Die FDP muss sich neu erfinden
Bill Clintons Wahlkampfberater James Carville prägte 1992 einen Satz, den sich FDP-Chef Christian Lindner fast drei Jahrzehnte später zu Herzen nimmt: „It’s the economy, stupid“, übersetzt „Es ist die Wirtschaft, Dummkopf “, hatte Carville als Leitspruch im Wahlkampfbüro aufgehängt.
Die wegen Corona darbende Wirtschaft soll nun der darbenden FDP den Verbleib im Bundestag sichern und den Weg in die Regierung ebnen. Die Liberalen erwarten heftige Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt – und sehen den drohenden Wegfall von Millionen Arbeitsplätzen als das Megathema, das liberale Jobs über die Bundestagswahl 2021 hinaus retten soll. Denn zu lange steht die Partei in Umfragen nah an der Fünf-Prozent-„Todeszone“, deren Unterschreitung das erneute Parlamentsaus markiert. Darum muss die eloquente und empathische, aber eben oft leise Innenpolitikerin Linda Teuteberg ihren Posten als Generalsekretärin für den rheinland-pfälzischen Wirtschaftsminister Volker Wissing räumen.
Mit dem neuen Personal will Christian Lindner 13 Monate vor der Wahl Akzente setzen. Mit dem Eingeständnis, Hilfe und Unterstützung zu brauchen, will der FDP-Chef endlich vom im letzten Wahlkampf zelebrierten Schwarz-Weiß-Bild der EinMann-Partei loskommen. Mit dem Ampelkoalitionär Wissing zeigt sich Lindner offen für neue Regierungsbündnisse: Auch der von der SPD übergetretene neue Schatzmeister Harald Christ kann als Koalitionsangebot an den Scholz-Flügel der Sozialdemokraten verstanden werden.
Ob sich die neue Aufstellung auszahlt, bleibt indes offen. Denn die angestammten Probleme der FDP verschwinden nicht: Teutebergs Ausscheiden unterstreicht zudem das Frauenproblem der Liberalen.
Die FDP muss sich mit dem neuen Team auch neu erfinden. Auch dabei könnte ein Carville-Wahlspruch helfen: „Veränderung kontra Weitermachen“hatte der neben den berühmt gewordenen Wirtschaftsspruch gehängt. Lindner hat noch ein Jahr, um sich diesen Hinweis zu Herzen zu nehmen. Sonst wird er Geschichte.