte­n Form stattfinde­n können wird?

Das war eigentlich erst Anfang April glasklar, als in Deutschlan­d Großverans­taltungen verboten wurden.

Welchen Künstlern mussten Sie absagen beziehungs­weise welche Künstler mussten Ihnen absagen?

Erstaunlic­herweise hat keine Band von sich aus abgesagt. Erst als die österreich­ische Regierung die entspreche­nden Maßnahmen beschlosse­n hat, mussten wir allen internatio­nalen Bands absagen, weil klar war, dass deren Tourneen abgesagt würden und dass die Grenzen für einige geschlosse­n sein würden. Zwischenze­itlich sah es wieder etwas besser aus, sodass wir mit Nneka und Fink auch zwei internatio­nale Headliner gewinnen konnten.

Was erhoffen Sie sich für das diesjährig­e Festival?

Bisher zeigt sich, dass das PoolbarFes­tival 2020 sehr charmant und stimmungsv­oll wird. Die Menschen sind ganz offensicht­lich glücklich und dankbar, dass es das PoolbarFes­tival auch in Corona-Zeiten gibt. Wenn es so weitergeht, wurden alle unsere Hoffnungen mehr als erfüllt – denn es ging uns darum, ein Zeichen dafür zu setzen, dass auch in CoronaZeit­en Kultur gelebt wird und gefeiert werden kann. Es ist eine prinzipiel­le Haltung, wie man mit Schwierigk­eiten und Herausford­erungen umgeht – und davon werden wir in Zukunft sicher noch vielen begegnen: Wollen wir dann immer den Kopf in den Sand stecken oder wollen wir gemeinsam nach Lösungen suchen?

Was unternehme­n Sie, damit sich die Gäste sicher fühlen?

Alles. Die wichtigste Maßnahme ist sicher, dass wir keine Veranstalt­ungen in Innenräume­n machen – wir haben alles auf die Große Wiese vor dem Alten Hallenbad verlegt. Die maximale Besucherka­pazität wird durch einen Zaun gewährleis­tet, an die Abstandsre­geln wird auf Schritt und Tritt erinnert – mit Beschilder­ungen, aber auch durch unser Sicherheit­spersonal. Desinfekti­onsund Reinigungs­mittel stehen überall zur Verfügung. Wer will, kann sich registrier­en lassen und wird kontaktier­t, sollte es zu einer Infektion kommen. Aber das Wichtigste: Die Gäste fühlen sich bei uns nicht nur sicher, sondern wohl: Das Ambiente ist überwältig­end schön. Die Poolbar-Architektu­r wird ja jedes Jahr neu gestaltet.

Halten sich die Gäste an die Vorgaben, die „Corona Rules“? Oder mussten Sie schon uneinsicht­ige Menschen nach Hause schicken?

Unsere Gäste sind sehr vernünftig. Und wenn sie mal etwas über die Stränge schlagen, hat ein dezenter Hinweis bisher noch immer genügt.

Merken Sie dieses Jahr Veränderun­gen, was den Einzugsber­eich des Publikums angeht?

Ja, es kommen mehr Leute von weiter her angereist.

Mussten Sie sich auch Kritik aussetzen? Gibt es Stimmen, die ein Festival in Corona-Zeiten fahrlässig finden?

Über die einschlägi­gen Online-Plattform-Foren hat es auch Kritik gegeben. Aber vor Ort überschlag­en sich die Leute mit Kompliment­en für die Umsetzung und sind dankbar, dass das Poolbar-Festival auch in schwierige­n Zeiten Flagge zeigt.

Erleben Sie Neid aus der Veranstalt­erbranche, weil nicht allerorts die gleichen Regeln gelten und somit nicht überall die gleichen Möglichkei­ten gegeben sind?

In ganz Österreich gelten die gleichen Regeln. Aber nicht alle haben eine Wiese, die sie nutzen können.

Dennoch: Unter den wenigen, die in Österreich im kulturelle­n Bereich etwas machen, hat sich ein schönes kleines Hilfsnetzw­erk entwickelt, Sicherheit­skonzepte werden ausgetausc­ht, Erfahrunge­n kommunizie­rt. Neid wird es sicher auch geben, aber Irrational­es in dieser Richtung berührt mich wenig.

Welchen positiven Aspekt können Sie der Krise abgewinnen?

Ganz allgemein: Es ist nicht mehr alles Gute so selbstvers­tändlich permanent verfügbar, globale Zusammenhä­nge werden sichtbar, „Wahrheit“und „Wissen“sind keine absoluten Größen – auch in der Wissenscha­ft nicht. Letztlich hängt unsere Zukunft von der Mündigkeit der Individuen ab. Auf das PoolbarFes­tival bezogen: Wenn die großen internatio­nalen Headliner fehlen, stehen wir nicht nackt da, sondern können ganz im Gegenteil zeigen, was das Poolbar-Festival sonst noch alles kann und macht: viel spannendes Programm von Band-Perlen bis zum diskursive­n Raumfahrtp­rogramm mit Diskussion­srunden und Ausflügen. Und vor allem: jährlich neues, hervorrage­ndes Design an allen Ecken und Enden.

Wann rechnen Sie damit, das Festival wieder wie gewohnt ausrichten zu können?

Gerne im kommenden Jahr. Aber wahrschein­lich werden wir auch in Zukunft einige Maßnahmen beibehalte­n müssen. Wir werden uns mit diesem Virus oder anderen arrangiere­n müssen.

Unter anderem stehen Pool-Quiz (5., 12., 19. und 26. August), Tagebuch-Slam (6. August) und Jazzbrunch (9., 16., 23. und

30. August) auf dem Programm. Konzerte sind unter anderem angekündig­t von Manu Delago Ensemble (7. August), Nnella (8. August), Nneka (15. August), Peter The Human Boy (20. August), Deadass Dobro (21. August), Fink (22. August), Oehl (28. August) und Felix The Houserat (30. August). Infos unter www.poolbar.at.

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FOTO: MATTHIAS RHOMBERG Paletten zeigen den Besuchern die zugewiesen­en Plätze an.
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FOTO: M. RHOMBERG Herwig Bauer

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