Selbst die Palmen verneigen sich
Nach der Demontage des FC Barcelona ist der FC Bayern direkt wieder fokussiert
LISSABON - Wenn einer historische Kantersiege kann, dann der Hansi. Als Co-Trainer der deutschen Nationalelf war Hansi Flick bei der WM 2014 für das sagenhafte 7:1 im Halbfinale gegen Gastgeber Brasilien verantwortlich, nun für das nicht minder unglaubliche 8:2 des FC Bayern München im Viertelfinale der Champions League gegen den FC Barcelona. Im Halbfinale des „Final 8“-Turniers in Lissabon treffen die Münchner nun am Mittwoch (21 Uhr) im Sporting-Stadion „José Alvalade“auf Olympique Lyon, das Manchester City mit 3:1 eliminierte. Und was macht Flick, der Mastermind der Seriensieger? Nach 19 PflichtspielSiegen in Folge? Nach 28 ungeschlagenen Partien? Der 55-Jährige befahl für Samstag „Regeneration und Spielersatztraining“, ließ die erste Elf auf dem Ergometer ausradeln. Kräfte sammeln, den Akku wieder aufladen. Man könne am Wochenende „noch nicht wieder in die Vollen gehen“, erklärte Flick. Er versprüht Pragmatismus sowie die notwendige Nüchternheit – das zeichnet ihn aus. Hochmut angesichts der scheinbar leichteren Aufgabe Lyon? Nicht mit Hansi! Man will sich nicht überraschen lassen, nachdem man im Viertelfinale sich selbst überrascht hatte.
Auf der nächtlichen Fahrt ins Mannschaftsquartier „Penha Longa“in Sintra, rund 30 Kilometer von Portugals Hauptstadt entfernt, dämmerte den Bayern-Profis langsam, was ihnen da gelungen war. Bei der Ankunft applaudierten die Hotelangestellten, die Verneigung der Palmen war nicht nur auf den frischen Wind vom Atlantik zurückzuführen. Mit dem Trainer- und Betreuerstab setzte man sich noch zusammen, doch wie bei allen Champions-LeagueReisen sonst gab es ausgerechnet bei diesem Geschichtsbuch-Eintrag aufgrund der Corona-Pandemie kein Bankett. Keine Standing Ovations von Sponsoren und VIPs, keine Partystimmung. Auch unmittelbar nach
Schlusspfiff nicht. „Unsere Spieler haben von der ersten Minute an außergewöhnlich gespielt. Ich ging nach dem Spiel in die Umkleidekabine und erwartete, dass die Jungs den glorreichen Sieg feiern würden“, sagte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge. Von wegen. „Ich fand sie ruhig und konzentriert. Bereit für das nächste Spiel.“Man hat ja auch noch was vor.
Der Schlüssel zum 8:2-Erfolg der Bayern gegen den spanischen Vizemeister FC Barcelona war neben Antreiber und dem zweifachen Torschützen Thomas Müller jedoch das Kollektiv. Sechs unterschiedliche Torschützen, acht verschiedene Vorlagengeber. Einer für alle. Alle für den einen, für den Henkelpott. „Wie wir zusammengespielt haben, da geht mir das Herz auf“, meinte Müller. Die kraftraubende Pressing-Maschinerie ließ Barcelona im Spielaufbau keine Luft zum Atmen, für Leon Goretzka waren die Bayern „von der ersten Sekunde an total griffig in den Zweikämpfen“.
Und selbst die zweite Reihe fügte sich nach den Einwechslungen nahtlos ein. Ob Kingsley Coman, dem in der Startelf auf Linksaußen Ivan Perisic (traf zum 2:1) vorgezogen wurde oder Niklas Süle, der in der Innenverteidigung souverän Jérôme Boateng ersetzte. „Jeder Spieler zählt“, betonte Flick. Siehe auch Philippe Coutinho, eingewechselt für Serge Gnabry nach 75 Minuten. Der Brasilianer, für diese Saison
Thomas Müller vom FC Barcelona ausgeliehen, zeigte es den alten Kollegen. Ein Assist zu Robert Lewandowskis 6:2 und zwei Tore in nur sieben Minuten zum 7:2 und 8:2. Diese Bayern beeindrucken durch ihre Kadertiefe, sind extrem stark aufgestellt.
Für Müller ein dickes Faustpfand im Kampf um den Titel und damit das Triple: „Am schönsten ist eigentlich, wenn man sieht, dass die Spieler, die reinkommen, den gleichen Impact, die gleiche Freude und die gleiche Arbeitseinstellung haben.“Der von der UEFA zum „Man of the Match“-Gekürte: „Die Auszeichnung hätten auch zwölf, fünfzehn andere verdient.“Ohne zu wissen, dass der Gegner Lyon und nicht Manchester City heißen würde, sagte Müller: „Wir sind momentan in einer unglaublichen Verfassung. Wenn wir so arbeiten, ist es für jeden schwer, uns zu schlagen.“Komme, wer wolle.
„Wenn wir so arbeiten, ist es für jeden schwer, uns zu schlagen.“