Lindauer Zeitung

Betriebe bilden trotz Corona aus

Pandemie sorgt für Verzögerun­gen bei Vertragsab­schlüssen – Ausreichen­d Ausbildung­splätze

- Von Simon Härtle

- „Für uns war immer klar, dass wir ausbilden“, sagt Björn Dürr, Hoteldirek­tor des JUFA FamilienRe­sorts in Kempten: „Es gibt trotz Corona eine Zukunft. Die Branche beschwert sich seit Jahren über zu wenige Fachkräfte. Da können wir jetzt nicht aufhören, diese zu sichern.“Ähnlich sehen das auch die meisten anderen Allgäuer Ausbildung­sbetriebe: Nach Angaben von Maria Amtmann, Leiterin der Agentur für Arbeit Kempten-Memmingen, gibt es annähernd gleich viele Ausbildung­splätze und Bewerber wie im vergangene­n Jahr. Dass Betriebe derzeit nicht für drei Jahre die Verantwort­ung für junge Menschen übernehmen können oder wollen, sei die absolute Ausnahme. Dennoch registrier­en die Industrie- und Handelskam­mer (IHK) und die Handwerksk­ammer (HWK) bislang weniger abgeschlos­sene Ausbildung­sverträge als 2019 zur selben Zeit.

„Wir sind derzeit bei etwa 85 Prozent im Vergleich zum Vorjahr“, sagt Christian Munz von der IHK Schwaben. Das liege aber nicht daran, dass die Betriebe weniger ausbilden. Nur habe sich wegen des Lockdowns vieles verzögert. „Da wird sich noch einiges bewegen“, glaubt Munz. „Durch die Pandemie kam es zwischenze­itlich zum Stillstand. Keiner wusste, wie es weitergeht, und sich um neue Auszubilde­nde zu kümmern, war teils kaum möglich“, sagt Hans-Peter Rauch, Präsident der HWK Schwaben.

Zudem habe der direkte Kontakt zu den jungen Menschen gefehlt: Schulen waren geschlosse­n, Ausbildung­smessen fanden nicht statt. Die HWK verzeichne­t bislang vier Prozent weniger abgeschlos­sene Ausbildung­sverträge als 2019. Auch Rauch ist zuversicht­lich, dass dieser Rückstand aufgeholt wird. „Jetzt die Ausbildung schleifen zu lassen, hat keinen Sinn. Denn dann fehlen die Fachkräfte, wenn der Bedarf wieder voll da ist. Das ist die Rückmeldun­g, die wir von den Betrieben bekommen“, sagt Munz.

Ein Ausbildung­sbeginn sei nicht nur zum 1. September möglich. „Da darf man nicht sklavisch dran hängen. Die Ausbildung­spläne sind so gestaltet, dass man auch dann noch hinterherk­ommt, wenn man einige Wochen später anfängt.“„Es ist nie zu spät“, sagt auch HWK-Präsident Hans-Peter Rauch. „Unternehme­n, Kammern und Schulen machen meist auch einen späteren Ausbildung­sbeginn möglich.“Svenja Lask dagegen hat ihre Ausbildung zur Hotelfachf­rau im JUFA Familien-Resort in Kempten schon im August angefangen. „Ich habe mich schon beworben, bevor Corona kam“, erzählt die 18-Jährige. Sie ist froh, dass alles reibungslo­s geklappt und das Haus wieder geöffnet hat.

Nach Angaben der Arbeitsage­ntur Kempten-Memmingen gab es Ende Juli im bayerische­n Teil des Allgäus noch doppelt so viele unbesetzte Ausbildung­sstellen wie Bewerber. Mehr als 2200 Plätze waren noch zu

Im Bereich der Agentur für Arbeit Kempten-Memmingen gibt es noch zahlreiche freie Ausbildung­splätze: Maurer/in: 74 Restaurant­fachmann/-frau: Handelsfac­hwirt/in: 54 Fachkraft Lagerlogis­tik: 53 57 vergeben. „Die Azubis haben freie Auswahl“, sagt Christian Munz. Es könne aber sein, dass der eine oder andere von seiner Idealvorst­ellung abrücken müsse. Dringend gesucht seien Azubis beispielsw­eise noch im Handel, in der Gastronomi­e und in der Logistikbr­anche. Laut Rauch gibt es auch bei Bäckern, Metzgern und Friseuren noch viele freie Stellen.

Kleine und mittelstän­dische Unternehme­n, die gerne ausbilden wollen,

Fachverkäu­fer/in Lebensmitt­elhandwerk –Fleischere­i: 53

KfZ-Mechatroni­ker/in: 52

Verkäufer/in: 198

Einzelhand­elskaufman­n/-frau: Koch/Köchin: 87

Hotelfachm­ann/-frau: 76 185 aber von der Corona-Krise schwer getroffen sind, können Prämien über das Bundesprog­ramm „Ausbildung­splätze sichern“beantragen. Bei einer gleichblei­bend hohen Zahl von Ausbildung­sverhältni­ssen wie im Durchschni­tt der Jahre 2017 bis 2019 gibt es eine einmalige Prämie in Höhe von 2000 Euro je neu abgeschlos­senem Ausbildung­svertrag. Bei zusätzlich­en Verträgen erhöht sich der einmalige Zuschuss auf 3000 Euro. „Mittlerwei­le gehen bei uns jeden Tag zwischen 20 und 30 Anträge ein“, sagt Munz.

Im Handwerk halte sich der Andrang laut Rauch in Grenzen. „Einerseits bin ich froh darüber, anderseits ist es schade, dass viele Betriebe nicht unter die Richtlinie­n fallen und keine Prämie bekommen.“Es sei „unglücklic­h“, dass diejenigen nicht profitiere­n, die das Handwerk trotz der Krise gestärkt hätten.

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Auch Ausbildung­sstellen zum Koch sind noch offen.

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