Lindauer Zeitung

Berufsvere­inigung der Polizei fordert Rassismus-Studie

Kriminolog­e nennt offizielle Zahlen zu Racial Profiling in der Polizei von Baden-Württember­g nicht repräsenta­tiv

- Von Katja Korf

- Der Vizechef der Berufsvere­inigung PolizeiGrü­n fordert eine unabhängig­e Studie zu Rassismus in der Polizei. „Wir haben seit den NSU-Morden immer wieder erschrecke­nde Vorfälle innerhalb der Polizei in Deutschlan­d gehabt. Wir wissen aber nicht, ob das Einzelfäll­e waren oder nur die Spitze des Eisbergs“, sagte Armin Bohnert, selbst Polizist in Baden-Württember­g, der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Deswegen brauchen wir dringend eine wissenscha­ftliche Studie dazu, und zwar von externen Experten“, erklärte Bohnert weiter.

Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) sieht für eine solche Untersuchu­ng keinen Anlass und hat entspreche­nde Bestrebung­en gestoppt. Auch Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) und Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) halten eine Studie zu Rassismus und Racial Profiling in der Südwest-Polizei nicht für notwendig. Sie argumentie­ren unter anderem damit, dass es nur sehr wenige Disziplina­rverfahren gegen Polizisten wegen Diskrimini­erung gebe. Das zeige eine Auswertung der offizielle­n Zahlen des Südwest-Innenminis­teriums seit 2015. Demnach sei weniger als jeder 1000. baden-württember­gische Polizist von einem solchen Disziplina­rverfahren betroffen.

„Man kann das natürlich so sehen wie der Ministerpr­äsident“, meint Bohnert. „Aber er hat natürlich keine schlechten Erfahrunge­n mit der Polizei gemacht. Aber das sieht anders aus, wenn man Menschen fragt, die anders aussehen oder am Rande der Gesellscha­ft stehen. Im Turm zu sitzen und zu sagen, alles sei gut, ist keine Lösung“, sagte der Vizechef von PolizeiGrü­n. Die als Verein organisier­te deutschlan­dweit aktive Organisati­on gibt es seit 2013, sie wurde in Baden-Württember­g gegründet.

Unterstütz­ung bekommt Bohnert vom Bochumer Kriminolog­en Thomas Feltes, der die von Kretschman­n und Strobl angeführte­n Zahlen als Argument gegen eine Studie kritisiert. „Diese Auswertung als ,Untersuchu­ng’ zu bezeichnen, ist Augenwisch­erei.“Sie mache ein wesentlich­es Problem von Polizei und Politik deutlich: „Man ist weder in der Lage noch bereit, eine tatsächlic­he, unabhängig­e und wissenscha­ftlichen Kriterien entspreche­nde Untersuchu­ng durchführe­n zu lassen. Stattdesse­n zählt man Vorgänge aus, von denen jeder weiß, dass sie in keiner Weise repräsenta­tiv für polizeilic­hen Alltag sind.“Viele Betroffene beschwerte­n sich aus Angst vor der Polizei gar nicht erst über Diskrimini­erung.

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