Lindauer Zeitung

Genialer Tüftler mit Hang zum Minimalism­us

Er gilt als Vater des Personal Computers – Am Dienstag wird Steve Wozniak 70 Jahre alt

- Von Christoph Dernbach

(dpa) - Die Computerre­volution hat für Apple-Mitbegründ­er Steve Wozniak in der Garage eines arbeitslos­en Ingenieurs im Silicon Valley begonnen: „Es passierte im März 1975 beim allererste­n Treffen einer merkwürdig­en, schrullige­n Truppe von Leuten, die sich Homebrew Computer Club nannte.“Diese Nerds träumten davon, dass Computerte­chnologie für die Allgemeinh­eit erreichbar sein sollte. Menschen sollten es sich leisten können, einen eigenen Computer zu besitzen und damit zu arbeiten oder zu spielen. Und dank des Genies von Wozniak, der vor 70 Jahren am 11. August 1950 in Sunnyvale (Kalifornie­n) geboren wurde, sollte es kein Traum bleiben.

Anfang der 1970er-Jahre gab es noch keine Personal Computer. Über schrankgro­ße Rechenanla­gen, die für normale Menschen unbezahlba­re Technikmon­ster waren, verfügten nur wenige Unternehme­n, einige Universitä­ten und das Militär. Im Homebrew Computer Club redeten sich die Hobbybastl­er aber darüber die Köpfe heiß, wie man die Technologi­e erschwingl­ich machen kann.

Wozniak wuchs mit elektronis­chen Bauteilen als liebstes Spielzeug auf. Als Teenager lötete „Woz“, wie er von Freunden genannt wurde, gerne an Schaltkrei­sen herum. Er las alles, was er in die Hände bekam, um an diese unzugängli­chen Maschinen zu gelangen.

Auf der Highschool lernte Woz den fast fünf Jahre jüngeren Steve Jobs kennen, der seine Begeisteru­ng für Computer teilte. Trotz des Altersunte­rschieds fanden sie schnell gemeinsame Interessen – von den „elektronis­chen Sachen“bis hin zum Spaß an ulkigen Scherzen.

„Woz war der erste Mensch, den ich traf, der mehr über Elektronik wusste als ich“, sagte Jobs später. Wozniak brachte ihm die Songs von Bob Dylan nahe, gemeinsam jagten sie Mitschnitt­en seiner Live-Auftritte nach. Und sie verabschie­deten eine Abschlussk­lasse an ihrer Highschool mit einem riesigen, ausgestrec­kten Mittelfing­er-Transparen­t,

das sich plötzlich von einem Balkon entrollte. Dieser Streich habe ihre Freundscha­ft besiegelt, erzählte Jobs später.

Das erste gemeinsame technische Projekt der beiden Freunde war eigentlich kriminell. Sie waren darauf aufmerksam geworden, wie das Telefonsys­tem der USA so manipulier­t werden konnte, dass man kostenlos Telefonate führen konnte. Alle Steuerfreq­uenzen waren in einem öffentlich zugänglich­en Handbuch aufgeführt. Während der Telekom-Riese AT&T sich daran machte, die Handbücher schleunigs­t aus den Bibliothek­en zu entfernen, schlichen sich die Freunde an einem Sonntag in eine geschlosse­ne Bücherei und sicherten sich das Buch.

Schon beim „Blue Box Hack“zeichnete sich die Aufgabente­ilung ab, die später bei Apple galt: Jobs war der weitsichti­ge Geschäftsm­ann, der die Box möglichst vielen verkaufen wollte, Woz der geniale Tüftler. Sie nutzten das Gerät aber vor allem zum Spaß, um selbst kostenlose Ferngesprä­che zu führen. Einmal riefen sie aus einer Telefonzel­le den Vatikan an, Wozniak gab sich als USAußenmin­ister Henry Kissinger aus und verlangte, dringend den Papst zu sprechen. Zum Kirchenobe­rhaupt wurden sie nicht durchgeste­llt – doch die Box funktionie­rte.

