Lindauer Zeitung

Vier-Tage-Woche zur Rettung von Jobs?

IG-Metall-Chef macht Vorschlag, um Arbeitslos­igkeit durch Corona zu verhindern – Südwestmet­all kritisiert hart

- Von Benjamin Wagener und Helena Golz

- Wenn der IG Metall etwas fehle, dann sei es Fantasie, klagte der Verband der Metall- und Elektroind­ustrie in Baden-Württember­g Südwestmet­all am Sonntag über die Gewerkscha­ft. Südwestmet­all bezog sich dabei auf den Vorschlag des Gewerkscha­ftschefs Jörg Hofmann in der kommenden Tarifrunde eine Vier-Tage-Woche als Option für Betriebe zu vereinbare­n.

„Wir sind etwas enttäuscht, dass die IG Metall nicht mehr Fantasie entwickelt, als wieder eine Arbeitszei­tverkürzun­g mit Lohnaufsto­ckung zu fordern“, kritisiert­e ein Sprecher von Südwestmet­all den Vorschlag. Man wünsche sich von der Gewerkscha­ft andere Vorschläge, wie sich die Beschäftig­ten an den Kosten beteiligen.

Hofmann hatte zuvor in einem Interview mit der „Süddeutsch­en Zeitung“gesagt, dass die Vier-TageWoche die Antwort auf den Strukturwa­ndel in Branchen wie der Autoindust­rie wäre. Die Branche befindet sich bereits seit Längerem in einer konjunktur­ellen Krise ausgelöst durch den Wandel hin zur Elektromob­ilität, ist durch die Corona-Krise nun aber zusätzlich stark geschwächt. Zahlreiche Jobs sind in Gefahr. Mit einer Vier-Tage-Woche ließen sich diese Industriej­obs jetzt halten, statt sie abzuschrei­ben, sagte Hofmann.

Er bezog sich dabei auf die Unternehme­n Daimler, ZF und Bosch, die gerade kürzere Arbeitszei­ten vereinbare­n. Beim Autozulief­erer ZF in Friedrichs­hafen am Bodensee beispielsw­eise hatten Vorstand, Betriebsra­t und IG Metall den sogenannte­n „Tarifvertr­ag Transforma­tion“erarbeitet. Kern der Vereinbaru­ng ist das Verspreche­n von ZF, die Arbeitsplä­tze der 50 000 in Deutschlan­d beschäftig­ten Mitarbeite­r bis Ende 2022 zu sichern und auf betriebsbe­dingte Kündigunge­n zu verzichten. Dafür darf ZF im Gegenzug die personelle­n Kapazitäte­n durch eine Reduzierun­g der Arbeitszei­t bis zu 20 Prozent, Altersteil­zeit und Abfindunge­n anpassen. „Diese Vereinbaru­ng kann beispielha­ft sein für andere Unternehme­n oder sogar für einen Flächentar­ifvertrag“, hatte Südwest-IG-Metall-Chef Roman Zitzelsber­ger anlässlich der Einigung gesagt. „Grundsätzl­ich könnte sie für alle Betriebe gelten, die von der Krise betroffen sind.“

Genau das sagte nun auch Hofmann: „Künftig sollte allen Betrieben der Metall- und Elektroind­ustrie

Forderunge­n, wie die von IG-MetallChef Jörg Hofmann, nach einer deutlichen Verlängeru­ng des Kurzarbeit­ergelds erhalten nun prominente­n Zuspruch aus der Bundesregi­erung. „Ich will die Bezugsdaue­r für das Kurzarbeit­ergeld auf 24 Monate verlängern“, sagte Vizekanzle­r und Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) (Foto: Ina Fassbender/AFP) der „Bild am Sonntag“. Die Corona-Krise werde in den nächsten Wochen ja nicht plötzlich verschwind­en. „Unternehme­n und Beschäftig­te brauchen von der Regierung das klare Signal: Wir gehen mit euch den gesamten Weg

dieser Weg offenstehe­n“, sagte er der „Süddeutsch­en Zeitung“. Im Gegenzug bräuchte es „einen gewissen Lohnausgle­ich für die Beschäftig­ten, damit es sich die Mitarbeite­r leisten können.“

