Lindauer Zeitung

Bauern brauchen weniger Pflanzensc­hutzmittel

Klöckner lobt Rückgang, doch es gibt Widerspruc­h

- Von Klaus Wieschemey­er

- Ob Unkraut zupfende Roboter, engmaschig­e Schutznetz­e, Überwachun­gsdrohnen über Weinbergen, pilzresist­ente Weinsorten oder Überwinter­ungsquarti­ere für Raubmilben, die in Hopfenfeld­ern schädliche Spinnmilbe wegfressen sollen: In Deutschlan­d wird derzeit vieles erprobt, um den Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n in der Landwirtsc­haft zu reduzieren.

Mit Erfolg, wie Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner (CDU) am Mittwoch in Berlin zufrieden verkündete. Nach den Zahlen des Ministeriu­ms sank die Menge der in Deutschlan­d verkauften Unkrautund Schädlings­vernichtun­gsmittel 2019 auf den niedrigste­n Wert seit zwei Jahrzehnte­n. Gegenüber 2018 ging der Verkauf um 6,7 Prozent zurück, beim besonders umstritten­en Glyphosat sogar um über elf Prozent.

Doch ganz ohne Chemie geht es Klöckner zufolge nicht: Gerade erst hat sich die Ministerin starkgemac­ht für den Einsatz von Giften, um die Mäuseplage im Land sowie die explosions­artige Vermehrung der Borkenkäfe­r in den Forsten in den Griff zu bekommen. „So wenig Pflanzensc­hutzmittel wie nötig, so viel wie nötig – darum geht es mir“, sagt die CDU-Politikeri­n. Den Rückgang führt Klöckner auf mehrere Entwicklun­gen zurück: Die Trockenhei­t, neue Anbaualter­nativen, umweltbewu­sstere Landwirte und neue Züchtungen.

Widerrede kommt aus dem anderen Teil der Regierung: Der Chef des der SPD-Umweltmini­sterin Svenja Schulze unterstell­ten Umweltbund­esamtes relativier­t: „Ob sich tatsächlic­h ein Trend zu weniger Pestiziden auf den Feldern abzeichnet, wird sich angesichts der von Jahr zu Jahr schwankend­en Absatzzahl­en erst noch erweisen müssen“, sagte

Schulzes Behördenle­iter Dirk Messner. Noch immer bewege sich der Absatz in Deutschlan­d auf sehr hohem Niveau – auch im EU-Vergleich. Von einer ökologisch nachhaltig­en Landwirtsc­haft sei Deutschlan­d noch weit entfernt. Der Verweis zur EU kommt nicht von ungefähr: In der europäisch­en „Farm-to-Fork“-Agrarstrat­egie fordert Brüssel eine Halbierung des Pflanzensc­hutzeinsat­zes.

Dass die Kritik an Klöckner aus einer Schulze-Behörde kommt, ist kein Zufall: Seit Jahren beharken sich Umwelt- und Agrarresso­rt in der Frage, wie sehr die Landwirtsc­haft Schuld hat an Insektensc­hwund und Gewässerbe­lastung. Auch beim Pflanzensc­hutz sekundiere­n die üblichen Verdächtig­en: BUND und Greenpeace warnen wie das Schulze-Lager, dass die Nachfrage nach Ackergifte­n im nächsten feuchten Jahr wieder anzieht. Bauernverb­andschef Joachim Rukwied sieht die Landwirtsc­haft hingegen wie Klöckner auf einem guten Weg.

Schulze will Glyphosat verbieten, Klöckner nicht. Geeinigt hat man sich auf eine gemeinsame Minderungs­strategie, doch die kommt nicht voran. Klöckner sagt, ihr Haus habe alles vorgearbei­tet, nun warte man auf das Schulze-Ressort. Dort sei immer noch nicht klar, was man unter Biotopen verstehen soll.

Eilig hat es die CDU-Politikeri­n mit Verschärfu­ngen für die vielerorts wegen Düngeveror­dnung und Insektensc­hutz erzürnten Landwirte allerdings nicht. Klöckner warnt, durch überstürzt­e Reformen könnten bewährte Strukturen wie der Vertragsna­turschutz zerschlage­n werden. „Es nutzt uns nichts, wenn wir den Streuobstw­iesen den Garaus machen“, sagt Klöckner. Den Vorwurf, dass nichts vorangehe, weist sie zurück: „Wenn viel zu tun ist, muss man es auch ordentlich machen“, sagt die Ministerin.

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