Auf Steinbrücks Spuren
Mit Verlaub: So ganz passt das alles nicht zusammen. Auf Tempo komm raus Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten zu bestimmen, um sich einen kleinen taktischen Vorteil gegenüber der Union zu verschaffen, mag ein paar Tage lang für Schenkelklopfer reichen, aber wirklich nach vorne bringt die SPD diese Vorstandsentscheidung ohne Befragung der Basis nicht. Denn die hat noch am 30. November 2019 dem vermeintlichen Heilsbringer Scholz nach 23 Konferenzen mit 20 000 Teilnehmern eine bittere Niederlage im Kampf um den Parteivorsitz beigebracht. Scholz galt als der Verteidiger des „Weiterso“in der Großen Koalition mit der CDU/CSU. Die Mehrheit der Parteimitglieder wollte aber einen Aufbruch nach links und wählte das bis heute farblose Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Beide suchen seitdem verzweifelt nach einem neuen, progressiven Bündnis und schließen dabei ausdrücklich die Linke mit ein.
Dass der konservative Scholz, dem Esken im parteiinternen Wahlkampf noch vor wenigen Monaten die Schwächung der SPD wegen zu großer Kompromissbereitschaft gegenüber den Christdemokraten vorwarf, jetzt auf einmal 2021 die Sozialdemokraten erfolgreich in eine neue linke Regierung führen soll, wirft unzählige Fragen auf. Etwa die, warum es den Anschein hat, dass die SPD eigentlich nicht an die Macht will, oder an ihr leidet, wenn sie sie hat? Oder die Frage, ob jemand, dem die eigenen Parteifreunde den Parteivorsitz nicht zutrauen, die Bundesrepublik regieren kann? Und warum hat sich die SPDChefin nicht selbst ins Spiel gebracht? Als oberste Genossin müsste Esken doch den Anspruch haben, die Geschicke des Landes lenken zu wollen.
Die Sozialdemokraten gehen mit einer Mannschaft ins Rennen, die Einigkeit beschwört, inhaltlich aber nicht unter einen Hut zu bekommen ist. Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück kann ein Lied davon singen. Ähnlich wie heute Scholz, musste er 2013 eine Partei repräsentieren, deren Positionen nicht die seinen waren. Die Wähler nahmen es ihm nicht ab.