Bauern brauchen weniger Pflanzenschutzmittel
Klöckner lobt Rückgang, doch es gibt Widerspruch
- Ob Unkraut zupfende Roboter, engmaschige Schutznetze, Überwachungsdrohnen über Weinbergen, pilzresistente Weinsorten oder Überwinterungsquartiere für Raubmilben, die in Hopfenfeldern schädliche Spinnmilbe wegfressen sollen: In Deutschland wird derzeit vieles erprobt, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft zu reduzieren.
Mit Erfolg, wie Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) am Mittwoch in Berlin zufrieden verkündete. Nach den Zahlen des Ministeriums sank die Menge der in Deutschland verkauften Unkrautund Schädlingsvernichtungsmittel 2019 auf den niedrigsten Wert seit zwei Jahrzehnten. Gegenüber 2018 ging der Verkauf um 6,7 Prozent zurück, beim besonders umstrittenen Glyphosat sogar um über elf Prozent.
Doch ganz ohne Chemie geht es Klöckner zufolge nicht: Gerade erst hat sich die Ministerin starkgemacht für den Einsatz von Giften, um die Mäuseplage im Land sowie die explosionsartige Vermehrung der Borkenkäfer in den Forsten in den Griff zu bekommen. „So wenig Pflanzenschutzmittel wie nötig, so viel wie nötig – darum geht es mir“, sagt die CDU-Politikerin. Den Rückgang führt Klöckner auf mehrere Entwicklungen zurück: Die Trockenheit, neue Anbaualternativen, umweltbewusstere Landwirte und neue Züchtungen.
Widerrede kommt aus dem anderen Teil der Regierung: Der Chef des der SPD-Umweltministerin Svenja Schulze unterstellten Umweltbundesamtes relativiert: „Ob sich tatsächlich ein Trend zu weniger Pestiziden auf den Feldern abzeichnet, wird sich angesichts der von Jahr zu Jahr schwankenden Absatzzahlen erst noch erweisen müssen“, sagte
Schulzes Behördenleiter Dirk Messner. Noch immer bewege sich der Absatz in Deutschland auf sehr hohem Niveau – auch im EU-Vergleich. Von einer ökologisch nachhaltigen Landwirtschaft sei Deutschland noch weit entfernt. Der Verweis zur EU kommt nicht von ungefähr: In der europäischen „Farm-to-Fork“-Agrarstrategie fordert Brüssel eine Halbierung des Pflanzenschutzeinsatzes.
Dass die Kritik an Klöckner aus einer Schulze-Behörde kommt, ist kein Zufall: Seit Jahren beharken sich Umwelt- und Agrarressort in der Frage, wie sehr die Landwirtschaft Schuld hat an Insektenschwund und Gewässerbelastung. Auch beim Pflanzenschutz sekundieren die üblichen Verdächtigen: BUND und Greenpeace warnen wie das Schulze-Lager, dass die Nachfrage nach Ackergiften im nächsten feuchten Jahr wieder anzieht. Bauernverbandschef Joachim Rukwied sieht die Landwirtschaft hingegen wie Klöckner auf einem guten Weg.
Schulze will Glyphosat verbieten, Klöckner nicht. Geeinigt hat man sich auf eine gemeinsame Minderungsstrategie, doch die kommt nicht voran. Klöckner sagt, ihr Haus habe alles vorgearbeitet, nun warte man auf das Schulze-Ressort. Dort sei immer noch nicht klar, was man unter Biotopen verstehen soll.
Eilig hat es die CDU-Politikerin mit Verschärfungen für die vielerorts wegen Düngeverordnung und Insektenschutz erzürnten Landwirte allerdings nicht. Klöckner warnt, durch überstürzte Reformen könnten bewährte Strukturen wie der Vertragsnaturschutz zerschlagen werden. „Es nutzt uns nichts, wenn wir den Streuobstwiesen den Garaus machen“, sagt Klöckner. Den Vorwurf, dass nichts vorangehe, weist sie zurück: „Wenn viel zu tun ist, muss man es auch ordentlich machen“, sagt die Ministerin.