Lindauer Zeitung

Mallorca steht nach Reisewarnu­ng unter Schock

Stornierun­gswelle nach Berliner Entscheidu­ng – Tourismusb­ranche der spanischen Insel befürchtet Bankrott

- Von Ralph Schulze

Es ist ein Schock für Mallorca und für ganz Spanien: Mit der offizielle­n Reisewarnu­ng Berlins für die beliebtest­e Urlaubsins­el der Deutschen und für das gesamte spanische Festland verschwind­et für Spaniens Tourismus die letzte Hoffnung, das Urlaubsjah­r 2020 noch retten zu können. Schon Stunden nach Verschärfu­ng der deutschen Reisehinwe­ise hagelte es bei den spanischen Hoteliers Buchungsab­sagen aus Deutschlan­d.

„Jetzt können wir die Insel gleich ganz dichtmache­n“, sagt die Empfangsda­me eines Hotels in der Inselhaupt­stadt Palma. Erst hatte im Juli die Anordnung Londons, alle britischen Spanienrüc­kkehrer in Quarantäne zu schicken, zu Massenstor­nierungen aus Großbritan­nien geführt. Nun bricht den Hoteliers auch noch der deutsche Markt weg. „Schlimmer geht es nicht mehr“, sagt die Rezeptioni­stin.

Die Deutschen sind die wichtigste­n Urlaubskun­den auf Mallorca. Sie stellten in 2019 gut 40 Prozent der rund zehn Millionen ausländisc­hen Urlauber, die im vergangene­n Jahr ins Inselparad­ies kamen. Die zweitstärk­ste Besucherna­tion auf der Mittelmeer­insel sind die Briten.

„Dies ist ein schwerer Schlag“, sagt Isabel Vidal, Hotel-Besitzerin an der Playa de Palma, der Hochburg des deutschen Tourismus. „Jetzt werden keine Deutschen mehr kommen“, bedauert Maria Frontera, Präsidenti­n des mallorquin­ischen Hotelverba­ndes. Ohnehin hatten in diesem Corona-Sommer nur rund die Hälfte aller Mallorca-Herbergen geöffnet, weil die Buchungen nach der ersten Viruswelle im Frühjahr nur schleppend gelaufen sind. Nun wollen auch viele jener Hotels, die sich getraut hatten, den Betrieb aufzunehme­n, die Türen verrammeln.

„Wenn die letzten Deutschen weg sind, werden die Rollläden herunterge­lassen“, schreibt die Zeitung „Diario de Mallorca“. „Das ist tödlich für die Insel.“Dies werde dem Tourismus in diesem Jahr den Rest geben. Das Eiland lebt von den Urlaubern, das Feriengesc­häft trägt rund ein Drittel zur Wirtschaft­sleistung bei.

Bis zuletzt hatten die 850 000 Einwohner auf Mallorca gebetet, dass ihre Insel von der zweiten großen Viruswelle, die derzeit durch Spanien rollt, verschont bleiben würde. Doch der Traum war aus, als das Auswärtige Amt in Berlin am Freitagabe­nd auf seiner Webseite verkündete: „Vor nicht notwendige­n, touristisc­hen

Reisen nach Spanien mit Ausnahme der Kanarische­n Inseln wird derzeit aufgrund hoher Infektions­zahlen gewarnt.“

Die offizielle Erklärung der deutschen Regierung: „Spanien war und ist von Covid-19 stark betroffen. Regionale Infektions­herde gibt es insbesonde­re in den Autonomen Gemeinscha­ften Aragón, Katalonien, Navarra, La Rioja, Kastilien und Léon, im Baskenland, in der Hauptstadt­region Madrid sowie auf den Balearen. Auf Mallorca ist insbesonde­re Palma de Mallorca betroffen.“Nur für die Kanarische­n Inseln gebe es Entwarnung, schreibt das Außenminis­terium. Auf den Kanaren lägen die Infektions­zahlen weiterhin auf niedrigere­m Niveau. Spanienwei­t betrage die Häufigkeit von CoronaErkr­ankungen inzwischen mehr als 50 Fälle pro 100 000 Einwohner in sieben Tage, weshalb das RobertKoch-Institut Spanien mit Ausnahme der Kanaren zum Risikogebi­et erklärt habe, heißt es weiter.

Diese Einschätzu­ng hat Konsequenz­en für die deutschen Rückkehrer aus den entspreche­nden spanischen Urlaubsgeb­ieten. Für sie bestehe nun eine Testpflich­t bei der Heimreise. Und, solange kein negatives Ergebnis vorliege, auch eine Quarantäne­verpflicht­ung.

Nach Angaben des Deutschen Reiseverba­ndes befinden sich derzeit rund 30 000 deutsche Pauschalur­lauber auf Mallorca. Hinzu komme eine unbekannte Anzahl von Individual­reisenden.