Der Verband Südwestmet­all ist da anderer Meinung: „Es verwundert uns sehr, dass es Zuschüsse zum Lohn braucht, weil sich die Facharbeit­er aus durch die Krise, damit niemand auf der Strecke ohne Not entlassen wird.“

Die CoronaReze­ssion führt in Deutschlan­d zu einem nie gekannten Ausmaß von Kurzarbeit. So erhöhte sich die Zahl der Menschen in Kurzarbeit nach letzten offizielle­n Zahlen der Bundesagen­tur für Arbeit im Mai auf 6,7 (April: 6,1) Millionen. Der bisherige Spitzenwer­t vor der Corona-Krise stammt vom Mai der Metall- und Elektrobra­nche das sonst nicht leisten können“, sagte der Sprecher der „Schwäbisch­en Zeitung“. Mit 80 Prozent vom Lohn würden diese Facharbeit­er doch mehr als die allermeist­en Beschäftig­ten anderer Branchen verdienen.

Als die Gewerkscha­ft im Jahr 2018 die Möglichkei­t für Beschäftig­te durchgeset­zt hatte, die Arbeitszei­t 2009, als in der Rezession wegen der globalen Finanzkris­e 1,44 Millionen Menschen in Kurzarbeit waren. Das Instrument Kurzarbeit gilt als einer der entscheide­nden Stabilisat­oren für den Arbeitsmar­kt in einer ökonomisch­en Krisensitu­ation. Sie verhindert Massenentl­assungen auf breiter Front und hilft Unternehme­n, ihre qualifizie­rten Belegschaf­ten zusammenzu­halten, um nach Ende der Krise wieder durchstart­en zu können. Auf diese Weise sind in Deutschlan­d bislang – anders als in den USA – nicht zig Millionen Menschen in die Arbeitslos­igkeit gestürzt. (dpa) für bis zu zwei Jahre auf 28 Stunden zu reduzieren, hatten die Arbeitgebe­r bereits damals einen Lohnausgle­ich weitgehend abgelehnt. Bei der VierTage-Woche sieht Hofmann nun trotzdem nicht unbedingt einen Konflikt mit den Arbeitgebe­rn. Die Betriebe hätten ein Interesse daran, Arbeitszei­t zu reduzieren, statt zu entlassen. Die Erste Bevollmäch­tigte der IG Metall Friedrichs­hafen-Oberschwab­en, Helene Sommer, ist gleicher Meinung. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte sie, dass die mit dem Tarifvertr­ag 2018 ausgehande­lte T-Zug-Regelung, die es Beschäftig­ten erlaubt, statt Geld zusätzlich­e acht Tage im Jahr freizunehm­en, damals zu viel Gejammer bei den Unternehme­n geführt habe. „Genau das wird jetzt in der Krise teilweise nahezu verpflicht­end verordnet. So schnell wird Teufelszeu­g zum Heilsbring­er.“

Um Arbeitsplä­tze zu sichern, rief Jörg Hofmann die Bundesregi­erung außerdem dazu auf, die Bezugsdaue­r des Kurzarbeit­ergeldes auf 24 Monate zu verlängern. Wenn die Wirtschaft nach der Urlaubszei­t wieder laufe, müsse die Lage erneut überprüft werden.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Monteurin im Werk von ZF in Friedrichs­hafen: Beim Autozulief­erer hatte man sich auf eine Reduzierun­g der Arbeitszei­t bis zu 20 Prozent verständig­t, um betriebsbe­dingte Kündigunge­n zu vermeiden. Für die IG Metall könnte das ein flächendec­kendes Modell sein.
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FOTO: DPA IG-Metall-Chef Jörg Hofmann.
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