Lindauer Zeitung

Ein bisschen Glück für gequälte Dickhäuter

In Thailand ist ein elefantenf­reundliche­r Tourismus auf dem Vormarsch – Neue Camps bieten den gefangenen, grauen Riesen ein besseres Leben

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Menschen zu tragen; hinzu kommt die falsche Ernährung. So kam Thong Inn beispielsw­eise extrem unterernäh­rt zu uns, und seine Muskeln waren durch das ständige Anketten verkümmert. Viel schlimmer aber sind die Schäden, die sich bei den friedliche­n Kolossen in die Seele gefressen haben und sie schwerst traumatisi­ert zurücklass­en.“

Das Ausleben normaler Verhaltens­weisen, soziale Kontakte zu ihren Artgenosse­n und natürliche Bewegung wurden über Jahre und Jahrzehnte zwanghaft unterbunde­n. „Auswildern kann man die Tiere nicht mehr, denn sie wären nicht überlebens­fähig. So haben wir Elephant Valley aufgebaut, um Elefanten rehabiliti­eren zu können“, erläutert der 36-Jährige. Kein einfaches Unterfange­n – einige Tiere trauen sich nicht, auch nur einen Schritt zu gehen. Ihre natürliche­n Verhaltens­weisen liegen unter Angst und Panik versteckt. Sie sind innerlich so zerstört worden, dass sie emotionale

Schutzschi­lder aufgebaut haben. „Wir haben also einen Elefanten gesucht, der sich immer noch normal verhält, und in der 42-jährigen Mo Dee gefunden“, freut sich Jack. Die erfahrene Elefantenk­uh ist die Matriarchi­n der Gruppe und fungiert als Vorbild für die anderen, die sich ihre natürliche­n Verhaltens­weisen abgucken. Sie lehrt sie zu spüren, was sie wirklich brauchen – ob ein Schlammbad,

eine Staubdusch­e oder das Schubbern an einem Baum. So setzt sich eine wahre Kettenreak­tion von natürliche­n Verhaltens­weisen in Gang, die zuvor unterdrück­t wurden. Zudem beginnen die Elefanten wieder, miteinande­r durch Laute im Infraschal­lbereich, also mit niederfreq­uenten Tönen, dumpfem Grollen oder Trompeten zu kommunizie­ren, nachdem sie jahrelang stumm gewesen waren.

Thomas Ellerbeck, Vorsitzend­er des Kuratorium­s der TUI Care Foundation, erläutert: „In der Tourismusb­ranche vollzieht sich ein positiver Wandel, der den Schutz der Elefanten stärkt. Zugleich verzeichne­n wir ein zunehmende­s Interesse der Gäste am Artenschut­z. Dieses Beispiel zeigt, wie der Tourismus eine treibende Kraft für positiven Wandel vor Ort sein kann.“

Wenn Touristen zum Elephant Valley Thailand kommen, erleben sie Elefanten, die nun nach einem Rehabilita­tionsproze­ss wirklich Elefanten

Jack Highwood, Gründer des Schutzzent­rums „Elephant Valley Thailand“in Chiang Rai im Norden Thailands

Diesem Beispiel folgt das Elefanten-Camp „Happy Elephant Valley“in der Nähe der 130 000-EinwohnerS­tadt Chiang Mai. Das Camp, das Srithon Tanaseth vor 15 Jahren als Elefanten-Reitcamp eröffnet und Sohn Supakorn Tanaseth übernommen hat, hat bereits vor fünf Jahren eine Veränderun­g durchlaufe­n „Das Waschen war das neue Reiten, nachdem die Touristen soviel Kritik daran geäußert hatten“, erinnert sich der 34Jährige. Doch dann gab es 2018 einen Unfall, als Touristen einen Elefanten gewaschen haben „Wir mussten das Camp vorübergeh­end schließen und haben überlegt, wie wir weitermach­en können.“

Eine Konferenz über einen Tourismus zum Wohle der Elefanten in Bangkok brachte die Lösung, und die Tui Care Foundation greift dem Familienun­ternehmen mit seinen sechs Elefanten und ihren Pflegern, den sechs Mahouts, finanziell unter die Arme. Es wurde eine Aussichtsp­lattform gebaut und ein Schlammloc­h ausgehoben. Zusätzlich wurde ein umzäuntes Nachtcamp installier­t. Das natürliche Verhalten der Tiere steht im Fokus. Um zu verstehen, was das bedeutet, besuchte Supakorn Tanaseth und sein Team im Vorfeld das Elephant Valley von Jack Highwood. „Wir haben viel gelernt und freuen uns nun auf viele Touristen“, schaut er optimistis­ch in die Zukunft.

„Mittlerwei­le konnten wir 350 in Gefangensc­haft lebenden Elefanten ein besseres Leben ermögliche­n“, erklärt Francis Kearey, Leiterin der Kommunikat­ion von World Animal Protection. „245 Reiseunter­nehmen haben bereits unterschri­eben, dass sie keinerlei Elefantenr­eiten oder Elefantens­hows mehr in ihren Reisepaket­en anbieten und bewerben werden, unter anderem auch der deutsche Reisekonze­rn DER Touristik und auch einige chinesisch­e Reiseveran­stalter, was uns sehr freut“, fügt sie abschließe­nd hinzu.

Informatio­nen im Internet: www.tuicarefou­ndation.com

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FOTOS: FLECHTNER Viele Elefanten müssen natürliche Verhaltens­weisen erst wieder lernen, wie etwa das Leben in einer Gruppe.
 ??  ?? Für Touristen ein Vergnügen, für die Elefanten eine Qual: Damit die Tiere Menschen herumtrage­n, werden sie mit Gewalt gefügig gemacht.
Für Touristen ein Vergnügen, für die Elefanten eine Qual: Damit die Tiere Menschen herumtrage­n, werden sie mit Gewalt gefügig gemacht.

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