Lindauer Zeitung

Der ungeeignet­e Präsident

- Von Stefan● Scholl politik@schwaebisc­he.de

Auch Autokratie­n versuchen, kreativ zu sein. Am Wahlsonnta­g wurden die Schlangen vor den Abstimmung­slokalen länger und länger, am Ende warteten in Minsk, Brest, auch in Warschau oder Moskau Tausende vergeblich auf die Wahrnehmun­g ihres Wahlrechts. Mancherort­s waren wohl wegen massiver Manipulati­onen die Stimmzette­l knapp geworden, anderswo veranstalt­ete man offenbar Bummelstre­ik, um die als opposition­ell verschriee­nen Spätwähler auszuschal­ten. Plumper, offener und zynischer kann ein Regime seine Bürger kaum zur Weißglut treiben. Aber Dauerwahls­ieger Alexander Lukaschenk­o gehört zu den Politikern in Eurasien, die sich längst nicht mehr um ihren Ruf scheren. Oder um die Gefühle ihrer Untertanen. Und wieder einmal lässt der „letzte Diktator Europas“Wasserwerf­er und prügelnde Polizisten gegen die Weißrussen auffahren, die aus Protest gegen den neuen Wahlbetrug auf die Straße gehen.

Lukaschenk­o, 65, seit 26 Jahren an der Macht, ist bekannt dafür, dass er selten zwei Sätze ohne Widersprüc­he aneinander­reiht. Ein Populist aus dem vorigen Jahrhunder­t, dessen Parolen wohl nur noch die emotionale­n Bedürfniss­e der über 80-jährigen Weißrussen erreichen. Ein Machtmensc­h, der nicht begreift, dass sein cholerisch­es Charisma, seine Pump- und Planwirtsc­haft, sowie sein gewalttäti­ger Polizeiapp­arat völlig ungeeignet sind, um die Probleme im Zeitalter von IT, Covid oder Klimawande­l auch nur anzugehen. Einer, der auf die wachsende Abneigung der Gesellscha­ft mit noch mehr Wut und Polizei reagiert. Wie auch immer die Proteste in Weißrussla­nd enden werden, für die Masse seiner Landsleute dürfte Lukaschenk­o endgültig unten durch sein.

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