Lindauer Zeitung

OB Claudia Alfons: Insel muss gut erreichbar sein

Nach 100 Tagen im Amt zieht Lindaus neues Oberhaupt positive Bilanz – Unbedingt regeln will sie das Parken

-

- Genau 100 Tage ist Lindaus neue Oberbürger­meisterin Claudia Alfons im Amt. Ihr Start war eine Herausford­erung – nicht nur, weil ihre Amtszeit mitten in der Corona-Pandemie begann. Lindaus Stadtrat galt in vielen Punkten als zerstritte­n, im Frühjahr sind außerdem jede Menge neue Mitglieder dazugekomm­en. Im Gespräch mit Julia Baumann erzählt die 37-Jährige, warum sie trotzdem eine positive Bilanz zieht.

Frau Alfons, es war gar nicht so einfach, mit Ihnen einen Termin zu vereinbare­n. Ihr Kalender scheint sehr voll zu sein. Womit haben Sie zurzeit denn so viel zu tun?

Ich habe sehr viele Termine. Zum Teil sind das interne Besprechun­gen, bei denen es um Sachthemen geht. Und dann sind da noch jede Menge Anfragen von Dritten: Projektpar­tner, Vereine und Menschen, die sich für die Stadt engagieren. Im Moment versuche ich, fast alles anzunehmen, um die Fäden aufzunehme­n. Ich möchte mir einen Eindruck verschaffe­n darüber, was die Dinge sind, um die wir uns zeitnah kümmern müssen – und was noch hinten anstehen muss, weil wir keine Kapazitäte­n haben. Aber dieses erste Gespräch möchte ich gern mit allen führen, und das führt zu einem vollen Kalender. Dazu kommen natürlich Treffen mit dem Landrat und anderen Bürgermeis­tern im Landkreis. Ich habe Antrittsbe­suche gemacht bei meinen Kollegen in Bregenz, Ravensburg, Wangen und in Friedrichs­hafen. Um mich vorzustell­en und zu sagen, dass ich mich austausche­n und zusammenar­beiten möchte. Aber all das nimmt natürlich Zeit in Anspruch.

Sie haben im Wahlkampf immer damit geworben, dass Sie den „Blick von außen“mitbringen. Nach hundert Tagen im Amt haben Sie nun einen Einblick gewonnen. Wie erleben Sie Lindau und ihre Bewohner denn?

Die Lindauer habe ich eigentlich am besten kennengele­rnt in der Zeit des Wahlkampfs. Da hatte ich einen ganz engen Kontakt und Austausch, und das hat mir am Wahlkampf auch am meisten Spaß gemacht. Das fehlt mir jetzt, denn ehrlich gesagt treffe ich die Lindauer zurzeit ja viel zu wenig. Ich habe einmal die Woche eine Bürgerspre­chstunde, und ich versuche, viel in der Stadt unterwegs zu sein. Ansonsten treffe ich ja meist Funktionst­räger. Ehrlicherw­eise kommt mir der Austausch mit den Bürgern derzeit noch zu kurz. Darum wird es in der ersten Stadtratss­itzung nach der Sommerpaus­e eine Bürgerfrag­estunde geben. Grundsätzl­ich bin ich aber positiv überrascht davon, wie offen und aufgeschlo­ssen alle sind und wie schnell man gemeinsam an einer Sache arbeiten kann.

Viele Gelegenhei­ten, bei denen Sie die Lindauer Bürger treffen könnten, fallen zurzeit ja wegen der Corona-Pandemie auch einfach aus. Wie meistert Lindau Ihrer Meinung nach die Krise, gerade jetzt, in der Urlaubszei­t?

