Drachenforscher entdecken das Seetal
Nessies Schweizer Verwandtschaft lockt Kinder zu Burgen und Schlössern
Fast jeder kennt Nessie. Das Seeungeheuer ist eine Berühmtheit in Schottland. Jetzt soll seine Schweizer Verwandtschaft junge Drachenforscher ins Seetal zwischen Lenzburg und Luzern locken. Es gibt Hörstationen, eine internationale Hochschule für Drakologie und einen Forscherpass, mit dem Kindern das Entdecken von malerischen Schlössern und Seen doppelt Spaß macht.
Die vier Seetal-Testerinnen Alexandra, Vanessa, Franziska und Antonia legen den Kopf in den Nacken und schauen neugierig auf den Turm von Schloss Heidegg. Hier oben soll der Drachenforscher Dr. Ambrosius Ferdinand Sigismund Maria von und zu Drachenfels also sein Arbeitszimmer haben. Ein Forschungslabor mit Weitblick sozusagen. Vom Turm aus hat man nämlich einen herrlichen Blick auf den Baldegger See und das Bergmassiv Pilatus bei Luzern. In der Ferne funkeln die weißen Spitzen von Eiger, Mönch und Jungfrau, dem wohl berühmtesten Bergtrio der Schweiz.
„Für Drachen herrschen hier ideale Bedingungen. Vom Wohnturm aus könnten Drachen prima ihre Runden über dem See drehen“, schwärmt die Drachenforscherin Marianne vom Fünfbuschdörferteich augenzwinkernd. Die Dame sieht aus, wie man sich eine Drachenforscherin vorstellt: sandfarbenes Safari-Outfit mit Karo-Hemd, eine mysteriöse Silberkugel um den Hals und eine schräge Fliegerbrille auf der Stirn. Die Historikerin, die eigentlich Marianne Naunheim heißt, kam als Quereinsteigerin zur Drachenforschung und ist eigentlich Projektleiterin bei der Zürcher Agentur gutundgut, die das Konzept für Seetal Tourismus entwickelt hat, um dem Familientourismus dort auf die Sprünge zu helfen. Jetzt ist sie eine von 30 Drachenforscherinnen, die Gruppen, Schulklassen, Geburtstagskinder und ihre Gäste bei der Expedition durchs Drachental begleiten.
Was Drachen angeht, eilt der Region ein besonderer Ruf voraus. Auf der Lenzburg soll Fauchi hausen, und der Luzerner Hausberg Pilatus ist wegen einem gewissen Pilu auch als Drachenberg bekannt. Was lag da näher, als den beiden noch eine ganze Drachendynastie zur Seite zu stellen?
Doch die jungen Drachental-Testerinnen haben ihre Zweifel. „Drachen gibt’s doch gar nicht“rufen sie im Brustton der Überzeugung. Doch Drachenforscherin Marianne sät erste Zweifel. Wochenlang hätten Meldungen über ein spurlos von der Seeoberfläche verschwundenes Entchen die Bevölkerung beunruhigt. Ein Fischer hat noch das Maul gesehen, in dem das Tier verschwand. Es habe ihn an einen Kaiman erinnert. Oder war es gar ein Drachenmaul? Das Institut für Drakologie hat jedenfalls prompt per Pressemitteilung erklären lassen, dass die Seetaler
Drachen nicht dahinterstecken. Die Kinder überlegen. Ganz unähnlich sind sich ein Kaiman- und ein Drachenmaul wohl nicht.
Bevor die Kinder ins Forschungslabor auf Schloss Heidegg hochsteigen, gehen sie im Keller auf Entdeckungstour. Ein mit Licht an die Mauern geworfener Comic erzählt die bewegte Geschichte des Wohnturms und fordert die Kinder auf, das Schloss zu entdecken. Über eine abenteuerliche Wendeltreppe stürmen die Mädchen und Jungen nach oben.
Neben kuriosen Instrumenten wie einem Drakometer oder Drakodorografen – ein Gerät zum Einsammeln von Drachendüften – entdecken die Kinder auch den Stammbaum der Seetaler Drachen. Die Erkenntnisse von Professor von und zu Drachenfels sind in einem Forscherband liebevoll mit einer Art Leonardo-da-Vinci-Optik dokumentiert. Ihre Beobachtungen können
Sommerzeit
die Kinder während ihrer Exkursion dann in einem sogenannten Forscherheft notieren.
Ob es sie nun gibt oder nicht – die Drachenforschung macht nicht nur den Kindern Spaß. Eigentlich wäre der Schlossbesuch mit einem Abstecher zum Baldegger See genug für einen Tagesausflug. Doch die Drachental-Tester wollten möglichst viel sehen und fahren weiter zum nahegelegenen Schloss Halwyl. Das Wasserschloss ist nicht nur eines der schönsten der Schweiz, sondern war auch die Lokation für ein Drachenfest mit 1500 Besuchern. Mit dem Forscherstempel vom Halwyler Wasserschloss geht’s den verwunschenen Wassergraben entlang an den Hallwiler See. Wo früher angeblich Drachen Schlittschuh liefen, paddeln heute gemütlich Urlauber.
Eine halbe Stunde dauert die Schifffahrt von Seengen nach Beinwil. Die Kinder diskutieren mittlerweile wild miteinander, ob es nicht vielleicht doch einmal Drachen gegeben hat. Was ist mit den Dinosauriern? Oder ist das das Gleiche? An der Ausgrabungsstätte – einem Sandkasten hinter der Jugendherberge
Beinwil – verdichten sich die Hinweise auf die sagenhaften Tiere. Eines der Mädchen schreit auf. Es ist auf was Hartes gestoßen. Sofort wird ein Knochen freigelegt. „Das ist die Wirbelsäule“, ruft Antonia. Herbergsleiter Reinco Strik schmunzelt. „Die Suche nach dem Skelett ist beliebt“, sagt er. „Der Zivi ist regelmäßig damit beschäftigt, die Knochen wieder zu vergraben.“
Die Kinder rätseln. Saurier oder Drache? Beides ist auf jeden Fall ziemlich aufregend. Egal, um welches Wesen es sich gehandelt haben mag. Das Entchen aus dem Halwiler See hat es nicht auf dem Gewissen. Der Herbergsleiter weiß aus sicherer Quelle, dass das Tier weder von einem Kaiman noch von einem Drachen verschluckt wurde. Ein Fischer hat einen Wels gefangen und ein Entchen in seinem Bauch gefunden. Na also, zumindest dieses Rätsel ist gelöst.
Weitere Infos sowie einen Überblick über die Forschungsorte und die Drachensaga unter www.drakologie.ch