ZAK will Wasserstoff produzieren
Anlage am Müllheizkraftwerk geplant – Busse könnten ab 2023 im Kreis Lindau mit dem Energieträger rollen
- Die führenden Köpfe sind sich einig, die Verbandsräte hören fasziniert zu und billigen das weitere Vorgehen einstimmig: Der Kemptener Abfallentsorger ZAK will in die Produktion von Wasserstoff einsteigen. Denn der gilt als Energieträger der Zukunft, könne alle fossilen Formen wie Gas und Öl ersetzen. In Brennstoffzellen in Energie umgewandelt, sorgt Wasserstoff für sauberen und damit klimafreundlichen Antrieb von Autos, Lastwagen, Bussen und Zügen. Der Lindauer Landrat Elmar Stegmann, VizeVorsitzender des ZAK, kann sich gut vorstellen, dass ab Herbst 2023 erste Brennstoffzellenbusse durch den Landkreis Lindau rollen.
Schon lange sind der ZAK und seine Gesellschaften nicht nur Abfallentsorger
– sondern auch Energieversorger. So bläst der Müllofen in Kempten seine bei der Verbrennung entstehende Wärme nicht einfach in den Himmel, sondern versorgt damit Betriebe und Häuser mit Fernwärme. Zusammen mit drei weiteren Holzheizkraftwerken sind so im vergangenen Jahr umgerechnet über 21 000 Wohnungen klimafreundlich geheizt worden. Aus Altholz, Sperr- und Restmüll entsteht zudem Strom für rund 26 000 Haushalte.
Nun geht der ZAK einen Schritt weiter: Er will Wasserstoff produzieren. Jenen Energieträger, der im Gegensatz zu Öl und Gas als besonders klimafreundlich gilt. „Wenn die Klimaziele in Deutschland bis 2050 erreichbar sein sollen, dann muss verstärkt auf universell einsetzbare und speicherbare Energien gesetzt werden“, ist ZAK-Geschäftsführer Karlheinz Lumer überzeugt. Für Gebhard Kaiser ist das Projekt so wichtig, dass er deshalb sogar weitere drei Jahre lang Vorsitzender des ZAK bleibt – bis im optimalen Fall 2023 an einer Tankstelle in der Nachbarschaft des Kemptener Müllofens vom ZAK produzierter Wasserstoff getankt werden kann.
Bis dahin gibt es allerdings noch viel zu tun, machte Lumer den Verbandsund Aufsichtsräten in der ersten ZAK-Sitzung der neuen Wahlperiode deutlich. Immerhin ist der kommunale Müllentsorger jetzt einen wichtigen Schritt weiter: „Technisch und räumlich ist das bei uns machbar“, zitiert Lumer die seit wenigen Tagen auf dem Tisch liegende Machbarkeitsstudie. Erstellt hat sie jenes Ingenieurbüro, das in Wuppertal die deutschlandweit erste an eine Müllverbrennungsanlage gekoppelte Wasserstoff-Produktionsanlage realisiert hat.
Das Plus des ZAK: Der Müllofen produziert sehr billigen Strom, der dort wirtschaftlich in Wasserstoff umgewandelt werden kann. Allerdings kostet der Aufbau der Produktionsanlage einen ganzen Batzen Geld: Zunächst sind nach jetziger Kalkulation 11,5 Millionen Euro Investitionen nötig, einschließlich Zapfsäule für Lastwagen und Busse. Soll die Anlage mehr Leistung liefern, dann sind weitere gut zwei Millionen Euro erforderlich.
Dabei plädierte Lumer dafür, gleich ein höheres Speichervolumen zu schaffen. Denn von dieser Anlage aus sollen auch das Oberallgäu und der Kreis Lindau mit Wasserstoff beliefert werden. ZAK-Chef Kaiser ist überzeugt, dass mit Blick auf die angestrebten Klimaziele Bund und Land einen Großteil der Investitionen finanzieren müssen. Deswegen ist die Verwaltung derzeit intensiv damit beschäftigt, mögliche Fördertöpfe anzuzapfen. Wobei Lumer bei einem Gespräch mit dem bayerischen Wirtschaftsministerium einen besonderen Aha-Effekt erlebt hat: „Die finanzieren durchaus den Aufbau von Wasserstoff-Tankzellen“, schilderte er den Verbandsräten. Doch auf seine Frage, wieso es bisher kein Geld für Produktionsanlagen gebe und wo denn dann der Wasserstoff
Landrat Elmar Stegmann
herkommen solle, habe er nur zu hören bekommen: „Das wissen wir nicht.“
Eine große Unbekannte ist für den ZAK jedoch, wer denn in absehbarer Zeit den umweltfreundlichen Energieträger Wasserstoff braucht: „Derzeit gibt es im Allgäu keine Abnehmer“, stellte Lumer fest, weder in der Mobilität noch in der Industrie. Der in Niedersachsen schon regelmäßig verkehrende Brennstoffzellen-Zug soll im Herbst zwar zu Testfahrten ins Allgäu kommen. Fahrplanmäßig werden Züge mit Wasserstoff hier jedoch vorerst nicht fahren – weil der Bahn-Regional-Verkehr in
Bayern gerade erst neu vergeben worden ist und die Bahn dabei auf Diesel setze, berichtete der ZAK-Geschäftsführer.
Die Speditionen hätten zwar grundsätzliches Interesse. Doch Lastwagen mit Brennstollzellenantrieb werde es serienmäßig erst in fünf Jahren geben. Müllfahrzeuge, die mit Wasserstoff fahren, gebe es derzeit nur als Testfahrzeuge.
Doch eine gute Nachricht hatte Lumer in der Verbandssitzung: Brennstoffzellen-Busse für den Nahverkehr sollen schon in zwei Jahren serienmäßig gebaut werden. Darin sieht auch der Lindauer Landrat Elmar Stegmann eine große Chance: Mit der Neuvergabe der Konzessionen für das neue ÖPNV-Konzept im Landkreis Lindau sind nach seinen Worten beim Start in drei Jahren 55 neue Busse für den öffentlichen Nahverkehr zwischen Westallgäu und Bodensee erforderlich. „Und da können wir durchaus Vorgaben machen, wie viele Busse mit umweltfreundlichem Antrieb fahren müssen“, sagte Stegmann im Gespräch mit der LZ. Denn immerhin gibt es eine EU-Vorgabe, wonach bis zum Jahr 2025 knapp die Hälfte aller ÖPNV-Fahrzeuge sogenannte alternative Antriebe haben müssen, also nicht mehr mit fossiler Energie fahren dürfen.
Die ZAK-Verantwortlichen Lumer, Kaiser und dessen Stellvertreter sind überzeugt: „Wasserstoff wird zukünftig in der Energieversorgung einen wichtigen Beitrag leisten.“Und da will der ZAK ganz vorne stehen, am liebsten in einer Wasserstoff-Modellregion Allgäu/Bodensee. Ihre Verbands- und Aufsichtsräte wissen die ZAK-Vertreter dabei einstimmig hinter sich.
„Da können wir durchaus Vorgaben machen, wie viele Busse mit umweltfreundlichem Antrieb fahren müssen.“