Corona-Sperrungen: Streit geht in nächste Runde
Sipplinger Bürgermeister attackiert Landratsamt scharf – Kritik wird zurückgegeben
- Besucheranstürme an Wochenenden, vereitelte Sperrungen und mittlerweile ein offener Streit zwischen Gemeinde und Behörden: Der Konflikt um die geeigneten Corona-Schutzmaßnahmen in Sipplingen nimmt kein Ende. Jetzt kritisiert Bürgermeister Oliver Gortat (Freie Wähler) das Landratsamt in einer Mitteilung scharf. Die Kritik sei seltsam, heißt es aus der Behörde.
Zuerst hatte Sipplingens Bürgermeister Oliver Gortat Anfang August versucht, mit temporären Ufersperrungen an Wochenenden den Andrang im 2000-Seelen-Erholungsort am Bodensee einzudämmen. Eine entsprechende Allgemeinverfügung kassierte das Landratsamt Bodenseekreis bereits nach wenigen Tagen.
Der Versuch, stattdessen den größten Parkplatz des Ortes zu schließen, verfehlte wenige später erstens seine Wirkung und wurde dann auch noch von der für Sipplingen zuständigen Stadt Überlingen ebenfalls vereitelt. In einer Reaktion auf diese Maßregelungen macht der Bürgermeister jetzt seinem Ärger Luft. Er wolle Einwohner und Gäste vor einer Ansteckung mit Covid 19 schützen, heißt es in einer Pressemitteilung
vom späten Donnerstag. Allerdings müsse er feststellen, dass ihm das Landratsamt und die Stadt Überlingen als zuständige Verkehrsbehörde „massiv in die Parade fahren“. Die Begründungen der Behörden seien für ihn nicht nachvollziehbar.
„Selbst die Bundesregierung zeigt sich über die aktuelle Corona-Entwicklung besorgt, aber das Landratsamt begründet sein Vorgehen damit, dass wir derzeit zu wenig Infektionen für eine derartige Maßnahme haben. Nun ist es aber genau das Ziel unserer Maßnahme, eine Zunahme der Infektionen und die Bildung eines möglichen Hotspots zu verhindern“, schreibt er.
Die Einschätzung des Landratsamts, dass das Infektionsgeschehen keine Ufersperrungen rechtfertige, hält er für unangemessen und für ein "gefährliches Spiel mit dem Feuer". Auch das Robert-Koch-Institut sehe einen gefährlichen Trend in der Zunahme der Infektionen.
Dass die Sperrung des Parkplatzes P1 keine Entlastung gebracht habe, räumt er selbst ein. „Viele Autofahrer ignorierten die Verbote einfach. Wir hatten am Sonntag genau die Situation wie vor den Ufersperrungen. Die Mindestabstände wurde nicht eingehalten, weder am Ufer, noch im See, noch auf der Steganlage.“Die Argumentation der Stadt Überlingen, die ähnlich wie das Landratsamt auf zu niedrige Infektionszahlen verweist, bezeichnet er aber als „unhaltbar“.
„Ich kann dazu nur sagen, ich habe gewarnt, habe Maßnahmen ergriffen und bin aus wenig überzeugenden Gründen zurückgepfiffen worden. Die Verantwortung liegt jetzt bei diesen beiden Behörden.“
Aus dem Landratsamt kontert Sprecher Robert Schwarz die Vorwürfe. „Für einen Mini-Lockdown am See gibt es aktuell weder juristisch noch sachlich eine Rechtfertigung. Als übergeordnete Behörde müssen wir darauf achten, dass der rechtliche Rahmen eingehalten wird“, schreibt Schwarz auf Anfrage.
Man habe die Infektionszahlen in die Abwägung einbezogen, ebenso die örtlichen Gegebenheiten und die Folgen einer solchen Entscheidung für andere Orte am See. "Dass wir Corona nicht ernst nehmen würden, ist ein seltsamer Vorwurf", so Schwarz.
Das Landratsamt sei seit Jahresbeginn im Dauereinsatz, um die Menschen bestmöglich zu schützen. „Dabei ist aber eben auch Augenmaß gefordert, um Risiko und Alltag vernünftig miteinander zu verbinden und die Einsicht der Leute nicht zu verlieren.“
Bereits nach der Ankündigung der ersten Ufersperrungen in Sipplingen hatten sich die anderen Seegemeinden mit Landratsamt und Polizei darauf geeinigt, keine eigenen Schließungen vorzunehmen. Alle Gemeinden halten allerdings Pläne dafür bereit, falls die Infektionszahlen aus Behördensicht kritisch werden sollten.
Viele der Gemeinden argumentierten nach Anfragen von Schwäbische.de damit, dass eine Sperrung einzelner Bereiche nur dazu führen würde, dass andere Stellen noch eher überfüllt würden. Sipplingens Bürgermeister Gortat hatte allerdings angeführt, dass besonders die Lage nahe an der Autobahn A81 bedinge, dass besonders Sipplingen von Tagesgästen überrant würde.
Robert Schwarz räumt ein, dass besonders die Verwaltungen touristischer Gemeinden gefordert seien. „Das verdient Respekt und wir teilen die Sorgen vieler Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Dass die Gäste da sind, ist aber ein Fakt, der nicht ignoriert werden kann.“
Viele Seegemeinden hätten sich gedanklich seit längerem und mit originellen Lösungen darauf vorbereitet. Das zeige, dass es auch anders gehe. Tatsächlich beschlossen die Gemeinden vereint, mehr Ordnungsdienste einzusetzen, mehr Schilder aufzustellen und auf die Abstandsund Hygieneregeln verstärkt hinzuweisen.
Die Stadt Meersburg hat auf den öffentlichen Grünflächen am Rondell kurzerhand und mit einem kreativen Ansatz mittels FußballfeldStreuwagen Parzellen gezogen. Vier mal vier Meter messen die rechteckigen Plätze, die Besuchern aus nah und fern Orientierung bieten sollen. Zwischen den Parzellen sind Laufwege eingezeichnet, damit sich die Besucher nicht zu nahe kommen.
Die Gemeinde Sipplingen hat für die kommenden warmen Wochenenden zumindest zusätzliches Sicherheitspersonal beauftragt. Die Helfer sollen die Einhaltung der Mindestabstände im Bereich der Uferanlagen überwachen.
Bürgermeister Gortat hält das allerdings nicht für der Weisheit letzten Schluss: „Besser wie nix. Aber in meinen Augen ist dies eine reine Symbolpolitik – verbunden mit der Hoffnung, dass es zu keinen Infektionen kommen wird.“