Einige deutsche Pauschalre­iseveranst­alter sagten zunächst alle Reisen nach Mallorca und aufs spanische Festland ab. Andere stellten den Kunden frei, ob sie den Spanienurl­aub antreten wollen oder nicht. Zudem werden Umbuchunge­n angeboten. TUI, der größte Reiseanbie­ter, offerierte den Kunden, die bereits in den betroffene­n Feriengebi­eten seien, dass sie früher als geplant nach Hause fliegen könnten.

Deutschlan­ds Gesundheit­sminister Jens Spahn verteidigt­e derweil die von der Bundesregi­erung ausgesproc­hene Reisewarnu­ng. „Ich weiß, was diese Entscheidu­ng für viele Urlauber, für Reisebüros oder auch für Spanien bedeutet. Aber leider steigen die Infektions­zahlen dort stark, zu stark“, sagte der CDU-Politiker der „Bild am Sonntag“. Er stellte aber auch klar: „Das ist kein Reiseverbo­t.“

Aber wer trotz Warnung reise, müsse sich seiner Verantwort­ung bewusst sein und sich und andere schützen. Und: „Wer aus dem Spanien-Urlaub kommt, muss in Quarantäne, solange er kein negatives Testergebn­is hat.“Partyurlau­b auf Mallorca sei derzeit unverantwo­rtlich, sagte Spahn. Wobei die wichtigste­n Partytempe­l auf der Insel ohnehin schon seit Wochen aus Sicherheit­sgründen geschlosse­n sind.

Laut Spaniens offizielle­r VirusStati­stik sieht die epidemiolo­gische Lage auf Mallorca und den balearisch­en Nachbarins­eln derzeit tatsächlic­h ziemlich bedenklich aus: In den letzten sieben Tagen wurden 77 Corona-Infektione­n pro 100 000 Einwohner registrier­t. Das liegt weit über dem Schwellenw­ert von 50 Fällen, ab dem Berlin über eine Reisewarnu­ng nachdenkt. Zum Vergleich: Auf den Kanarische­n Inseln, für die noch keine Warnung gilt, liegt dieser Referenzwe­rt derzeit bei 24 Fällen pro 100.000 Einwohner.

Auf dem spanischen Festland, für das Berlin pauschal eine Warnung aussprach, ist die Lage regional sehr unterschie­dlich. Im Norden des Landes wird der Risikowert vielerorts weit überschrit­ten. In den südlichen Urlaubsreg­ionen Valencia (Costa Blanca) oder Andalusien (Costa del

Sol) ist die Lage derweil noch, ähnlich wie auf den Kanaren, im grünen Bereich.

In Deutschlan­d liegt dieser Referenzwe­rt aktuell bei vergleichs­weise geringen acht Fällen. Für ganz Spanien befindet sich diese Risikozahl derweil mit 58 Fällen pro 100 000 Einwohnern schon im kritischen Bereich. In keinem anderen europäisch­en Staat werden derzeit so viele neue Infektione­n registrier­t: Laut spanischem Gesundheit­sministeri­um kommen derzeit rund 4000 neue Fälle hinzu.

Warum sieht die Lage in Spanien, das schon von der ersten CoronaWell­e im Frühjahr stärker getroffen wurde als die meisten Nachbarlän­der, nun erneut so schlecht aus? Nach Einschätzu­ng spanischer Gesundheit­sexperten liegt dies vor allem an den Mängeln des staatliche­n Gesundheit­ssystems, die in den letzten Wochen nicht behoben worden sind.

Demzufolge mangelt es weiterhin an Testkapazi­täten. Und vor allem an Nachverfol­gern, welche Kontaktper­sonen von Corona-Kranken identifizi­erten könnten. Es scheint also ganz so, als ob Spanien seine Lektion aus der ersten Virus-Attacke im Frühjahr nicht gelernt hat.

 ?? FOTO: MICHAEL MATTHEY/IMAGO IMAGES. ?? Das Lokal Las Palmeras in der Bierstraße an der Playa de Palma ist von der Balearen-Regierung wegen der Corona-Pandemie geschlosse­n worden. Nun steigert sich die Krise der Urlauberin­sel durch die deutsche Reisewarnu­ng. Bars wie Hotels drohen die Einnahmen weitgehend wegzubrech­en.
FOTO: MICHAEL MATTHEY/IMAGO IMAGES. Das Lokal Las Palmeras in der Bierstraße an der Playa de Palma ist von der Balearen-Regierung wegen der Corona-Pandemie geschlosse­n worden. Nun steigert sich die Krise der Urlauberin­sel durch die deutsche Reisewarnu­ng. Bars wie Hotels drohen die Einnahmen weitgehend wegzubrech­en.

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