Lindauer Zeitung

52-Jähriger trickst Pfandautom­aten aus

Mit auf Becher geklebten Pfand-Etiketten betrügt er das System – doch dann macht er einen Fehler

- Von Daniel Häfele

- Wahrschein­lich würde der 52-Jährige noch heute unbemerkt das deutsche Pfandsyste­m hintergehe­n, hätte ihn eine aufmerksam­e Zeugin in einem Biberacher Supermarkt nicht in flagranti erwischt. Der Mann soll Hunderte gefälschte Etiketten auf Becher geklebt und in Geschäften im südlichen Baden-Württember­g eingelöst haben. Das werfen ihm die Ermittler vor. Für Supermarkt-Betreiber ist das ärgerlich.

Hat das Polizeiprä­sidium Ulm in so einem Fall schon einmal ermittelt?„Ein identische­r Fall ist mir nicht bekannt“, antwortet Sprecher Holger Fink. Laut derzeitige­n Erkenntnis­sen hat ein 52-Jähriger aus dem Kreis Ravensburg in dieser Woche in einem Supermarkt in Biberach die gefälschte­n Pfandbeche­r an einem Automaten eingelöst. Zuerst morgens, dann nachmittag­s. Bei zweiterem Unterfange­n erkannte ihn eine Zeugin. Der Mann flog mit seiner dreisten Masche auf.

In seinem Auto fand die Polizei mehrere Kartons mit Bechern, die mit einer PfandBande­role beklebt waren und viele Kassenbele­ge. Bei einer Wohnungsdu­rchsuchung stellten die Beamten etwa 1500 Banderolen und rund 500 Becher sicher. Der Verdächtig­e soll geäußert haben, mehrere Tausend Banderolen gefunden zu haben. „Wo der Beschuldig­te diese herhat, muss noch ermittelt werden“, erläutert Fink. Es habe sich um Originale verschiede­ner Marken gehandelt, auf denen das Pfandzeich­en drauf ist. Demnach hat der Mann das Pfandlogo nicht einfach kopiert.

Wie oft er diese Masche durchgezog­en hat, ist Gegenstand der Ermittlung­en. Einiges an Fahrtwegen hat der Beschuldig­te auf sich genommen, war er doch in vier Land- beziehungs­weise Stadtkreis­en aktiv. „Nach ersten Erkenntnis­sen sind Geschäfte in den Kreisen Biberach, Friedrichs­hafen, Ravensburg und dem Stadtkreis Ulm betroffen“, erläutert Fink.

In Biberach soll er sich das Pfand ausbezahlt haben lassen: „Eine mitgeführt­e Pfandmarke kam nicht zur Einlösung.“In anderen Filialen soll der Verdächtig­e meistens noch für kleine Beträge eingekauft haben und sich den Rest ausbezahlt haben lassen.

„Das ist schon unverschäm­t und ärgerlich“, sagt Martin Walke, der in Biberach zwei Edeka-Märkte betreibt. Bei ihm hat sich der Vorfall nicht zugetragen, doch berufsbedi­ngt kennt er sich mit Pfandautom­aten aus. Er vermutet, dass der mutmaßlich­e Betrüger an älteren Automaten seine Becher eingeworfe­n haben könnte. Denn bei neueren Geräte gibt es mehrere Sicherheit­sstufen.

Erstens scannt der Leergutaut­omat die European Article Number (EAN).

Die EAN ist ein Strichcode. Zweitens erfasst das Gerät die Form der Flasche und die Richtung des Flaschenbo­dens. Das merken Kunden immer dann, wenn der Automat die Annahme einer Flasche wegen einer Delle verweigert.

Drittens wird das Logo der Deutschen Pfand GmbH (DPG) ebenfalls gescannt. Dieses Zeichen ist auf allen Flaschen und Dosen, für die die 25Cent-Regelung gilt.

„Einfach kopieren kann man sich das DPG-Logo nicht“, sagt Walke. Es gebe einen Kopierschu­tz. Ein stückweit sei es schon „eine Sensation“, wie der Betrüger das System ausgehebel­t habe. Zu Reichtum komme man damit aber nicht. Das legen auch die vorläufige­n Ermittlung­sergebniss­e nahe. Demnach dürfte der Schaden in einem niedrigen dreistelli­gen Bereich liegen.

Doch das geht auch in deutlich größeren Dimensione­n. „Ich erinnere mich an einen Fall, bei dem sich ein Mitarbeite­r 300 000 Euro an Pfand hat ausbezahle­n lassen“, sagt Walke. Der Angestellt­e habe die Getränkeau­tomaten so manipulier­t, dass er die von Kunden abgegebene­n Flaschen nochmals durch den Automat hat laufen lassen.

Seit 2003 gibt es das Pfand für Einwegverp­ackungen wie Plastikfla­schen oder Dosen. Für die Händler bedeutet das einen enormen Aufwand, auch in finanziell­er Hinsicht. „Eine Leergutanl­age ist nach der Kühlanlage die teuerste Anschaffun­g für einen Supermarkt“, schildert Walke. Seine Automaten seien mit dem Internet verbunden, sodass sie die Zahl der zurückgeno­mmenen Flaschen direkt an die DPG melden könnten.

Betrügerei­en im Pfandsyste­m passieren laut Medienberi­chten immer wieder. Pfandflasc­hen an einer Angelschnu­r befestigen oder das DPG-Logo auf eigentlich pfandfreie Flaschen kleben sind beliebte Methoden. Belastbare Zahlen, wie häufig so etwas passiert, gibt es bei der Polizei nicht. „Rechtlich dürfte es sich um einen Computerbe­trug handeln“, erläutert Fink. „Darunter fallen auch sogenannte ,Pfandbetrü­ge’.“Gesondert erfasst wird diese Art von Delikten in der Kriminalst­atistik nicht.

Ein Kavaliersd­elikt ist der Betrug mit Pfandflasc­hen keineswegs. Die Polizei ermittelt nämlich wegen einer Straftat. Für Computerbe­trüger, darunter fällt ja der Pfandbetru­g, sieht das Strafgeset­zbuch eine Freiheitss­trafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor.

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FOTO: NORBERT SCHMIDT/DPA Ein 52-jähriger Mann erbeutet mit gefälschte­m Leergut einen dreistelli­gen Betrag.

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