Alles aus Liebe
Die schottische Band Deacon Blue überzeugt auf „City of Love“auch im vierten Jahrzehnt ihres Bestehens
- Es gibt diese Bands, deren Erfolg sich aus unerfindlichen Gründen fast ausschließlich auf ihre Heimatregion beschränkt. Deacon Blue zählen dazu. Im Fall der 1985 gegründeten Pop-Rock-Band handelt es sich um Schottland und – dies bereits in abgeschwächter Form – den Rest des Vereinigten Königreichs. Umso bemerkenswerter ist die Tatsache, dass Songwriter Ricky Ross, seine singende Gattin Lorraine McIntosh und die unermüdlichen Mitstreiter trotz diverser Rückschläge und persönlicher Tragödien seit Jahrzehnten mit großer Leidenschaft und Detailverliebtheit gute bis sehr gute Platten aufnehmen. Mit „City of Love“(Edel/Ear Music), ihrem bereits zehnten Album und dem vierten nach dem Comeback im Jahr 2012, haben sie sich tatsächlich noch einmal zu einem späten KarriereHöhepunkt aufgeschwungen.
Es ist ein optimistisches, rundes Album, das zugleich nostalgisch klingt und dennoch das Hier und Jetzt niemals leugnet. Die Heimat und die Liebe sind die zentralen Themen der Platte. Mit der „City of Love“, der Stadt der Liebe, ist das an und für sich gar nicht so idyllische Glasgow gemeint. Ricky Ross, mittlerweile 62 Jahre alt, leugnet dies erst gar nicht, aber er kann es erklären. „Liebe ist ein großes Thema auf diesem Album, und das ist ja auch kein Wunder, denn wir haben das in Glasgow aufgenommen“, sagte er anlässlich der Plattenveröffentlichung in einem Radio-Interview bei Antenne Brandenburg. Warum also Schottlands Metropole? „Das ist die Heimat des heiligen Valentin, ohne den wir keinen Valentinstag hätten. Er hat vor Urzeiten Soldaten getraut, die eigentlich nicht hätten heiraten dürfen. Das ist der Inbegriff für Romantik und Liebe. Und wir haben das neue Album gleich neben der Franziskaner-Kirche aufgenommen, in der die Gebeine des Märtyrers aufbewahrt werden. Die neuen Songs sind durchgehend optimistisch, sie erzählen Geschichten über die Liebe, wie sie im Laufe des Lebens eben passieren.“
Doch nicht nur die Liebe zum Leben und den Menschen, die sich in der Mut machenden Grundstimmung und den wie immer sehr elegant formulierten Texten wiederfindet, macht die Platte so hörenswert. Musikalisch zeichnet der Hang zu den großen Melodien bei gleichzeitigem Augenmerk für die kleinen Details die Lieder von Deacon Blue aus. Schon immer. Dies war sogar bei ihren Wave-geprägten 80er-Jahre-Hits wie „Real Gone Kid“, „Wages Day“oder „Fergus Sings The Blues“so. Exakt so ist es auch dieses Mal – vom energischen Opener „City of Love“mit Streichern und Gospel Chor bis zum melancholischen Rauswerfer „On Love“, in dem sich Ricky Ross an seine Jugend in Glasgow erinnert. Fast spricht er eher, als dass er singt. Highlights gibt es einige. Für „Hit Me Where It Hurts“leiht sich Ross sogar eine Textzeile aus Shakespeares Lady Macbeth. „Who’d have ever thought / One man had so much blood in him.“Doch selbst in diesem Song siegt die Zuversicht, denn Ross singt am Ende von einer neuen Liebe. Nun ja, ein bisschen Drama kann ja auch im Pop nie schaden.
Das Bemerkenswerteste an der Platte ist jedoch, dass sie das Niveau durchgehend hält. Ausfälle gibt es keine. Dies ist nicht nur heutzutage eine Seltenheit, sondern auch bei Deacon Blue. Der ein oder andere Füller fand sich auch auf den Alben der Schotten. „City of Love“hingegen lässt sich sehr gut durchhören. 38 Jahre nach der Gründung elf derart überzeugende Lieder einzuspielen, dies ist wohl nur einer Gruppe von musikalischen Überzeugungstätern möglich.
Live: 24.10., Berlin, Metropol; 25.10. Köln, Die Kantine.