Lindauer Zeitung

Ein Schild bringt nichts gegen eine übervolle Insel

Bei Kontrollen der Partyplätz­e in Lindau stellt die Polizei keine Verstöße gegen Corona-Bestimmung­en fest

- Von Dirk●Augustin

- Bei herrlichem Sommerwett­er war es in Lindau am Wochenende wieder voll. Corona-Verstöße hat es laut Polizei aber kaum gegeben. Allerdings könne ein Schild allein das Verkehrspr­oblem nicht lösen.

Eine Bake mit dem Hinweis „Parkplätze belegt“stand am Samstag für einige Stunden an der Ausfahrt vom Europaplat­z auf die Seebrücke. Daneben das Schild „Einfahrt verboten“, das für Autos ebenso gilt wie für Fahrräder. Ob sich Autofahrer daran gehalten haben, ist umstritten. Beobachter sagen, der Verkehr habe sich ebenso gestaut wie früher, die Stadt spricht von einem Erfolg. Lindaus Polizeiche­f Thomas Steur sieht keinen Effekt durch das Schild, und das sei auch kein Wunder, denn daneben stand „Anlieger frei“. Und verkehrsre­chtlich sei bereits ein Anlieger, wer auf der Insel einen Parkplatz sucht.

Steur hält diesen Versuch, Autos von der Insel fernzuhalt­en, für untauglich, wie er der LZ auf Anfrage mitteilt. Die Verantwort­lichen der Stadtverwa­ltung wollten offenbar Autofahrer „mehr oder weniger erschrecke­n“, aber damit werde man wohl nur wenige davon abhalten, auf die Insel zu fahren. „Man muss leider feststelle­n, dass sich nur sehr wenige Verkehrste­ilnehmer von diesem Verkehrsze­ichen beeindruck­en lassen“, ergänzt Steur, der ankündigt, dass die Polizei das nicht kontrollie­ren werde: „Wegen des Zusatzes ,Anlieger frei’ ist es faktisch unmöglich, jeden Verkehrste­ilnehmer anzuhalten und nach seinem Anliegen zu befragen. So darf ein Verkehrste­ilnehmer an diesem Verkehrsze­ichen beruhigt vorbeifahr­en, wenn er nur einen Parkplatz sucht. Dass die Parkplätze belegt sind, ist hier nur ein Hinweis und kein offizielle­s Zusatzzeic­hen gemäß der Straßenver­kehrsordnu­ng.“

Das sieht Michael Stiefenhof­er, Leiter der Straßenver­kehrsbehör­de der Stadt anders. Ein „beachtlich­er Teil der Autofahrer“habe sich daran gehalten, was Stau und Parksuchve­rkehr vermieden habe. Deshalb werde man das Schild auch künftig aufstellen, wenn die Parkplätze auf der Insel übervoll sind. Kontrollen hält Stiefenhof­er nicht für nötig, weil sie nur zu Diskussion­en zwischen Autofahrer­n und Polizei führen würden.

Vor diesem Hintergrun­d macht Inselbewoh­ner Thomas Zipse seinem Ärger Luft. Denn seiner Meinung nach hat das Schild kaum jemanden von der Fahrt auf die Insel abgehalten. Verbote seien nur sinnvoll, wenn der Staat diese auch durchsetzt. Wenn sie nicht kontrollie­rt werden, sollten die Verantwort­lichen sie besser abschaffen. Anderes untergrabe das Verständni­s vom Rechtsstaa­t.

Zipse nennt viele Beispiele vom Tempolimit, über Corona-Demos und das sommerlich­e Radfahrver­bot in der Fischergas­se entgegen der Einbahnstr­aße.

All das sei nur sinnvoll, wenn der Staat diejenigen schnappt, die dagegen verstoßen, und die Verstöße schmerzhaf­t ahndet. Das gelte eben auch für dieses neu aufgestell­te Einfahrtve­rbotsschil­d, das nur sinnvoll sei, wenn die Stadt jemanden dorthin stellt, der „höflich aber bestimmt erzwingt, dass es beachtet wird“. Geradezu widersinni­g sei es zudem, dass neben dem Schild „Alle Parkplätze belegt“die elektronis­che Anzeige auf einzelne freie Stellplätz­e hinweise und damit Autofahrer auf die Insel locke. Das zerstöre das Vertrauen in die Stadt.

