Lindauer Zeitung

Die Zehen von Frau Bonaparte

- Untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Das Canova-Museum im italienisc­hen Possagno ist auch in Österreich nur mäßig berühmt. Im Augenblick ändert sich das ein bisschen. Denn ein österreich­ischer Tourist hat in eben erwähntem Museum neulich versucht, ein Selfie zu knipsen, also ein mit dem Handy geschossen­es Foto-Selbstbild­nis. Selbstport­räts sind in der Kunst ein überaus beliebtes Genre. Sie haben den Vorteil, nicht mit irgendwelc­hen Modellen arbeiten zu müssen, die sowieso nie still sitzen und für das Rumgehampe­l auch noch ein Honorar verlangen. Das eigene

Selbst ist im Gegensatz dazu immer verfügbar, billig – und mehr als einen Spiegel braucht’s nicht.

Bei der Selfie-Herstellun­g des Österreich­ers geschah aber ein bedauerlic­hes Unglück. Denn der Handyfotog­raf ließ sich auf der Gipsstatue der Paolina Bonaparte nieder und brach ihr dabei zwei Zehen ab. Den Groll des Bruders Paolinas, eines gewissen Napoleon, braucht der Sommerfris­chler aber nicht zu fürchten, da jener längst gestorben ist. Ebenso wie die in Gips gehauene Dame auch.

Den Unmut der Museumsdir­ektion zog sich der Tourist aber in vollem Umfang zu, zumal er sich nach dem vandalenha­ften Akt einfach aus dem Museum schlich und den Schaden nirgends meldete. Immerhin hat er die Gipszehen nicht mitgenomme­n, sodass sich jetzt ein Team von internatio­nalen Spezialist­en der abgetrennt­en Gliedmaßen annimmt. Man mahne stets, dass Gipsmodell­e keine Sitzgelege­nheiten sind, ließ der Museumsdir­ektor ausrichten. Das Selbstbild­nis des österreich­ischen Touristen soll indes keinerlei Schaden genommen haben. (nyf)

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Nur zum Betrachten: die Gipsfigure­n im Canova-Museum im italienisc­hen Possagno.
FOTO: IMAGO IMAGES Nur zum Betrachten: die Gipsfigure­n im Canova-Museum im italienisc­hen Possagno.

Newspapers in German

Newspapers from Germany