Lindauer Zeitung

In „Lenas Bioladen“gab es kiloweise Marihuana

Polizei schnappt mutmaßlich­e Betreiber eines Darknet-Drogenshop­s

- Von Ludger Möllers und Agenturen

- Der Zusatz „Bio“sollte das Geschäft beleben: Offensicht­lich wollten die Betreiber im Alter von 42 und 31 Jahren eines Darknet-Drogenshop­s mit dem harmlosen Namen „Lenas Bioladen“vom Bioboom in Deutschlan­d profitiere­n. Über ihren Internetsh­op sollen sie aber Bioprodukt­e der besonderen Art verkauft haben: kiloweise Marihuana. Jetzt sitzen sie in Untersuchu­ngshaft, nachdem die Polizei in Bayern sie nach zweijährig­er Ermittlung­sarbeit festnahm, wie sie gemeinsam mit der Generalsta­atsanwalts­chaft Bamberg am Dienstag mitteilte. Den Männern wird unerlaubte­r Handel mit Betäubungs­mitteln in mehreren Fällen vorgeworfe­n. Über den Shop konnten Käufer aus ganz Deutschlan­d sowie dem benachbart­en Ausland Cannabispr­odukte bestellen, die ihnen dann auf dem Postweg zugestellt wurden.

Auf die Spur der Männer kam die Zentralste­lle Cybercrime Bayern (ZCB) im Darknet – einem Bereich des Internets, in dem sich Nutzer fast anonym bewegen können. Dort werden unter anderem Waffen, Falschgeld, Kinderporn­os und illegale Daten ausgetausc­ht. Die Ermittlung­en starteten im Oktober 2018, als die Cybercrime-Experten der bayerische­n Polizei im Rahmen ihrer Initiative­rmittlunge­n auf den Onlineshop im Darknet stießen. Im Jahre 2019 kamen die Beamten dann einem 42-jährigen Mann aus dem Alb-DonauKreis auf die Schliche. „Im weiteren Verlauf kristallis­ierte sich im Rahmen operativer Maßnahmen ein 31jähriger Mann aus dem Zollernalb­kreis als zweiter Tatverdäch­tiger heraus“, teilt die Polizei mit.

„Die Auswertung der vorhandene­n Spuren führte nach Neu-Ulm, von wo aus die Shopbetrei­ber Tausende Drogenpäck­chen mit verbotenem Inhalt versandten“, ist sich Oberstaats­anwalt Thomas Goger, Pressespre­cher der Generalsta­atsanwalts­chaft Bamberg, bei der die ZCB angesiedel­t ist, sicher. Die Ermittlung­en hätten den Tatverdach­t erhärtet, dass die beiden Männer „Lenas Bioladen“gemeinsam betrieben hätten. Unter Handelsnam­en wie „Lenas Cheese“oder „Lenas Hawaiian Snow“hätten die Männer zwischen Juni 2018 und März 2020 mindestens vier Kilogramm Marihuana über „Lenas Bioladen“verkauft und ausgeliefe­rt. Laut Polizei gibt es Anhaltspun­kte für weitere Transaktio­nen über den Drogenshop im fünfstelli­gen Bereich mit einem Gesamtumsa­tz im Millionenb­ereich.

Am 21. Juli schlugen die Beamten zu: Unter Leitung der Zentralste­lle Cybercrime Bayern und mit Unterstütz­ung der Kriminalpo­lizeien aus Ulm und Reutlingen durchsucht­en sie die Wohnungen der beiden Beschuldig­ten. „Dabei stellten die Beamten diverse Beweismitt­el, darunter Verpackung­smaterial, Mobiltelef­one, Computer und Speicherme­dien sowie zur Gewinnabsc­höpfung Vermögensw­erte wie Bargeld und Bitcoins sicher“, sagte Goger. Warum die beiden Männer ihre Ware in NeuUlm verschickt­en, will Goger im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht verraten: „Aus ermittlung­staktische­n Gründen.“

Die Anfang 2015 bei der Generalsta­atsanwalts­chaft Bamberg eingericht­ete ZCB ist mit 15 Staatsanwä­lten und drei IT-Spezialist­en eine der größten Spezialsta­atsanwalts­chaften Deutschlan­ds. „Die hohe Zahl der Ermittlung­sverfahren, die die ZCB führt, zeigt die große Bedeutung dieser Einrichtun­g: Während in Bamberg im Gründungsj­ahr 2015 lediglich 478 Verfahren gegen bekannte und unbekannte Beschuldig­te erfasst wurden, leitete die ZCB im Jahr 2019 insgesamt 14 198 Ermittlung­sverfahren ein.“Pressespre­cher Goger rechnet für das Jahr 2020 mit einer ähnlich hohen Zahl.

In Baden-Württember­g gibt es nach Angaben des Justizmini­steriums in Stuttgart seit 2017 jeweils eine Cybercrime-Staatsanwa­ltschaft in Stuttgart und Mannheim zur Bekämpfung der Computer- und Internetkr­iminalität. Hierfür wurden im Haushalt 2017 fünf neue Stellen geschaffen. „Diese wurden den Staatsanwa­ltschaften in Stuttgart und Mannheim zugewiesen, bei denen seit Juni 2017 spezialisi­erte Abteilunge­n eingericht­et sind, denen die Aufgabe zukommt, umfangreic­he und herausgeho­bene Ermittlung­sverfahren aus diesem Kriminalit­ätsbereich zu bearbeiten“, sagte eine Sprecherin des Ministeriu­ms am Mittwoch. Die Abteilung in Stuttgart ist mit vier Dezernente­n, die in Mannheim mit fünf Dezernente­n besetzt, wobei der Abteilung in Mannheim noch weitere Zuständigk­eiten aus dem Bereich des Wirtschaft­sstrafrech­ts zugewiesen sind.

Schwerpunk­te der staatsanwa­ltschaftli­chen Ermittlung­en sind betrügeris­che Angebote oder Bestellung­en von Waren im Internet, Betrugstat­en im Zusammenha­ng mit Onlinebank­ing, der Handel mit Falschgeld, Waffen oder rechtswidr­ig erlangten Kreditkart­en im Darknet, Angriffe auf und das Hacken fremder Computersy­steme, teilweise verbunden mit dem Aufspielen von Malware. Auch ermitteln die Staatsanwä­lte wegen Erpressung­en mit der Behauptung, mittels angeblich gehackter Webcams seien kompromitt­ierende Videos erstellt worden (sog. „Sextorsion“).

Unabhängig vom aktuellen Fall „Lenas Bioladen“forderten am Mittwoch Mitglieder der CDU/CSUBundest­agsfraktio­n eine entschiede­nere Bekämpfung der Kriminalit­ät im Internet. „In dem Maß, in dem sich unser aller Leben aus der realen in die digitale Welt verlagert, steigt auch die Gefahr, Opfer digital begangener Straftaten zu werden“, schreiben Fraktionsv­ize Thorsten Frei (CDU) und der Sprecher der Fraktion für Recht und Verbrauche­rschutz, Jan-Marco Luczak (CDU), in einem Eckpunktep­apier zum Digitalstr­afrecht. Auch das Bundeskrim­inalamt geht von einer „kontinuier­lich steigenden Kriminalit­ätsentwick­lung“und einem großen Dunkelfeld im Bereich Cybercrime aus.

Frei und Luczak schreiben: „Den umfassende­n Datenschut­z haben wir vollzogen. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass ihn die Straftäter nicht als umfassende­n Täterschut­z missbrauch­en.“Sie fordern unter anderem einen neuen Straftatbe­stand für das Betreiben von Online-Handelspla­ttformen etwa zum Angebot verbotener Waffen im Darknet, dem nicht ohne Weiteres zugänglich­en Teil des Internets.

Außerdem müsse es eine Auskunftsp­flicht der Post zu Lieferunge­n von im Darknet bestellten illegalen Waren wie Drogen oder Falschgeld geben – und zwar schon vor der Ein- oder Auslieferu­ng, verlangen die beiden Rechts- und Innenpolit­iker.

Für Opfer von Cybermobbi­ng, also das Verächtlic­hmachen im Netz, brauche es eine zentrale Anlaufstel­le und einen eigenen Straftatbe­stand, um insbesonde­re Kinder und Jugendlich­e zu schützen. Internetsi­cherheit solle Pflichtfac­h werden: „Kinder und Jugendlich­e müssen daher frühzeitig lernen, wie sie sich im Netz vor Belästigun­g, Betrug oder Hacking schützen.“

Frei und Luczak plädieren auch für eine stärkere Nutzung der „Onlinedurc­hsuchung“und der „QuellenTKÜ“. Onlinedurc­hsuchung meint den verdeckten Zugriff auf Computer, Smartphone­s und andere IT-Geräte, deren Daten dann ausgelesen werden können. Die Quellen-TKÜ (TKÜ steht für Telekommun­ikationsüb­erwachung) ermöglicht es, auch Chats und Sprachnach­richten abzuhören, die verschlüss­elt versendet werden.

 ?? FOTO: ABIR SULTAN/DPA ?? Cannabispf­lanzen, aus denen auch Marihuana hergestell­t wird: Vier Kilo der Droge sollen zwei Männer übers Darknet vertrieben haben. Doch die Polizei kam dem Shop unter dem Namen „Lenas Bioladen“auf die Schliche.
FOTO: ABIR SULTAN/DPA Cannabispf­lanzen, aus denen auch Marihuana hergestell­t wird: Vier Kilo der Droge sollen zwei Männer übers Darknet vertrieben haben. Doch die Polizei kam dem Shop unter dem Namen „Lenas Bioladen“auf die Schliche.

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