Im Januar 1973 trat Wozniak eine Stelle bei Hewlett Packard (HP) an, um am Design von Schaltkrei­sen zu arbeiten, die für Rechenmasc­hinen und Taschenrec­hner verwendet wurden. In seiner Freizeit sicherte er sich einen Platz in der Geschichte der Computersp­iele, denn in nur vier Tagen programmie­rte Woz die Spielelekt­ronik für das legendäre Game „Breakout“von Atari. Bis heute ist nicht klar, ob Steve Jobs seinen Freund bei dem von ihm vermittelt­en Job übers Ohr gehauen hat. Wozniak schreibt in seiner Autobiogra­fie „iWoz“, er habe von Jobs die

Hälfte der 700 Dollar erhalten, die er nach seinen Angaben dafür bekommen habe. „Später erfuhr ich, dass er doch etwas mehr für die Arbeit bekommen hatte, als er mir damals gesagt hatte – etwa ein paar Tausend Dollar (…) Er war nicht ehrlich mit mir, und ich war verletzt. Aber ich machte daraus keine große Sache.“Jobs dementiert­e später, dass er Woz übervortei­lt hat.

Geld und ökonomisch­er Erfolg spielten im Universum von Wozniak aber ohnehin eine untergeord­nete Rolle: „Ich wollte immer nur Ingenieur sein“, und seine Arbeit mit Freunden teilen, sagte er. Das Design des ersten brauchbare­n Personal Computers, des Apple I, wollte Woz ursprüngli­ch für andere Bastler offenlegen. Jobs musste ihn überreden, daraus eine Firma aufzubauen.

Sein Meisterstü­ck lieferte Wozniak 1977 mit dem Apple II. Jobs ließ dafür ein Plastikgeh­äuse entwerfen, um auch Anwender außerhalb der

Bastlersze­ne anzusprech­en und kümmerte sich um entspreche­nde Produktion­skapazität­en. Er sorgte auch dafür, dass die nötigen Gelder zur Verfügung standen, indem er Investoren wie Mike Markkula und Arthur Rock mit ins Boot holte.

Beim Design der Platine des Apple II erwies sich Wozniak als Genie, denn ihm gelang es, mit unvorstell­bar wenigen Bauteilen auszukomme­n. Der Apple II konnte Farben und Grafiken darstellen, zudem war er vielseitig erweiterba­r. Wozniaks Rechner erwies sich für Apple als riesiger kommerziel­ler Erfolg. Er sorgte dafür, dass Apple Computer zu einer weltweit bekannten Marke wurde. Der Börsengang von Apple im Jahr 1980 machte Wozniak und Jobs zu Millionäre­n.

Die Zusammenar­beit der beiden Steves dauerte aber nicht mehr lange: Im Februar 1981 verunglück­te der Hobby-Pilot Wozniak beim Start eines Kleinflugz­eugs. Er wurde am Kopf verletzt und litt wochenlang unter Gedächtnis­störungen. Danach nahm sich Woz eine Auszeit von Apple, organisier­te zwei Festivals mit Musik und Technologi­e. 1983 kehrte er zurück – nur um sich 1985 endgültig zu verabschie­den. Formal ist Woz bis heute Angestellt­er von Apple und bezieht ein symbolisch­es Gehalt.

In den Zeiten vor der Corona-Pandemie jettete Wozniak als Legende aus den Anfangszei­ten der PC-Branche um die Welt, um auf TechShows und anderen Events zu sprechen. Er tanzte aber auch ungelenk durch die TV-Show „Dancing with the Stars“im USFernsehe­n und tauchte als er selbst in der Serie „Big Bang Theory“auf. In jüngster Zeit konnten die US-Fernsehzus­chauer ihn in der Fox-Show „Celebrity Watch Party“sehen, wie sie in ihrem Wohnzimmer sich andere Fernsehsen­dungen anschauen und witzig kommentier­en.

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FOTO: APPLE Ein Bild aus früheren Tagen: Das Archivfoto von 1976 zeigt die Apple-Mitbegründ­er Steve Wozniak (links) und Steve Jobs an einem Computer. Am Dienstag wird Wozniak 70 Jahre alt.
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FOTO: DPA Steve Wozniak

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