Länger Zeit für sichere Kassen
Warum Händler bei der Umrüstung auf das neue System eine Schonfrist bekommen
- Fast alle Bundesländer haben Einzelhandel, Handwerkern und Gaststätten eine Schonfrist bis Ende März 2021 für die Umrüstung auf manipulationssichere Kassen gewährt – auch Baden-Württemberg. Dabei besteht das Bundesfinanzministerium (BMF) weiter darauf, dass die Regeln ab dem 1. Oktober angewandt werden. Ein Thema mit vielen offenen Fragen.
Warum wurde das Gesetz beschlossen?
Der Staat wird um erhebliche Steuereinnahmen betrogen, weil Umsätze nicht korrekt erfasst werden. Es gibt spezielle Kassen-Software, die es ermöglicht, Einnahmen offiziell oder schwarz zu registrieren – ein Knopfdruck genügt. Auch Betriebsprüfer des Finanzamts können das kaum bemerken. Dies geschieht offenbar sehr häufig, denn der Schaden wird bundesweit auf fünf bis zehn Milliarden Euro geschätzt.
Wie soll Steuerbetrug künftig verhindert werden?
Im „Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“
wurde Ende 2016 festgeschrieben, dass ab 1. Januar 2020 nur noch elektronische Kassensysteme erlaubt sind, die über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) verfügen. Für diese Prüfung ist das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zuständig.
Wo ist das Problem?
Die Entwicklung der TSE und ihre Zertifizierung hat lange gedauert, weil kein Einheitssystem eingeführt werden sollte, sondern Lösungen mehrerer Anbieter. Das ermögliche eine flexible Umsetzung durch die Hersteller und treibe die Technologieentwicklung entscheidend voran, begründete dies das BSI. Es hat erst Ende 2019 die ersten TSE zertifiziert. Dabei handelte es sich zudem nur um Hardware-Lösungen. Dagegen hat es für Software-Lösungen, bei denen die Daten in einer Cloud gesichert werden, nach Angaben des Digitalverbands Bitkom die Vorgaben noch nicht endgültig veröffentlicht. Daher hat das BMF im November 2019 eine „Nichtbeanstandungsregelung“erlassen, wonach auch nicht mit TSI ausgerüstete Kassen noch bis zum 30. September genutzt werden dürfen.
Warum die erneute Verzögerung?
Viele Händler wollen nicht die Hardware-Lösung, bei der jede einzelne Kasse umgerüstet werden muss, sondern Cloud-Lösungen für größere Kassensysteme. Die aber sind noch nicht zertifiziert. „Händler sollten die Wahlfreiheit haben, welche Lösung sie einsetzen, um ihre Kassen manipulationssicher zu machen“, forderte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Hinzu kommt die Corona-Pandemie, in der viele Händler und Wirte ums Überleben kämpfen und daher andere Sorgen haben.
Geht die neue Verlängerung so einfach?
Ja und nein. Die Steuerverwaltung ist Ländersache, auch wenn das Bundesfinanzministerium klagt, unterschiedliche Regelungen der Länder seien „nicht zielführend“. Allerdings gibt es keinen Freibrief. Vom badenwürttembergischen Finanzministerium heißt es beispielsweise, es müsse nachgewiesen werden, dass die Ausrüstung der Kassen mit TSE bis zum 30. September nicht möglich war, dass aber rechtzeitig vor dem 1. Oktober 2020 eine verbindliche Bestellung oder ein Auftrag erteilt wurden. Dann ist nicht einmal ein Antrag beim Finanzamt nötig.
Was sagen die Betroffenen?
Sie sind erleichtert. „Ein Bäcker, der 50 Filialen hat, muss mindestens 50 Kassen umstellen. Das kostet pro Kasse durchaus schon mal 1500 Euro inklusive Software, Update, Schulung der Mitarbeiter und Vor-Ort-Service des Technikers“, sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer der Deutschen Presse-Agentur. Angesichts von Corona könnten viele Betriebe nicht nachvollziehen, dass sie gerade jetzt personelle und finanzielle Ressourcen für eine Sicherung der „vielfach klammen Kassen der Betriebe“aufwenden sollten.