Die Furcht vor der „ganz eigenen Dynamik“
1226 Corona-Neuinfizierte binnen 24 Stunden – NRW-Schulbeginn mit Maskenpflicht
(dpa) - Erstmals seit Anfang Mai haben die Gesundheitsämter in Deutschland wieder mehr als 1200 Corona-Neuinfektionen an einem Tag gemeldet. Dabei geht inzwischen ein erheblicher Anteil auf Urlauber zurück, die aus Ländern mit erhöhtem Ansteckungsrisiko heimkommen. Die Bundesregierung mahnte eindringlich zur Vorsicht. „Wenn wir jetzt nicht alle aufpassen und wachsam sind, dann kann dieses Geschehen noch eine ganz eigene Dynamik entfalten“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Er appellierte an die Bürger, Abstand und Maskenpflicht weiterhin einzuhalten. „Wir müssen eine Verschärfung der Situation vermeiden.“
Gesundheitsminister Jens Spahn nannte den Anstieg besorgniserregend. Es gelte, „sehr, sehr wachsam“zu sein, weil es nicht mehr nur lokale Ausbrüche seien, sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk. Durch Reiserückkehrer, aber auch durch Partys und Familienfeiern seien „in fast allen Regionen des Landes kleinere und größere Ausbrüche“zu sehen. Das Gesundheitssystem könne die derzeitigen Infektionszahlen gut bewältigen. Aber mit jeder Infektion werde es für die Ämter schwieriger.
Nach Angaben des Robert-KochInstituts (RKI) von Mittwochmorgen wurden innerhalb eines Tages 1226 neue Infektionen gemeldet. Das ist der höchste Wert seit drei Monaten. Der Höhepunkt hatte Anfang April bei mehr als 6000 Neuinfektionen am Tag gelegen. Fast jede dritte Neuinfektion ist derzeit auf Einreisende aus dem Ausland zurückzuführen. In der Woche vom 3. bis 9. August habe ihr
Anteil bei 31 Prozent gelegen. Als wahrscheinlicher Infektionsort am häufigsten genannt wurden in den vergangenen vier Wochen Länder des Westbalkans, die Türkei, Bulgarien, Rumänien, Polen und Spanien.
Experten und Behörden blicken angesichts dieser Entwicklung angespannt auf die Wiederaufnahme des Schulbetriebs, denn auch im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen sind die Sommerferien nun zu Ende. Alle Schüler der weiterführenden und berufsbildenden Schulen müssen auch in der Klasse Masken tragen – so eine Anordnung gibt es flächendeckend sonst in keinem Land. In der Stadt Dorsten blieb gleich am ersten Tag eine Schule geschlossen. Eine Lehrerin hatte sich angesteckt, sie befinde sich in Quarantäne, hieß es vom Kreis. Ärztepräsident Klaus Reinhardt sprach sich dagegen aus, bei einzelnen Fällen Schulen komplett zu schließen. Es reiche, wenn einzelne Klassen oder
Kurse zu Hause blieben, sagte er der „Rheinischen Post“. In Sorge vor einem weiteren Anstieg der Fallzahlen verschärfen mehrere Länder CoronaRegeln. So sollen in Berlin 240 zusätzliche Mitarbeiter der Ordnungsämter darauf achten, dass Auflagen eingehalten werden. Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen haben Bußgelder erhöht. Auch Reiserückkehrer aus Risikogebieten sollen stärker kontrolliert werden – für sie gilt jetzt eine Testpflicht.