Es ist ein sehr schmaler Grat: Einerseits haben wir uns alle in der Zeit des totalen Lockdowns danach gesehnt, dass wir einen halbwegs normalen Sommer bekommen. Ich wünsche mir das auch für unsere Gastronome­n, Hoteliers und Händler, dass sie wieder wirtschaft­en können. Aber gleichzeit­ig merkt man auch: es ist ein anderes Gefühl als früher, wenn plötzlich wieder diese Menschenme­ngen da sind. In der Stadt, aber auch an den Seezugänge­n. Ich kann nur an alle appelliere­n: Haltet die Abstände ein und wascht Eure Hände. Und überall, wo man die Abstände nicht einhalten kann, sollte man weiter die Masken tragen. Ich verstehe, dass das Lebensgefü­hl im Sommer dazu verleitet, das alles lockerer zu sehen. Aber genau das kann am Ende die Keimzelle dafür sein, dass sich das Virus wieder ausbreitet. Und diese Gefahr sehe ich schon.

Was halten Sie von Kontrollen an Seezugänge­n oder in der Fußgängerz­one?

An erster Stelle steht für mich die Selbstkont­rolle und die Selbstverp­flichtung. Ich will keinen Kontrollst­aat haben, und wenn man viel kontrollie­rt, fördert das auch Denunziant­entum. Mir wäre es lieber, wenn wir da mit einer Solidaritä­t und einem gewissen Anstand durchkomme­n und jeder sieht, dass er da seinen Teil dazu beizutrage­n hat. Wir haben ein gemeinsame­s Interesse daran, dass wir am Ende nicht wieder alle Restaurant­s, Geschäfte und Schulen schließen müssen. Von den Auswirkung­en der Corona-Pandemie ist jeder betroffen und deshalb sollte auch jeder ein Interesse daran haben, gemeinsam darauf zu achten, dass die Regeln eingehalte­n werden. Aber wo die Einsicht fehlt, muss auch mal das Gesetz greifen.

Welche Bilanz ziehen Sie – mal unabhängig von Corona – unter Ihre ersten 100 Tage im Oberbürger­meisteramt?

Claudia Alfons

Eine sehr positive persönlich­e Bilanz: Mir macht die Arbeit Spaß, sie ist wahnsinnig vielfältig. Abstrakt ist es so, wie ich es mir vorgestell­t habe, was die Zuständigk­eiten und Abläufe angeht. In der Praxis fühlt es sich aber viel besser an, als ich es mir in der Theorie vorgestell­t habe. Das Team hier in der Verwaltung ist in weiten Teilen ein motivierte­s, lösungsori­entiertes und ich merke, dass wir uns ähnlich sind in der Herangehen­sweise. Da ist eine große Offenheit.

Und wie ist es im Stadtrat? Sie hatten in Ihrer ersten Sitzung allen ein gutes Miteinande­r angeboten. Wie gut funktionie­rt das?

Man merkt, dass der Wahlkampf vorbei ist, wir sind im Arbeitsmod­us. Dass es mit den vielen Gruppierun­gen nicht ganz einfach werden würde, sich zusammenzu­raufen, war klar. Aber ich finde, dass wir auf einem guten Weg sind. Die letzte Stadtratss­itzung ist gut gelaufen, was ich nicht nur daran festmache, dass wir zügig durchgekom­men sind. Aber natürlich braucht das gute Miteinande­r Zeit, zumal es ja auch etwa ein Drittel neue Stadträte gibt, die die Gelegenhei­t haben müssen, sich in die neue Aufgabe einzufinde­n. Ich führe mit jedem Stadtrat Einzelgesp­räche, damit wir uns persönlich kennenlern­en. Mir ist es wichtig, von jedem zu wissen, was seine Beweggründ­e sind. Ich hätte gerne eine Klausurtag­ung gemacht, um auszuloten, was die Agenda der kommenden sechs Jahre ist, wo wir die Schwerpunk­te setzen wollen.

Das ist derzeit allerdings schwierig. Aber vielleicht wird es vor den Haushaltsb­eratungen wenigstens eine Art Klausurtag geben.

Abschaffen wollten Sie die so genannten Elefantenr­unden vor den Stadtratss­itzungen, zumindest hatten Sie das in einem Fragebogen der Bunten Liste so angegeben. Nun soll es diese Runden aber noch immer geben. Stimmt das?

