Lindauer Zeitung

Kleine Atomspreng­köpfe, die auf Raketen passen

Nach einem UN-Bericht entwickelt Nordkorea weitere nukleare Waffen – Finanzieru­ng durch Cyberkrimi­nalität

- Von Angela Köhler und dpa

- Nordkoreas Regime lässt nicht locker. Trotz internatio­naler Sanktionen treibt Pjöngjang offenbar sein Atom- und Raketenpro­gramm vehement voran. Das geht aus einem vertraulic­hen Rapport der Vereinten Nationen hervor, in dem ein unabhängig­es UN-Expertengr­emium zur Einhaltung von Sanktionen zu dem Schluss kommt, dass Nordkorea „wahrschein­lich sehr kleine nukleare Sprengköpf­e entwickelt hat, die auf ballistisc­he Raketen passen“. Ferner heißt es in dem Dokument, an dem mehrere Staaten gearbeitet haben, dass Pjöngjang sein Atomprogra­mm generell forciert, „einschließ­lich der Produktion von hoch angereiche­rtem Uran und dem Bau eines experiment­ellen Leichtwass­erreaktors“.

Das UN-Expertengr­emium zur Einhaltung der Sanktionen gegen Nordkorea betont in dem Bericht, dass die jüngsten Einschätzu­ngen auf Informatio­nen eines Mitgliedsl­ands zurückging­en. Welches damit gemeint ist, wurde nicht erwähnt, aber man darf vermuten, dass es sich um Nordkoreas engsten Verbündete­n China handelt.

Machthaber Kim Jong-un hatte erst kürzlich deutlich gemacht, dass er in dem Atomwaffen­arsenal eine Sicherheit­sgarantie sieht. Die Staatsmedi­en zitierten ihn Ende Juli mit den Worten: „Dank unserer zuverlässi­gen und wirksamen nuklearen Abschrecku­ng zur Selbstvert­eidigung wird es ein Wort wie Krieg in diesem Land nicht mehr geben.“Die Botschaft dahinter lautet: Wir haben jetzt kleine Nuklearspr­engköpfe, die auf ballistisc­he Raketen passen und damit reale Ziele erreichen können.

Mit keinem Wort wird in dem UN-Bericht erwähnt, wie ein isoliertes und durch Sanktionen abgeschott­etes Land ausreichen­d finanziell­e Mittel haben kann, um zur Atommacht zu werden. Bekannt ist, dass Pjöngjang trotz der Sanktionen intensiven Handel mit Peking betreibt, beispielsw­eise Kohle, Holz und seltene Erden an chinesisch­e Händler verkauft. Aber das dürfte kaum ausreichen, um im Ausland – zum Beispiel in der früheren Sowjetunio­n – Know-how und Technologi­e einzukaufe­n. Die Lösung dieses Rätsels könnte lauten: Cyberkrimi­nalität.

Das Kim-Regime hat in einem Land praktisch ohne funktionie­rendes Internet eine geheime Cyberarmee aufgestell­t, die Banken und Konzernen in aller Welt das Fürchten lehrt. Indizien dafür gibt es genug, vor allem für die Aktivitäte­n einer Gruppe mit Namen „Lazarus“, die sehr wahrschein­lich von Nordkorea aus operiert. Diese Hacker greifen durch eine „Ransomware“genannte Erpresser-Software gezielt Unternehme­n in Europa und Asien an, um vor allem über Kryptowert­e wie Bitcoin Finanzmitt­el abzugreife­n, vermuten internatio­nale Experten.

Einem UN-Bericht zufolge wird die bisherige Beute Pjöngjangs aus den Cyberraubz­ügen auf zwei Milliarden Dollar geschätzt. Das wäre rund ein Zehntel der gesamten wirtschaft­lichen Jahresleis­tung Nordkoreas und damit ein enormer Beitrag zur Finanzieru­ng des Rüstungspr­ogramms. Offiziell dementiert Kim Jong-un zwar eine Verbindung zu „Lazarus“, aber die Vereinten Nationen gehen als Urheber der Netz-Attacken von dem nordkorean­ischen Geheimdien­st RGB aus.

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FOTO: KCNA/DPA Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un hat wahrschein­lich kleine Atomspreng­köpfe für ballistisc­he Raketen entwickeln lassen.

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