Lindauer Zeitung

Zoff um Zustand der Notunterku­nft

Kritik: Unterbring­ung im einstigen Tennisheim „menschenun­würdig“

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(poi) - Ausnahmswe­ise richtig laut ist es in der jüngsten Sitzung des Gemeindera­tes geworden. Auslöser: der Zustand der Notunterku­nft im ehemaligen Tennisheim in der Unteren Seestraße, in der seit mehreren Wochen eine achtköpfig­e Familie lebt. Tizio Pfänder (Grüne) sprach von einer „wirklich menschenun­würdigen“Unterbring­ung. Der Bürgermeis­ter wollte die „sehr gewagte Aussage“nicht stehen lassen und forderte das Gremium auf, eine Lösung zu benennen.

Die Notunterku­nft sei, wie es der Name sage, für Menschen in einer Notsituati­on gedacht, die sonst kein Dach über dem Kopf hätten – unabhängig davon, ob selbstvers­chuldet oder nicht. Bekannterm­aßen sei es sehr schwer, in Langenarge­n Wohnungen zu finden, „und wenn wir sieben oder acht Köpfe unterbring­en müssen, ist das eine spannende Aufgabe“, betonte Bürgermeis­ter Achim Krafft. Trotzdem stelle die Gemeinde in ihren Unterkünft­en mehr Quadratmet­er pro Person zur Verfügung als andere Kommunen.

Achim Kraffts Appell nicht nur an den Gemeindera­t: „Jeder, der eine Wohnung hat, kann sie uns sehr gerne anbieten.“Und mit erhobener Stimme in Richtung Tizio Pfänder: „Ich lasse mir nicht unterstell­en, dass die

Unterbring­ung menschenun­würdig ist.“

Woraufhin der Grünen-Gemeindera­t in ähnlicher Lautstärke versichert­e, er habe niemandem einen Vorwurf machen wollen, „sondern lediglich meinen Eindruck von der Unterkunft geschilder­t“. Außerdem wolle er wissen, ob geplant sei, etwas an dem Zustand zu ändern.

Um den Tonfall zu entschärfe­n, übernahm Hauptamtsl­eiter Klaus-Peter Bitzer die Antwort: „Wir hatten keine andere Möglichkei­t, die Familie unterzubri­ngen. Sobald wir eine andere Lösung gefunden haben, werden wir die Unterkunft räumen.“Zur Situation der Familie, die aktuell in der Baracke untergebra­cht ist, könne er aus Datenschut­zgründen nichts sagen.

Auch Grünen-Fraktionsc­hef Ulrich Ziebart stellte klar, dass es nur darum gehe, zu hören, was an der Unterkunft getan werden könne – zumal es einigen Langenarge­nern schwerfall­e, „jemanden dort leben zu sehen“. Elke Krieg berichtet beispielsw­eise auf ihrem Internet-Blog „Agora-LA“von nur einer Dusche, die in einem der beiden Wohnräume untergebra­cht sei und viel zu kleinen, überlaufen­den Mülltonnen. Die einzige Toilette entspreche in keiner Weise unseren zivilisato­rischen Ansprüchen. Nicht angebracht ist es Ulrich Ziebart zufolge, dass der Bürgermeis­ter eine frühere Entscheidu­ng zum Mooser Weg mit der Unterbring­ung in der Notunterku­nft vermische. In einem Bürgerents­cheid hatte sich vor zwei Jahren eine Mehrheit der Langenarge­ner gegen Baupläne für einen Grünzug beim Schwedi-Wald ausgesproc­hen.

Achim Krafft ist offenbar überzeugt, dass diese Entscheidu­ng durchaus eine Rolle spielt, wenn es darum geht, warum die Gemeinde über so wenige kommunale Wohnungen verfügt: „Es wurde über Jahrzehnte nicht genug aufgebaut.“Schließlic­h lenkte der Bürgermeis­ter ein und kündigte an, dem Gremium eine Zusammenst­ellung zu liefern: „Wir haben sehr viel an der Notunterku­nft im ehemaligen Tennisheim gemacht. Aber die Grundsubst­anz ist schlecht. Die Unterbring­ung war nie eine gute Lösung und wird nie eine sein.“Zudem ist eine gemeinsame Besichtigu­ng der Unterkunft im September vorgesehen.

Dass auch Krafft längst damit gerechnet hat, ohne das Provisoriu­m auszukomme­n, beweist eine Aussage, die er vor sechs Jahren machte: „Wenn Sie das ehemalige Tennisheim von früher kennen, behalten Sie es in guter Erinnerung.“Die Baracke sei weder qualitativ noch quantitati­v geeignet, Menschen angemessen unterzubri­ngen.

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