Europa-Park länger geöffnet – Verlust für 2020 erwartet
(dpa) - Der Europapark im badischen Rust will in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie seine Saison bis November verlängern. Aufgrund der beschränkten Besucherzahl erwartet das Freizeit-Unternehmen 2020 allerdings rote Zahlen. „Geld können wir unter diesen Umständen allerdings nicht verdienen. 2020 werden wir einen Bilanzverlust schreiben“, sagte der Gründer und geschäftsführende Gesellschafter von Deutschlands größtem Freizeitpark, Roland Mack, der „Welt am Sonntag“. Das sei verkraftbar, weil das Unternehmen gut gewirtschaftet und einen geringen Schuldenstand habe. „Langfristig können wir mit den aktuellen Gegebenheiten aber nicht überleben.“
Die Zahl der Besucher sei aufgrund von Hygieneregeln auf 15 000 pro Tag beschränkt. Üblich seien an Sommertagen zwischen 30 000 und 40 000 Gäste. Mit der verlängerte Öffnung im Herbst könne möglicherweise etwas aufgeholt werden.
- Sonntagnachmittag auf der Raststation Bodensee Hörbranz im österreichischen Vorarlberg. Bis zur deutschen Grenze sind es keine 500 Meter. Die Lastwagen parken dicht an dicht. Ein Fahrer wäscht seine Windschutzscheibe, ein anderer bückt sich zum Einweggrill herunter, im Schatten sitzt eine Gruppe am Tisch und spielt Karten. Namensschilder mit kyrillischen Buchstaben kleben an den Frontscheiben der Lastwagen. Sie kommen aus Polen und anderen osteuropäischen Ländern wie Rumänien, Bulgarien oder Slowenien.
Für viele kleine und mittelständische Speditionen aus Deutschland sind die Fahrer mit ihren Lastzügen, die am Bodensee Pause machen, allerdings nicht nur Wettbewerber und unliebsame Konkurrenz, sondern ein Problem. „Mit illegalen Methoden und Preisdumping bringen uns osteuropäische Transportunternehmen an den Rand der Existenz“, sagt Sigo Schmeiduch, Disponent bei der Spedition PF Spezialtransporte im hessischen Hünfelden. Schmeiduch ist Mitorganisator der Proteste „Geiz war geil“, hinter der der neu gegründete Berufsverband Logistik und Verkehr steht. Die Protestierenden rollten vor einigen Tagen mit mehr als 100 Lastwagen über die Straße des 17. Juni in Berlin, um auf den ungleichen Kampf auf deutschen Autobahnen aufmerksam zu machen. Rund 2000 Euro brutto verdiene ein deutscher Fahrer im Monat. Ein osteuropäischer Fahrer erhalte meist den Mindestlohn seines Heimatlandes, erzählt Schmeiduch. Der liegt etwa in Litauen derzeit bei nur 3,72 Euro pro Stunde. Für die Fahrer seien allerdings vor allem die Spesen lukrativ, sagt Schmeiduch, durch die sie ihre geringen Löhne aufbessern, wenn die Speditionen die Spesen denn überhaupt zahlen.
Arnd Volkwein beobachtet die Zustände im deutschen und europäischen Logistikgeschäft seit vielen Jahren. Dem Inhaber der Ostracher Spedition Volkwein tun die osteuropäischen Fahrer leid. „Das sind moderne Sklaven, die ärmsten Schweine“, sagt Volkwein – und berichtet von nicht eingehaltenen Ruhezeiten, von Lastwagenlenkern, die ganze Wochenenden wie an Ostern in ihren Fahrzeugen verbringen und von Fahrern, die über Weihnachten fern ihrer Heimat auf deutschen Rastplätzen stranden.
Eigentlich verbietet die europäische Gesetzgebung es ihnen, die wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden im Fahrzeug zu verbringen. Rechtlich gilt auch, dass die Fahrer höchstens drei Fahrten innerhalb von sieben Tagen in Deutschland erledigen dürfen, ehe sie samt ihrer Fahrzeuge in die Heimat zurückkehren müssen. Kabotage nennt sich die Regel, die kaum einer kennt. Viele in Osteuropa zugelassene Lastwagen seien aber fast ununterbrochen im Bundesgebiet unterwegs, erläutert Volkwein.
