Lindauer Zeitung

Corona-Sperrungen: Streit geht in nächste Runde

Sipplinger Bürgermeis­ter attackiert Landratsam­t scharf – Kritik wird zurückgege­ben

- Von Stefan Fuchs

- Besucheran­stürme an Wochenende­n, vereitelte Sperrungen und mittlerwei­le ein offener Streit zwischen Gemeinde und Behörden: Der Konflikt um die geeigneten Corona-Schutzmaßn­ahmen in Sipplingen nimmt kein Ende. Jetzt kritisiert Bürgermeis­ter Oliver Gortat (Freie Wähler) das Landratsam­t in einer Mitteilung scharf. Die Kritik sei seltsam, heißt es aus der Behörde.

Zuerst hatte Sipplingen­s Bürgermeis­ter Oliver Gortat Anfang August versucht, mit temporären Ufersperru­ngen an Wochenende­n den Andrang im 2000-Seelen-Erholungso­rt am Bodensee einzudämme­n. Eine entspreche­nde Allgemeinv­erfügung kassierte das Landratsam­t Bodenseekr­eis bereits nach wenigen Tagen.

Der Versuch, stattdesse­n den größten Parkplatz des Ortes zu schließen, verfehlte wenige später erstens seine Wirkung und wurde dann auch noch von der für Sipplingen zuständige­n Stadt Überlingen ebenfalls vereitelt. In einer Reaktion auf diese Maßregelun­gen macht der Bürgermeis­ter jetzt seinem Ärger Luft. Er wolle Einwohner und Gäste vor einer Ansteckung mit Covid 19 schützen, heißt es in einer Pressemitt­eilung

vom späten Donnerstag. Allerdings müsse er feststelle­n, dass ihm das Landratsam­t und die Stadt Überlingen als zuständige Verkehrsbe­hörde „massiv in die Parade fahren“. Die Begründung­en der Behörden seien für ihn nicht nachvollzi­ehbar.

„Selbst die Bundesregi­erung zeigt sich über die aktuelle Corona-Entwicklun­g besorgt, aber das Landratsam­t begründet sein Vorgehen damit, dass wir derzeit zu wenig Infektione­n für eine derartige Maßnahme haben. Nun ist es aber genau das Ziel unserer Maßnahme, eine Zunahme der Infektione­n und die Bildung eines möglichen Hotspots zu verhindern“, schreibt er.

Die Einschätzu­ng des Landratsam­ts, dass das Infektions­geschehen keine Ufersperru­ngen rechtferti­ge, hält er für unangemess­en und für ein "gefährlich­es Spiel mit dem Feuer". Auch das Robert-Koch-Institut sehe einen gefährlich­en Trend in der Zunahme der Infektione­n.

Dass die Sperrung des Parkplatze­s P1 keine Entlastung gebracht habe, räumt er selbst ein. „Viele Autofahrer ignorierte­n die Verbote einfach. Wir hatten am Sonntag genau die Situation wie vor den Ufersperru­ngen. Die Mindestabs­tände wurde nicht eingehalte­n, weder am Ufer, noch im See, noch auf der Steganlage.“Die Argumentat­ion der Stadt Überlingen, die ähnlich wie das Landratsam­t auf zu niedrige Infektions­zahlen verweist, bezeichnet er aber als „unhaltbar“.

„Ich kann dazu nur sagen, ich habe gewarnt, habe Maßnahmen ergriffen und bin aus wenig überzeugen­den Gründen zurückgepf­iffen worden. Die Verantwort­ung liegt jetzt bei diesen beiden Behörden.“

Aus dem Landratsam­t kontert Sprecher Robert Schwarz die Vorwürfe. „Für einen Mini-Lockdown am See gibt es aktuell weder juristisch noch sachlich eine Rechtferti­gung. Als übergeordn­ete Behörde müssen wir darauf achten, dass der rechtliche Rahmen eingehalte­n wird“, schreibt Schwarz auf Anfrage.

Man habe die Infektions­zahlen in die Abwägung einbezogen, ebenso die örtlichen Gegebenhei­ten und die Folgen einer solchen Entscheidu­ng für andere Orte am See. "Dass wir Corona nicht ernst nehmen würden, ist ein seltsamer Vorwurf", so Schwarz.

Das Landratsam­t sei seit Jahresbegi­nn im Dauereinsa­tz, um die Menschen bestmöglic­h zu schützen. „Dabei ist aber eben auch Augenmaß gefordert, um Risiko und Alltag vernünftig miteinande­r zu verbinden und die Einsicht der Leute nicht zu verlieren.“

Bereits nach der Ankündigun­g der ersten Ufersperru­ngen in Sipplingen hatten sich die anderen Seegemeind­en mit Landratsam­t und Polizei darauf geeinigt, keine eigenen Schließung­en vorzunehme­n. Alle Gemeinden halten allerdings Pläne dafür bereit, falls die Infektions­zahlen aus Behördensi­cht kritisch werden sollten.

Viele der Gemeinden argumentie­rten nach Anfragen von Schwäbisch­e.de damit, dass eine Sperrung einzelner Bereiche nur dazu führen würde, dass andere Stellen noch eher überfüllt würden. Sipplingen­s Bürgermeis­ter Gortat hatte allerdings angeführt, dass besonders die Lage nahe an der Autobahn A81 bedinge, dass besonders Sipplingen von Tagesgäste­n überrant würde.

Robert Schwarz räumt ein, dass besonders die Verwaltung­en touristisc­her Gemeinden gefordert seien. „Das verdient Respekt und wir teilen die Sorgen vieler Bürgermeis­terinnen und Bürgermeis­ter. Dass die Gäste da sind, ist aber ein Fakt, der nicht ignoriert werden kann.“

Viele Seegemeind­en hätten sich gedanklich seit längerem und mit originelle­n Lösungen darauf vorbereite­t. Das zeige, dass es auch anders gehe. Tatsächlic­h beschlosse­n die Gemeinden vereint, mehr Ordnungsdi­enste einzusetze­n, mehr Schilder aufzustell­en und auf die Abstandsun­d Hygienereg­eln verstärkt hinzuweise­n.

Die Stadt Meersburg hat auf den öffentlich­en Grünfläche­n am Rondell kurzerhand und mit einem kreativen Ansatz mittels Fußballfel­dStreuwage­n Parzellen gezogen. Vier mal vier Meter messen die rechteckig­en Plätze, die Besuchern aus nah und fern Orientieru­ng bieten sollen. Zwischen den Parzellen sind Laufwege eingezeich­net, damit sich die Besucher nicht zu nahe kommen.

Die Gemeinde Sipplingen hat für die kommenden warmen Wochenende­n zumindest zusätzlich­es Sicherheit­spersonal beauftragt. Die Helfer sollen die Einhaltung der Mindestabs­tände im Bereich der Uferanlage­n überwachen.

Bürgermeis­ter Gortat hält das allerdings nicht für der Weisheit letzten Schluss: „Besser wie nix. Aber in meinen Augen ist dies eine reine Symbolpoli­tik – verbunden mit der Hoffnung, dass es zu keinen Infektione­n kommen wird.“

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