Lindauer Zeitung

Selbst die Palmen verneigen sich

Nach der Demontage des FC Barcelona ist der FC Bayern direkt wieder fokussiert

- Von Patrick Strasser

LISSABON - Wenn einer historisch­e Kantersieg­e kann, dann der Hansi. Als Co-Trainer der deutschen Nationalel­f war Hansi Flick bei der WM 2014 für das sagenhafte 7:1 im Halbfinale gegen Gastgeber Brasilien verantwort­lich, nun für das nicht minder unglaublic­he 8:2 des FC Bayern München im Viertelfin­ale der Champions League gegen den FC Barcelona. Im Halbfinale des „Final 8“-Turniers in Lissabon treffen die Münchner nun am Mittwoch (21 Uhr) im Sporting-Stadion „José Alvalade“auf Olympique Lyon, das Manchester City mit 3:1 eliminiert­e. Und was macht Flick, der Mastermind der Seriensieg­er? Nach 19 Pflichtspi­elSiegen in Folge? Nach 28 ungeschlag­enen Partien? Der 55-Jährige befahl für Samstag „Regenerati­on und Spielersat­ztraining“, ließ die erste Elf auf dem Ergometer ausradeln. Kräfte sammeln, den Akku wieder aufladen. Man könne am Wochenende „noch nicht wieder in die Vollen gehen“, erklärte Flick. Er versprüht Pragmatism­us sowie die notwendige Nüchternhe­it – das zeichnet ihn aus. Hochmut angesichts der scheinbar leichteren Aufgabe Lyon? Nicht mit Hansi! Man will sich nicht überrasche­n lassen, nachdem man im Viertelfin­ale sich selbst überrascht hatte.

Auf der nächtliche­n Fahrt ins Mannschaft­squartier „Penha Longa“in Sintra, rund 30 Kilometer von Portugals Hauptstadt entfernt, dämmerte den Bayern-Profis langsam, was ihnen da gelungen war. Bei der Ankunft applaudier­ten die Hotelanges­tellten, die Verneigung der Palmen war nicht nur auf den frischen Wind vom Atlantik zurückzufü­hren. Mit dem Trainer- und Betreuerst­ab setzte man sich noch zusammen, doch wie bei allen Champions-LeagueReis­en sonst gab es ausgerechn­et bei diesem Geschichts­buch-Eintrag aufgrund der Corona-Pandemie kein Bankett. Keine Standing Ovations von Sponsoren und VIPs, keine Partystimm­ung. Auch unmittelba­r nach

Schlusspfi­ff nicht. „Unsere Spieler haben von der ersten Minute an außergewöh­nlich gespielt. Ich ging nach dem Spiel in die Umkleideka­bine und erwartete, dass die Jungs den glorreiche­n Sieg feiern würden“, sagte Vorstandsb­oss Karl-Heinz Rummenigge. Von wegen. „Ich fand sie ruhig und konzentrie­rt. Bereit für das nächste Spiel.“Man hat ja auch noch was vor.

Der Schlüssel zum 8:2-Erfolg der Bayern gegen den spanischen Vizemeiste­r FC Barcelona war neben Antreiber und dem zweifachen Torschütze­n Thomas Müller jedoch das Kollektiv. Sechs unterschie­dliche Torschütze­n, acht verschiede­ne Vorlagenge­ber. Einer für alle. Alle für den einen, für den Henkelpott. „Wie wir zusammenge­spielt haben, da geht mir das Herz auf“, meinte Müller. Die kraftraube­nde Pressing-Maschineri­e ließ Barcelona im Spielaufba­u keine Luft zum Atmen, für Leon Goretzka waren die Bayern „von der ersten Sekunde an total griffig in den Zweikämpfe­n“.

Und selbst die zweite Reihe fügte sich nach den Einwechslu­ngen nahtlos ein. Ob Kingsley Coman, dem in der Startelf auf Linksaußen Ivan Perisic (traf zum 2:1) vorgezogen wurde oder Niklas Süle, der in der Innenverte­idigung souverän Jérôme Boateng ersetzte. „Jeder Spieler zählt“, betonte Flick. Siehe auch Philippe Coutinho, eingewechs­elt für Serge Gnabry nach 75 Minuten. Der Brasiliane­r, für diese Saison

Thomas Müller vom FC Barcelona ausgeliehe­n, zeigte es den alten Kollegen. Ein Assist zu Robert Lewandowsk­is 6:2 und zwei Tore in nur sieben Minuten zum 7:2 und 8:2. Diese Bayern beeindruck­en durch ihre Kadertiefe, sind extrem stark aufgestell­t.

Für Müller ein dickes Faustpfand im Kampf um den Titel und damit das Triple: „Am schönsten ist eigentlich, wenn man sieht, dass die Spieler, die reinkommen, den gleichen Impact, die gleiche Freude und die gleiche Arbeitsein­stellung haben.“Der von der UEFA zum „Man of the Match“-Gekürte: „Die Auszeichnu­ng hätten auch zwölf, fünfzehn andere verdient.“Ohne zu wissen, dass der Gegner Lyon und nicht Manchester City heißen würde, sagte Müller: „Wir sind momentan in einer unglaublic­hen Verfassung. Wenn wir so arbeiten, ist es für jeden schwer, uns zu schlagen.“Komme, wer wolle.

„Wenn wir so arbeiten, ist es für jeden schwer, uns zu schlagen.“

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FOTO: PETER SCHATZ/IMAGO IMAGES Wie stellt man eine Legende wie Lionel Messi (Mi.) kalt? Alphonso Davies (3. v. li.) kennt die Antwort.

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