Obstbauern in Sorge: Gibt es genug Erntehelfer?
Apfelernte steht vor der Tür – Bauern setzen auf hohe Hygienestandards – Vermehrt Kontrollen geplant
- Die Corona-Zahlen in Europa steigen wieder, mancherorts gibt es erneut Reisebeschränkungen und regelmäßig werden in einzelnen Betrieben Massentests durchgeführt. Zuletzt wurden auf einem Bauernhof in Niederbayern fast 180 Erntehelfer positiv auf das Virus getestet. Die Obstbauern in Lindau und im Bodenseekreis beobachten die aktuellen Entwicklungen mit Sorge. Dürfen und wollen die Erntehelfer aus Osteuropa Ende August, wenn die Apfelernte startet, einreisen? Wer könnte sie im Zweifel ersetzen?
Schon vor den Ernten im Frühjahr und Frühsommer, wo unter anderem Erdbeeren Saison haben, war die Situation für Obst- und Spargelbauern schwierig. Die Grenzen waren lange dicht, ob in Aussicht gestellte Lockerungen für Erntehelfer rechtzeitig greifen, war fraglich. Teils hat der Bauernverband sogar Flugzeuge gechartert, um die Arbeiter ins Land zu bekommen.
Es stand zu befürchten, dass die Früchte auf den Feldern vergammeln. „Bei den meisten hat es am Ende aber doch geklappt“, sagt Ingrid Martin, die die Öffentlichkeitsarbeit des Bündnisses „Bodensee-Bauern“koordiniert. Mit vereinten Kräften hätten Arbeiter aus dem Ausland, Familienmitglieder und hiesige Erntehelfer, die über eine Jobbörse des Maschinenrings auf die Höfe kamen, die Ernte eingebracht. Auch Gastronomen aus der Region hätten mit angepackt. Die Hilfsbereitschaft sei sehr groß gewesen.
Jetzt heißt es wieder: Bangen und Warten. „Die Sorgen sind enorm, die Apfelernte ist viel größer als die Erdbeerernte“, sagt Martin. Niemand wisse, ob die Grenzen wieder dichtgemacht werden und wie sich die Regeln in den kommenden Wochen verändern. Die Obstbauern müssen außerdem die Unterkünfte für die Helfer umbauen, um die neuen Hygienestandards einhalten zu können. „Die Landwirte sind Meister im Lösungen finden, aber sie kommen an ihre Grenzen.“
Ministerpräsident Markus Söder hat vermehrte Kontrollen angekündigt, zudem sollen alle Saisonarbeiter in Bayern verpflichtend „durchgetestet“
werden. Der Lindauer Obstbauer Martin Nüberlin findet das gut. „Wir wollen im Zweifel sofort reagieren können“, sagt er. Jetzt komme es auf Disziplin an. „Wir tun alles, was nötig ist. Denn wenn ein Corona-Fall auftritt und der Betrieb im schlimmsten Fall geschlossen werden muss, sind wir erledigt.“Beispielsweise sollen seine Helfer nicht einkaufen gehen – zumindest bis klar ist, dass sie gesund sind. Auch Besuche bei befreundeten Erntehelfern auf anderen Höfen hält Nüberlin für schwierig.
Stand heute ist der Lindauer vorsichtig optimistisch, dass die etwa 15 Erntehelfer, die er für seinen Betrieb braucht, da sein werden. „Ich will und muss zuversichtlich sein, denn die Helfer aus Osteuropa sind unabdingbar.“Er freue sich zwar auch über hiesige Helfer, sehe aber nicht „dass sie die treuen Mitarbeiter aus Polen ersetzen können.“
Ob überhaupt genügend hiesige Helfer für die Obstbauern zusammen kämen, ist fraglich. Vor der Erdbeerernte habe die Plattform des Maschinenrings laut Ingrid Martin zwar großen Zulauf gehabt. Bei einige habe sich die persönliche Situation seither aber verändert. Zudem hätten viele Interessierte eine falsche Vorstellung von der harten Arbeit in der Landwirtschaft, andere wollten nur stundenweise arbeiten.
Generell sagen Martin und Nüberlin: Corona-Massenausbrüche wie auf dem Hof in Niederbayern seien in Lindau und im Bodenseekreis allein schon deshalb
Ingrid Martin vom Bündnis „Bodensee-Bauern“ unwahrscheinlich, weil die Betriebe hier viel keiner seien.
Das Landratsamt Lindau bereitet sich schon auf die vermehrten Kontrollen vor. „Die Staatsregierung hat vorgegeben, dass in jedem Landkreis Prüferteams eingerichtet werden müssen“, sagt eine Sprecherin. Zu den Teams gehörten ein Mitarbeiter des Gesundheitsamts, einer des Landwirtschaftsamts und ein Vertreter der Sozialversicherung für Landwirtschaft.
Die zu prüfenden Betriebe, der Prüfplan und die Inhalte der Kontrolle sollen dann entsprechend der Gegebenheiten vor Ort festgelegt werden.
„Die Sorgen sind enorm, die Apfelernte ist viel größer als die Erdbeerernte.“