Die Folge: Speditionen wie das Ostracher Unternehmen Volkwein können mit osteuropäischen Wettbewerber immer schwerer mithalten. „Die fahren uns die Preise in den Keller und machen uns kaputt“, sagt Volkwein. Sein Familienunternehmen
hat sich den Protesten angeschlossen. 15 Lastwagen sind für ihn unterwegs mit eben so vielen Mitarbeitern. Die Fahrzeuge transportieren hauptsächlich Handelsgüter wie Aluminiumteile. Sein Unternehmen ist ein kleiner Teil eines gewaltigen Marktes. Rund 280 Milliarden Euro setzten Speditionen im vergangenen Jahr deutschlandweit um, europaweit kommen die Unternehmen auf rund eine Billion Euro. Mehr als 70 Prozent der Transporte in Europa werden nach Zahlen der Europäischen Statistikbehörde Eurostat allerdings von osteuropäischen Speditionen erledigt.
Wie sehr die Preise momentan im Keller sind, macht Schmeiduch an einem Beispiel deutlich. Die deutsche Großspedition DB Schenker bot kürzlich an der Frachtenbörse Timocom, die Aufträge von Auftraggebern an Speditionen übergibt, für zwei Fahrten dem potentiellen Frachtführer etwas mehr als 50 Cent pro Lastkilometer an. Lastkilometer meint die Wegstrecke, die der LKW mit der Ware beladen zurücklegt. „Solche Preise treiben uns in den Ruin“, sagt Volkwein. Für Branchenexperten gelten 1,25 Euro pro Lastkilometer überhaupt erst als sozial verträglich.
Klar ist aber: DB Schenker hat ein Unternehmen gefunden, dass die Fahrten für den geringen Preis gefahren hat. Wer die Aufträge übernommen habe und an welche Partnern DB Schenker in der Regel Transporte vergibt, dazu will sich ein Sprecher des Speditionskonzerns auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“nicht äußern. Es habe aber bei den erwähnten Beispielen mehrere Bieter gegeben, die nicht alle aus Osteuropa gestammt haben. Die Angebote seien für Unternehmer attraktiv gewesen, weil sie auf dem Rückweg mit höher dotierten Aufträgen verbunden gewesen sind, sagt der Sprecher weiter. „Bevor die Lastwagen leer fahren, nehmen manche Spediteure solche Angebote an“, sagt Volkwein. Osteuropäische Unternehmen könnten dabei durch die geringen Personalkosten Fahrten bis zu 30 Cent pro Kilometer günstiger anbieten als deutschen Mittelständler. „Aber 50 Cent sind einfach völlig unrealistisch“, erklärt Volkwein.
Was ihm und Schmeiduch die Zornesröte ins Gesicht treibt, sieht der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) weniger kritisch. „Die momentane Situation kann von süd- und osteuropäischen Transportunternehmen, die in der EU nach wie vor kostengünstiger anbieten können als ihre westeuropäischen Wettbewerber, tatsächlich besser abgefedert werden“, sagt DSLV-Geschäftsführer Frank Huster. Der Bundesverband Güterkraft, Logistik und Entsorgung (BGL) ist nach Schmeiduchs Meinung noch weiter weg von den Problemen vieler Unternehmen. Obwohl eingeladen seien zu den Protesten in Berlin keine BGL-Vertreter gekommen. „Der BGL interessiert sich für den Mittelstand einfach nicht“, behauptet Schmeiduch. Der Verband wisse sehr wohl, dass die Lage für viele Transporteure dramatisch sei, sagt dagegen BGL-Sprecher Martin Bulheller. „Aber wir sind in guten und erfolgversprechenden Gesprächen mit der Politik.“
Und was sagt die Bundesregierung, insbesondere Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU)? Da muss Volkwein erst einmal tief Luft holen. Scheuer sei eine völlige Fehlbesetzung, sagt er. Sein Ministerium reagiert eher schmallippig auf Anfragen der „Schwäbischen Zeitung“nach der osteuropäischen Konkurrenz für deutsche Mittelständler. Man setze sich seit Langem für bessere arbeits- und sozialrechtliche Standards im Güterkraftverkehr ein, heißt es aus dem Ministerium.
