Ansturm auf Bayerns Seen und Flüsse
Zwischen Badegästen, Naturschützern, Anwohnern und dem Bootsverkehr spitzen sich Konflikte zu
(lby) - An diesen sonnigen Tagen wünscht sich Thomas Leipold oft Regen. Denn wenn er vor seine Haustür geht, strömt ihm ansonsten eine Flut von Menschen entgegen. Der Winzer aus Volkach (Landkreis Kitzingen) wohnt unweit von der Mainschleife entfernt, bekannt als Landschaftsschutzgebiet und Geotop. In vergangener Zeit, gerade während der Corona-Krise, auch bekannt als einer der Hotspots für Badegäste in Unterfranken.
Auf dem Wasser tummeln sich Stand-Up-Paddler, kleine Privatboote und Badegäste, die bei der Hitze eine Abkühlung suchen. „Das Wasser wird immer mehr belastet, gerade jetzt wo Auslandsreisen nicht so möglich sind“, sagt Reiner Pflaum von der Wasserschutzpolizei. In Würzburg, Schweinfurt und Bamberg komme es deshalb regelmäßig zu Konflikten mit Kreuzfahrt- und Containerschiffen, die nur schwer ausweichen können.
„Wir hatten am Schwarzen Regen, das ist ein Fluss im Bayerischen Wald, so viel Bootsverkehr – da hat man zum Teil den Eindruck, man ist am Ballermann in Mallorca“, sagt Norbert Schäffer vom Landesbund für Vogelschutz (LBV). „Wir haben eine große Zahl von sturzbetrunkenen Leuten, die mit den Booten fahren. Das ist nicht mehr zu verantworten.“Manche würden keine Rücksicht auf Schutzgebiete nehmen. „Die Leute halten beispielsweise an Alpenflüssen an Inseln, wo auf einem Schild „Kiesbrüter – Bitte diese Insel nicht betreten“steht. Sie campieren dort und hängen ihre Handtücher über das Schild.“
Wenn sich an diesen „unhaltbaren Zuständen“nicht etwas ändere, dürfen auf dem Regen zwischen Blaibach und Chamerau bald keine Kanus mehr verliehen werden, droht das Landratsamt Cham. An bestimmten Abschnitten am Schwarzen Regen
im Nachbarlandkreis dürfen kommerzielle Anbieter nach einem Gerichtsurteil schon keine Kanus mehr für eine Fahrt auf dem Fluss vermieten. „Das ist eine drastische Maßnahme während der Urlaubszeit, das ging aber nicht anders“, sagt Schäffer.
Die Befürchtungen der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) haben sich also bestätigt: In der Corona-Krise zieht es viel zu viele Badegäste und Wassersportler an die bayerischen Seen und Flüsse. „Vom Allgäu bis nach Oberfranken sind es etwa ein Viertel mehr Besucher
als sonst“, berichtet ein DLRGSprecher. In den Ballungszentren rund um München und Nürnberg seien es sogar 50 Prozent mehr. „Da wird es schon sehr eng.“Gerade Freundescliquen hielten oft nicht die Abstandsregeln ein. Die DLRG ist nach eigenen Angaben im Dauereinsatz, im Vergleich zum Vorjahr müssen die Rettungskräfte heuer bis zu 50 Prozent öfter ausrücken.
Gerade Schwimmer und StandUp-Paddler unterschätzen die Sogwirkung der Schiffsschraube und kämen gefährlich nahe, meint Michael Grießer, Geschäftsführer der Bayerischen Seenschifffahrt. „Unsere Kapitäne müssen sich regelrecht einen Weg durch die Wassersportler bahnen.“Seit Ende Mai überqueren die Ausflugsschiffe wieder den Starnberger See, den Ammersee, Königsund Tegernsee – wegen Corona allerdings nur mit zwei Drittel der üblichen Anzahl an Fahrgästen.
In Volkach hat sich mittlerweile eine Task-Force gebildet: Verstöße werden sanktioniert, mehr Mülleimer und mobile Toiletten eingerichtet. Um die Situation auf dem Wasser zu entzerren, verlagern Kanu-Verleiher Zustiegsorte. Ein Sicherheitsdienst wird an stark frequentierten Stellen eingesetzt. Wildparkern wurden vergangenen Samstag rund 70 Strafzettel verteilt.