52-Jähriger trickst Pfandautomaten aus
Mit auf Becher geklebten Pfand-Etiketten betrügt er das System – doch dann macht er einen Fehler
- Wahrscheinlich würde der 52-Jährige noch heute unbemerkt das deutsche Pfandsystem hintergehen, hätte ihn eine aufmerksame Zeugin in einem Biberacher Supermarkt nicht in flagranti erwischt. Der Mann soll Hunderte gefälschte Etiketten auf Becher geklebt und in Geschäften im südlichen Baden-Württemberg eingelöst haben. Das werfen ihm die Ermittler vor. Für Supermarkt-Betreiber ist das ärgerlich.
Hat das Polizeipräsidium Ulm in so einem Fall schon einmal ermittelt?„Ein identischer Fall ist mir nicht bekannt“, antwortet Sprecher Holger Fink. Laut derzeitigen Erkenntnissen hat ein 52-Jähriger aus dem Kreis Ravensburg in dieser Woche in einem Supermarkt in Biberach die gefälschten Pfandbecher an einem Automaten eingelöst. Zuerst morgens, dann nachmittags. Bei zweiterem Unterfangen erkannte ihn eine Zeugin. Der Mann flog mit seiner dreisten Masche auf.
In seinem Auto fand die Polizei mehrere Kartons mit Bechern, die mit einer PfandBanderole beklebt waren und viele Kassenbelege. Bei einer Wohnungsdurchsuchung stellten die Beamten etwa 1500 Banderolen und rund 500 Becher sicher. Der Verdächtige soll geäußert haben, mehrere Tausend Banderolen gefunden zu haben. „Wo der Beschuldigte diese herhat, muss noch ermittelt werden“, erläutert Fink. Es habe sich um Originale verschiedener Marken gehandelt, auf denen das Pfandzeichen drauf ist. Demnach hat der Mann das Pfandlogo nicht einfach kopiert.
Wie oft er diese Masche durchgezogen hat, ist Gegenstand der Ermittlungen. Einiges an Fahrtwegen hat der Beschuldigte auf sich genommen, war er doch in vier Land- beziehungsweise Stadtkreisen aktiv. „Nach ersten Erkenntnissen sind Geschäfte in den Kreisen Biberach, Friedrichshafen, Ravensburg und dem Stadtkreis Ulm betroffen“, erläutert Fink.
In Biberach soll er sich das Pfand ausbezahlt haben lassen: „Eine mitgeführte Pfandmarke kam nicht zur Einlösung.“In anderen Filialen soll der Verdächtige meistens noch für kleine Beträge eingekauft haben und sich den Rest ausbezahlt haben lassen.
„Das ist schon unverschämt und ärgerlich“, sagt Martin Walke, der in Biberach zwei Edeka-Märkte betreibt. Bei ihm hat sich der Vorfall nicht zugetragen, doch berufsbedingt kennt er sich mit Pfandautomaten aus. Er vermutet, dass der mutmaßliche Betrüger an älteren Automaten seine Becher eingeworfen haben könnte. Denn bei neueren Geräte gibt es mehrere Sicherheitsstufen.
Erstens scannt der Leergutautomat die European Article Number (EAN).
Die EAN ist ein Strichcode. Zweitens erfasst das Gerät die Form der Flasche und die Richtung des Flaschenbodens. Das merken Kunden immer dann, wenn der Automat die Annahme einer Flasche wegen einer Delle verweigert.
Drittens wird das Logo der Deutschen Pfand GmbH (DPG) ebenfalls gescannt. Dieses Zeichen ist auf allen Flaschen und Dosen, für die die 25Cent-Regelung gilt.
„Einfach kopieren kann man sich das DPG-Logo nicht“, sagt Walke. Es gebe einen Kopierschutz. Ein stückweit sei es schon „eine Sensation“, wie der Betrüger das System ausgehebelt habe. Zu Reichtum komme man damit aber nicht. Das legen auch die vorläufigen Ermittlungsergebnisse nahe. Demnach dürfte der Schaden in einem niedrigen dreistelligen Bereich liegen.
Doch das geht auch in deutlich größeren Dimensionen. „Ich erinnere mich an einen Fall, bei dem sich ein Mitarbeiter 300 000 Euro an Pfand hat ausbezahlen lassen“, sagt Walke. Der Angestellte habe die Getränkeautomaten so manipuliert, dass er die von Kunden abgegebenen Flaschen nochmals durch den Automat hat laufen lassen.
Seit 2003 gibt es das Pfand für Einwegverpackungen wie Plastikflaschen oder Dosen. Für die Händler bedeutet das einen enormen Aufwand, auch in finanzieller Hinsicht. „Eine Leergutanlage ist nach der Kühlanlage die teuerste Anschaffung für einen Supermarkt“, schildert Walke. Seine Automaten seien mit dem Internet verbunden, sodass sie die Zahl der zurückgenommenen Flaschen direkt an die DPG melden könnten.
Betrügereien im Pfandsystem passieren laut Medienberichten immer wieder. Pfandflaschen an einer Angelschnur befestigen oder das DPG-Logo auf eigentlich pfandfreie Flaschen kleben sind beliebte Methoden. Belastbare Zahlen, wie häufig so etwas passiert, gibt es bei der Polizei nicht. „Rechtlich dürfte es sich um einen Computerbetrug handeln“, erläutert Fink. „Darunter fallen auch sogenannte ,Pfandbetrüge’.“Gesondert erfasst wird diese Art von Delikten in der Kriminalstatistik nicht.
Ein Kavaliersdelikt ist der Betrug mit Pfandflaschen keineswegs. Die Polizei ermittelt nämlich wegen einer Straftat. Für Computerbetrüger, darunter fällt ja der Pfandbetrug, sieht das Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor.