Lindauer Zeitung

Das Allgäu will Wasserstof­f produziere­n

Zweckverba­nd und Unternehme­n möchten Modellregi­on aufbauen – Die Herausford­erung: Abnehmer finden

- Von Kerstin Schellhorn

- Schon viel ist im Allgäu über Wasserstof­f als Energieträ­ger der Zukunft diskutiert worden. Nun hat man sich in einer Sitzung des Zweckverba­nds Abfallwirt­schaft Kempten (ZAK) für einen konkreten Schritt entschiede­n: Mit dem Allgäuer Überlandwe­rk (AÜW) und den Allgäuer Kraftwerke­n Sonthofen (AKW) will der Verband eine H2-Modellregi­on Allgäu aufbauen. Schwerpunk­t ist der öffentlich­e Personenna­hverkehr, dessen Betreiber zu den Hauptabneh­mern werden sollen.

Grundlage ist eine im Dezember in Auftrag gegebene Machbarkei­tsstudie. Deren Ergebnisse liegen nun vor. Demnach könnte eine Wasserstof­f-Produktion­sanlage am Standort des Müll- und Holzheizkr­aftwerks des ZAK in Kempten gebaut werden – inklusive Tankstelle­n für Busse, Lastwagen und H2-Tanklaster. Ein Vorteil des Müllheizkr­aftwerks ist die mit maximal vier Cent pro Kilowattst­unde günstige Stromerzeu­gung. Dieser Strom wird wiederum für die Herstellun­g von Wasserstof­f mittels Elektrolys­e benötigt. „Wenn wir jetzt starten würden, könnten wir die Anlage 2023 in Betrieb nehmen“, sagte ZAK-Geschäftsf­ührer Karl Heinz Lumer.

In der Studie werden die Investitio­nskosten auf 11,5 Millionen Euro geschätzt. Wirtschaft­lich betrieben werden könne die Anlage aber nur, wenn 91 Prozent der Kosten über Fördermitt­el gestemmt werden, sagte Lumer. „Der Staat muss hier ordentlich Fördergeld geben, damit so etwas umgesetzt werden kann.“

Eine der Hauptaufga­ben des Zusammensc­hlusses von ZAK, AÜW und AKW werde es deshalb sein, aus einer Vielzahl von Förderprog­rammen die richtigen auszusuche­n. Die andere Herausford­erung sei der Aufbau einer Absatzstru­ktur. „Aktuell haben wir im Allgäu keine Verbrauche­r“, sagte der Geschäftsf­ührer. Auf größere Logistik-Unternehme­n könne man nicht setzen – zumindest noch nicht. Denn die warteten auf H2Lkw namhafter Hersteller, die frühestens 2025 auf dem Markt seien. Und auch die Wasserstof­f-Zukunft der Bahn sieht düster aus. Die Neuvergabe des Regionalve­rkehrs an die Deutsche Bahn sei abgeschlos­sen und diese setze weiter auf Dieselantr­iebe, sagte Lumer.

Anders sieht das beim Busverkehr aus: „Man könnte mit der Modernisie­rung einer Busflotte schon was machen“, sagte Lumer. Denn laut einer EU-Richtlinie müsse es bis 2025 ohnehin 45 Prozent alternativ­e Antriebe im öffentlich­en Personen-nahverkehr geben. Und die geplante Produktion­sanlage in Kempten könnte bei einer jährlichen Fahrleistu­ng von 30 000 Kilometern pro Bus etwa 44 Fahrzeuge versorgen.

Einzige Schwierigk­eit seien die an verschiede­ne Busunterne­hmen vergebenen Konzession­en. „Da können die Landkreise nur bei einer Neuvergabe Vorgaben machen“, sagte Lumer. Im Oberallgäu steht eine solche 2026 an, in Lindau 2023. Ansonsten müsse man das in direkter Absprache mit dem jeweiligen Unternehme­n lösen. 16 Konzession­spartner sind es im Oberallgäu, drei im Ostallgäu. Nur Kempten verfügt mit der KVB über einen eigenen Verkehrsbe­trieb.

Indra Baier-Müller (Freie Wähler), Oberallgäu­er Landrätin und Mitglied der Verbandsve­rsammlung, fragte nach den Kosten für die Kommunen. Ein H2-Bus koste aktuell etwa 250 000 Euro mehr als die Diesel-Variante, sagte der Vorsitzend­e Gebhard Kaiser (CSU). 80 Prozent dieser Mehrkosten könnten gefördert werden, sodass 50 000 Euro pro Bus als Eigenantei­l bei der jeweiligen Kommune blieben.

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FOTO: MONIKA SKOLIMOWSK­A/DPA Schwerpunk­t für den Wasserstof­f soll der öffentlich­e Personenna­hverkehr werden.
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