Zufrieden sei Scheuer mit dem Anfang Juli beschlossenen Mobilitätspaket der Europäischen Kommission. „Mit dem Mobilitätspakt I wird der Güterverkehr EU-weit fairer, effektiver und sicherer. Wir haben dreieinhalb Jahre lang hart verhandelt. Davon profitieren jetzt vor allem unsere Lastwagenfahrer, die in der Corona-Krise einen harten und tollen Job machen. Für unsere LkwFahrer bedeutet das unter anderem, dass sie ihre regelmäßigen Wochenruhezeiten nicht mehr in den LkwKabinen
verbringen müssen“, zitiert das Ministerium Scheuer in einer Pressemitteilung.
Die Europäische Kommission, die den Mobilitätspakt auf den Weg gebracht hat, ist etwas problembewusster. „Preisbasierter Wettbewerb ist die wirtschaftliche Realität. Er wird zu einem Problem, wenn damit rechtswidrige Beschäftigungspraktiken verbunden sind, bei denen die EU und die nationalen Markt- und Sozialvorschriften missachtet werden“, sagt eine Sprecherin auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Durch das Paket will die Kommission vor allem die Fahrerrechte stärken. Neben der Regelung zur Wochenruhezeit haben Fahrer bei Binnentransporten nun endlich Anspruch auf den landesüblichen Mindestlohn. „Langfristig werden sich diese Maßnahmen weit über den Verkehrssektor hinaus positiv auswirken – sie fördern Beschäftigung, Wachstum und Investitionen, stärken die soziale Gerechtigkeit, vergrößern die Wahlmöglichkeiten für Verbraucher und geben Europa einen klaren Weg für die Senkung der Emissionen vor“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Widerstand gegen das Paket kommt aus den Reihen der osteuropäischen Abgeordneten im Europäischen Parlament. Sie befürchten, dass osteuropäische Transporteure ihre Preise nach oben anpassen müssen und Marktanteile verlieren könnten. Der rumänische Politiker Marian-Jean Marinescu hält das Paket für unvereinbar mit dem freien Binnenmarkt der EU, heißt es in einer Mitteilung. Die aus Rumänien stammende EU-Verkehrskommissarin Adina Valean führt den Klimaschutz ins Felde. Sie bedauere, dass die Rückkehr von Fahrzeugen alle acht Wochen und Kabotagebeförderungen nicht im Einklang mit den Zielen der Klimaneutralität stehen würden, sagte sie auf einer Pressekonferenz in Brüssel.
Schmeiduch und Volkwein sind dagegen mit dem Paket zufrieden – zumindest theoretisch. Denn solch ein Pakt helfe gar nichts, wenn die Einhaltung der neuen Regeln nicht eingefordert und Verstöße nicht sanktioniert werden. „In Deutschland wird sowieso nicht kontrolliert, das wissen die Osteuropäer ganz genau“, sagt Volkwein. Zuständig dafür ist vor allem das Bundesamt für Güterverkehr (BAG). Das Bundesverkehrsministerium weist den Vorwurf lückenhafter Kontrollen zurück. Neben regelmäßigen Straßenkontrollen finden Schwerpunktkontrollen durch das BAG, den Zoll und die zuständigen Länderbehörden statt, teilt das Ministerium mit. Beim BAG sind derzeit etwa 220 Kontrolleure damit beschäftigt, die rund 13 000 Kilometer Autobahnen zu überwachen.
Im ersten Halbjahr diesen Jahres habe das BAG rund 132 000 Fahrzeuge kontrolliert, darunter etwa 48 000 Gebietsansässige und 84 000 Gebietsfremde, teilt BAG-Sprecher Josef Thiel der „Schwäbischen Zeitung“mit. „Und das soll funktionieren?“, fragt Volkwein – mit Blick auf die Zahl der Lastwagen, die auf deutschen Autobahnen unterwegs sind. Das sind nämlich 1,3 Millionen. Und zwar täglich.