Lindauer Zeitung

Knochen stammen von zwei unbekannte­n Soldaten

Die Identität der Männer lässt sich nicht mehr klären – Urnen sind im Kriegsgräb­erfeld des Friedhofs bestattet

- Von Dirk●Augustin

- Um wen es sich handelt, lässt sich nicht mehr klären. Die Fachleute wissen aber inzwischen, dass es sich bei den im Januar gefundenen Knochen um Überreste von zwei Soldaten der Wehrmacht handelt. Die Überreste liegen jetzt auf dem Friedhof.

„Zwei unbekannte Kriegstote“wird auf dem Grabstein stehen, den die Friedhofsv­erwaltung anfertigen lässt. Denn die Identität ist nach wie vor unklar. Es steht aber fest, dass die auf dem Gelände des Reutiner Bahnhofs gefundenen Knochen zu zwei Männern gehören, die bei Bombenangr­iffen auf den Bahnhof gegen Kriegsende vor gut 75 Jahren ums Leben gekommen sind.

Wie berichtet, hatte ein Baggerfahr­er Ende Januar bei Bauarbeite­n den Teil eines menschlich­en Knochens gefunden und außerdem unter anderem einen Wehrmachts­helm, den Hörer eines Feldtelefo­ns und ein Soldbuch ausgegrabe­n. All das lag ungefähr 1,70 Meter unter der Erdoberflä­che. Wenige Tage später fanden Archäologe­n im Auftrag des Bayerische­n Landesamte­s für Denkmalpfl­ege sechs Meter weiter nochmals menschlich­e Knochen. Ein Mitarbeite­r der Kriegsgräb­erfürsorge hatte das Bahnhofsge­lände unter anderem mit einem Metalldete­ktor sehr genau abgesucht, aber weder die Erkennungs­marke gefunden, die jeder Soldat bei sich trug, noch andere Hinweise auf die Identität.

Hoffnung setzten die Mitarbeite­r der Kriegsgräb­erfürsorge deshalb auf das gefundene Soldbuch, das sich vor Ort nicht entziffern ließ. Die Kriegsgräb­erfürsorge wollte aber mithilfe des Bundesarch­ivs in Berlin die Schrift wieder lesbar machen, um dann Hinweise auf den Soldaten zu erhalten. Das ist aber offensicht­lich bisher nicht gelungen, denn auch mehr als ein halbes Jahr nach dem Fund ist nicht bekannt, zu wem die Überreste gehören. Auch Recherchen des Heimatfors­chers Karl Schweizer und des Lindauer Stadtarchi­vs haben keine Erkenntnis­se zur Identität der Toten ergeben.

„Wo immer möglich, werden die Toten identifizi­ert, die Angehörige­n verständig­t. In jedem einzelnen Fall aber werden die Geborgenen würdig beigesetzt“, sagte Jörg Raab, Geschäftsf­ührer des Landesverb­ands Bayern im Volksbund Deutsche Kriegsgräb­erfürsorge, bei der Beisetzung am Dienstag auf dem Friedhof in Aeschach. Dort liegen die Urnen mit den Überresten der beiden Soldaten nun inmitten der Kriegsgräb­erstätte, in der bereits 62 Kriegstote bestattet sind, von denen 51 in Lindau ums Leben kamen.

Wegen der Corona-Bestimmung­en fand die Feier auf dem Friedhof im ganz kleinen Kreis statt, anwesend waren neben Jörg Raab und Sebastian Weilbach von der Kriegsgräb­erfürsorge noch Mitarbeite­r der Friedhofsv­erwaltung und je ein evangelisc­her und katholisch­er Pfarrer. Auch wenn man ihren Namen nicht kenne, sei doch klar, dass es sich um Menschen gehandelt haben, die ebenso gehofft, gebangt und geliebt haben wie jeder andere, sagte Jörg Hellmuth.

75 Jahre nach Kriegsende mahnten auch diese Toten, wie schlimm sich Kriege auswirken, sagte Raab, der daran erinnerte, dass im Zweiten Weltkrieg mehr als 60 Millionen Menschen gestorben sind, darunter neben Soldaten auch Opfer aus Konzentrat­ionslagern, Zwangsarbe­iter und Zivilisten. Der Volksbund kümmert sich allein in Bayern um die Gräber von mehr als 15 000 Toten. Im Ausland betreut die Kriegsgräb­erfürsorge mehr als 800 Anlagen in fast 50 Ländern, in denen mehr als 2,8 Millionen Tote ruhen. Vor diesem Hintergrun­d schloss das Totengeden­ken alle Opfer von Krieg und Gewalt zu allen Zeiten und an allen Orten ein.

Die jetzt Bestattete­n sind wahrschein­lich bei Luftangrif­fen französisc­her Jagdbomber im April 1945 gestorben. In der Stadtchron­ik sind mehrere Luftangrif­fe verzeichne­t. Der damalige Stadtarchi­var Alfred Otto Stolze schrieb: „Täglich war viel Fliegerala­rm, es fielen mehrfach Bomben auf Reutin, besonders auf den Bahnhof. Es gab auch einige Todesopfer. Die Tochter eines Lindauer Fabrikante­n wurde schwer verletzt.“Laut Sterberegi­ster kamen bei den Luftangrif­fen am 23., 24., 25. und 27. April 1945 insgesamt 13 Menschen ums Leben, zehn davon waren Zivilisten, die Hälfte davon Frauen. Zwei weitere männliche Zivilisten starben wenige Tage später im Krankenhau­s an ihren Verletzung­en. Die Luftangrif­fe sollten Reutin als regionalen Eisenbahnk­noten lahmlegen.

 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Sebastian Weilbach und Jörg Raab von der Kriegsgräb­erfürsorge (von links) sowie zwei Pfarrer und ein Vertreter der Friedhofsv­erwaltung bestatten die Überreste von zwei unbekannte­n Wehrmachts­soldaten, deren Knochen beim Bau des neuen Reutiner Bahnhofs zutage getreten waren.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Sebastian Weilbach und Jörg Raab von der Kriegsgräb­erfürsorge (von links) sowie zwei Pfarrer und ein Vertreter der Friedhofsv­erwaltung bestatten die Überreste von zwei unbekannte­n Wehrmachts­soldaten, deren Knochen beim Bau des neuen Reutiner Bahnhofs zutage getreten waren.
 ?? ARCHIVFOTO: CF ?? Neben den Knochen finden sich vor einem halben Jahr auch ein Wehrmachts­helm, der Hörer eines Feldtelefo­ns und andere Gegenständ­e.
ARCHIVFOTO: CF Neben den Knochen finden sich vor einem halben Jahr auch ein Wehrmachts­helm, der Hörer eines Feldtelefo­ns und andere Gegenständ­e.

Newspapers in German

Newspapers from Germany