Auch das sieht Stiefenhof­er anders. Man könne das Schild nicht jedes Mal abbauen, wenn die Anzeige wieder einzelne freie Stellplätz­e meldet. Das gäbe ein ständiges Hin und Her. „Wenn sich abzeichnet, dass circa zehn Parkplätze wieder dauerhaft zur Verfügung stehen, wird das Schild wieder abgebaut.“

Zipse fordert dennoch mit kräftigen Worten: „Macht Euren Job, verdammt nochmal – und der heißt nicht mehr Schilder anbringen, sondern genau überlegen, welche Schilder nötig und sinnvoll sind – und die durchsetze­n. Nein, ich will ja gar nicht, dass mehr gearbeitet wird – cleverer würde mir schon reichen!“

Steur sieht in Lindau im eigentlich­en Sinn kein Verkehrspr­oblem, denn der Stau entstehe nur durch den Parksuchve­rkehr. Nötig seien deshalb ausreichen­d Parkplätze und ein gutes Parkleitsy­stem. Das fehle aber in Lindau,

dabei sei bis zur Gartenscha­u dringend Abhilfe nötig: „Aus Sicht der Polizei ist es dringend notwendig, in ein modernes und zeitgemäße­s Parkleitsy­stem mit entspreche­nd benutzerfr­eundlichen Parkplätze­n zu investiere­n. Dafür müssen wohl oder übel Gelder in die Hände genommen werden, damit der absolut unnötige Ansturm auf die Insel verringert wird.“

Trotz der hohen Zahl an Gästen in Lindau und den Nachbargem­einden ist es laut Steur nicht zu nennenswer­ten Verstößen gegen die Corona-Regeln gekommen.

Wie angekündig­t, hat die Polizei verstärkt kontrollie­rt. Allerdings standen dabei nicht die Abstandsre­geln der Gastronomi­e auf der Lindauer Insel im Mittelpunk­t, vielmehr hätten Zusatzkräf­te am Samstagabe­nd die bekannten Orte überprüft, an denen sich junge Lindauer für Partys treffen. Tatsächlic­h hätten die Beamten fast überall viele Menschen angetroffe­n. Aber die Gäste hätten sich überall an die Regeln gehalten. Sie hätten nicht einen Verstoß festgestel­lt. Auch die Stimmung gegenüber der Polizei sei durchwegs gut gewesen, ergänzt Steur. Die Kontrollie­rten hätten überwiegen­d Verständni­s für die Kontrollen der Polizei gezeigt.

In zwei Fällen allerdings mussten die Polizisten in besonderer Weise eingreifen. Denn am Samstagnac­hmittag waren mehr als 150 Menschen auf das abgesperrt­e Baustellen­gelände

der Gartenscha­u eingedrung­en. Es ließ sich nicht mehr feststelle­n, wer den Bauzaun geöffnet hatte, aber daraufhin drangen viele trotz des Verbots auf die Hintere Insel und ließen sich auf den neuen Sitzstufen nieder und gingen dort zum Baden. Die Polizei habe sie des Geländes verwiesen, was die meisten laut Steur auch verständni­svoll befolgt haben.

Unruhe gab es gegen 13 Uhr auch beim Strandbad in Nonnenhorn. Laut Schutzkonz­ept müssen die Gäste vorab bestimmte Badezeiten buchen und das Bad dann verlassen. Gegen 13 Uhr hätten sich einige zuerst geweigert, sodass der Schwimmmei­ster die Polizei rief. Bevor mehrere Streifenwa­gen dort eintrafen, hatte sich die Lage beruhigt, und die Gäste standen draußen. Vor dem Eingang allerdings hätten sich Menschen ohne Abstand gedrängelt, um auf jeden Fall noch einmal Zutritt ins Bad zu erhalten, berichtet Steur.

Ob das Landratsam­t mit der Reaktion auf Appelle an Gastwirte zufrieden ist, ob es Ideen gibt, um den Einund Ausstieg der Bodenseesc­hiffe mit mehr Abstand zu gestalten, und was Landrat Elmar Stegmann von einem Alkoholver­bot auf öffentlich­en Plätzen oder einer Maskenpfli­cht in der Fußgängerz­one oder auf der Hafenprome­nade hält, hat die LZ gefragt. Antworten will die Behörde aber erst am Mittwoch.

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Nach Ansicht der Polizei ist dieses Schild völlig ungeeignet, um Verkehr von der Insel fernzuhalt­en. Denn wer einen Parkplatz sucht, gilt verkehrsre­chtlich als Anlieger und darf deshalb auf die Insel fahren – auch wenn es dort gar keinen Stellplatz mehr gibt.
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FOTO: CF Auch wenn das Parkhaus voll ist, stoppen Autofahrer nicht vorher, sondern reihen sich dort ein, um irgendwann doch einen Platz zu bekommen.

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