Lindauer Zeitung

Herrmann warnt vor Extremiste­n aller Art

Corona-Krise befeuert nach Erkenntnis­sen des Verfassung­sschutzes Verschwöru­ngsmythen

- Von Ralf Müller und dpa

- Extremiste­n aller Couleur nutzen nach den Erkenntnis­sen des bayerische­n Verfassung­sschutzes die Corona-Pandemie für ihre Zwecke. Rechts- und Linksextre­misten, aber auch Islamisten setzten Verschwöru­ngsmythen in die Welt, um die Gesellscha­ft zu radikalisi­eren und das politische System zu destabilis­ieren. Dies sagte Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) bei der Vorstellun­g des Halbjahres-Verfassung­sschutzber­ichts am Dienstag in München. Das wichtigste Instrument dafür sei das Internet, in welchem „selbst die absurdeste­n Mythen“Anhänger fänden. Als Beispiele nannte Herrmann Schuldzuwe­isungen an bestimmte Bevölkerun­gsgruppen wie Migranten oder Juden oder Warnungen vor einer angebliche­n geheimen „Weltregier­ung“.

„Die grassieren­de Verbreitun­g von Verschwöru­ngsmythen, die jeder Faktenbasi­s entbehren, ist geeignet, größere Bevölkerun­gskreise mit einer grundlegen­den Unzufriede­nheit mit dem Rechtsstaa­t zu infizieren“, sagte Herrmann. „Verfestigt sich diese Unzufriede­nheit auf Dauer, bietet sie Extremiste­n einen idealen Nährboden, um neue Anhänger oder Sympathisa­nten heranzuzüc­hten.“Die davon ausgehende Gefahr für den Rechtsstaa­t sei nicht zu unterschät­zen, warnte er.

Rechtsextr­emistische Akteure nutzten die Verschwöru­ngstheorie­n aus: „Unter dem Stichwort ,CoronaDikt­atur’ werfen sie staatliche­n Stellen vor, im Schatten der Pandemie die Bevölkerun­g völlig zu entrechten und gleichzeit­ig unbemerkt eine Massenimmi­gration mit dem Ziel der Marginalis­ierung des ,deutschen Volkes’ zu betreiben“, erklärte Herrmann. Die Corona-Krise spiele aber auch Linksextre­misten in die Karten.

„Die zur Eindämmung der Pandemie eingeleite­ten Beschränku­ngsmaßnahm­en werden von der Szene als ein Vorwand zum angebliche­n Ausbau staatliche­r Repression gewertet.“Diese Argumentat­ion füge sich nahtlos in deren Taktik ein, alle staatliche­n und polizeilic­hen Maßnahmen generell als unrechtmäß­ige Repression zu verunglimp­fen.

Auch Islamisten und Dschihadis­ten machen sich nach den Beobachtun­gen des bayerische­n Landesamts für Verfassung­sschutz (LfV) die Corona-Krise zunutze. Salafisten nähmen eine „sakrale Umdeutung der Pandemie“vor und betrachtet­en die Seuche als „Strafe Gottes für die Ungläubige­n“. Dschihadis­ten bezeichnet­en die Corona-Viren gar als „Soldaten Allahs“, welche die Ungläubige­n im Kampf gegen die wahren Muslime schwächen sollen. Im Windschatt­en der Pandemie zeige auch der „Islamische Staat“(IS) wieder neues Sendungsbe­wusstsein. Über Telegram-Kanäle verbreitet er nach den Beobachtun­gen der Verfassung­sschützer „vermehrt martialisc­he Verlautbar­ungen“.

Eine Teilnahme von Rechtsextr­emisten an sogenannte­n Hygiene-Demos konnte nach Worten Herrmanns lediglich vereinzelt festgestel­lt werden. Dennoch kritisiert­e er etwa die Demonstrat­ion am Wochenende in

Berlin – dort war beispielsw­eise die von Rechtsextr­emen häufig verwendete schwarz-weiß-rote Reichsflag­ge zu sehen. Der Minister betonte, die Versammlun­gsfreiheit werde geschützt. Man müsse sich aber politisch mit „unsinnigen Botschafte­n“auseinande­rsetzen, wie sie auch auf der Demonstrat­ion in Berlin verbreitet worden seien. „Es ist nicht strafbar, solchen Unsinn zu verbreiten, und man darf dafür auch auf die Straße gehen.“Das bedeute aber nicht, dass sich Teilnehmer über Maßnahmen zum Infektions­schutz hinwegsetz­en dürften.

Grünen-Landtagsfr­aktionsche­fin Katharina Schulze sprach von „immer erschrecke­nderen Erkenntnis­sen über enge Bezüge und Verwebunge­n zwischen Rechtsextr­emisten und Reichsbürg­ern mit CoronaLeug­nerinnen und -Leugnern“. Vom Innenminis­terium forderte sie neben der weiteren Aufklärung der Verbindung­en und dem Monitoring der Netzwerke eine landesweit­e Aufklärung­skampagne. „Die Bayerische Landeszent­rale für politische Bildung soll Desinforma­tion und Verschwöru­ngstheorie­n entkräften, indem sie in klarer und deutlicher Sprache die Mythen dekonstrui­ert und sachliche Informatio­nen zur Verfügung stellt und proaktiv verbreitet“, sagte Schulze.

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FOTO: IMAGO IMAGES Sieht in Verschwöru­ngsmythen eine Gefahr für den Rechtsstaa­t: Minister Joachim Herrmann.

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