Was früher bemängelt wurde, und was ich auch bemängele, ist, dass man sich früher am Montag vor den Stadtratss­itzungen getroffen hat – zunächst als Fraktionsr­unde, später wohl reduziert auf die konstrukti­ve Mehrheit – und besprochen hat, was am Mittwoch auf der Tagesordnu­ng steht. Das gibt es nicht mehr. Die öffentlich­e Debatte muss in der öffentlich­en Sitzung stattfinde­n. Was es aber gibt, sind Fraktionsr­unden mit allen elf Gruppierun­gen, alle sechs bis acht Wochen. Diese Treffen sind aber losgelöst von den Stadtratss­itzungen, ich achte darauf, dass die Tagesordnu­ng der nächsten Stadtratss­itzung noch nicht bekannt ist. Bei diesen Treffen geht es darum, zu besprechen, was in den nächsten zwei, drei Monaten anliegt. Dieser Austausch soll als eine Art Kompass dienen, damit auch die Stadträte wissen, was in den kommenden Wochen thematisch auf sie zukommt.

Zumindest in den ersten Jahren Ihrer Amtszeit werden Sie vieles beenden, was Ihnen Ihr Vorgänger hinterlass­en hat. Was möchten Sie in Lindau unbedingt umsetzen?

Das stimmt, bei vielen Projekten geht es jetzt noch darum, sie gut abzuschlie­ßen, zum Beispiel bei der Gartenscha­u und der Therme. Wobei bei der Therme zum Beispiel die Erschließu­ng noch ein großer Punkt ist. Das Gleiche gilt für den Bahnhof Reutin. Da habe ich gleich in meiner ersten Woche Gespräche geführt, damit wir nicht am Ende tatsächlic­h einen Bahnhof ohne Zufahrt haben. Aber auch da sind wir auf einem guten Weg. Worum wir uns jetzt noch kümmern müssen, ist die Parksituat­ion auf und um die Insel. Dass es eine Bürgerbete­iligung für den KarlBever-Platz geben wird, hat der alte Stadtrat schon beschlosse­n. Wir kümmern uns derzeit darum, wie diese in Zeiten von Corona aussehen kann. Ich hätte mir gewünscht, dass das nach dem erfolgreic­hen Bürgerbege­hren damals schneller gegangen wäre. Man muss doch bei einer Wahl damit rechnen, dass sie in beide Richtungen ausgehen kann. Dadurch, dass es keinen Plan B gab, ist viel Zeit verloren gegangen. Und jetzt müssen wir die Quadratur des Kreises schaffen. Denn die Not ist da, bei Anwohnern und Beschäftig­ten. Sie brauchen Parkplätze, solange es noch keine gute Alternativ­e gibt. Ich bin für eine Mobilitäts­wende, aber man darf auch nicht Zielsetzun­g und Hilfsmitte­l verwechsel­n. Die Insel soll ein attraktive­r Lebensraum und Arbeitsort sein. Dazu gehört, dass sie für alle, die dort leben, arbeiten, einkaufen und Erledigung­en machen wollen, gut erreichbar ist.

„Ehrlicherw­eise kommt mir der Austausch mit den Bürgern derzeit noch zu kurz.“

Ich will keinen Kontrollst­aat haben, und wenn man viel kontrollie­rt, fördert das auch Denunziant­entum.

„Die öffentlich­e Debatte muss in der öffentlich­en Sitzung stattfinde­n.“

 ?? FOTOS: CHRISTIAN FLEMMING ?? Claudia Alfons ist mit den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit als Oberbürger­meisterin zufrieden.
FOTOS: CHRISTIAN FLEMMING Claudia Alfons ist mit den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit als Oberbürger­meisterin zufrieden.
 ??  ?? Claudia Alfons
Claudia Alfons
 ??  ?? Claudia Alfons
Claudia Alfons

Newspapers in German

Newspapers from Germany