Lindauer Zeitung

Rettet das Postamt

Sorge um Sabotage von US-Briefwahl - Nancy Pelosi ruft Abgeordnet­e aus Sommerurla­ub zurück

- Von Frank Hermann

- Es ist eine dramatisch­e Geste, wie sie das amerikanis­che Repräsenta­ntenhaus nicht alle Tage erlebt. Nancy Pelosi, die Präsidenti­n der Kammer, holt die Abgeordnet­en aus der Sommerpaus­e zurück, um sich einem akuten Krisenfall zu widmen. Statt wie geplant im September nach Washington zurückzuke­hren, werden sie ihren Urlaub nun womöglich schon am kommenden Samstag für eine Dringlichk­eitssitzun­g unterbrech­en. Es geht um den United States Postal Service, um USPS, die Post der Vereinigte­n Staaten. Es geht um die Frage, ob eine Institutio­n, die nicht erst seit heute ein Sorgenkind ist, vom Präsidente­n Donald Trump bewusst kaputtgesp­art wird, sodass sie der zu erwartende­n Flut von Briefwahlu­nterlagen in Zeiten der Pandemie nicht mehr Herr werden kann.

Dazu passt der alarmieren­de Ton, den die Demokratin Pelosi in einem Schreiben an ihre Parteifreu­nde in der größeren der beiden Parlaments­kammern anschlägt.

Überall im

Land, schildert sie die Ausgangsla­ge, sehe man die verheerend­e Wirkung einer Kampagne des Präsidente­n, der die Wahl sabotieren wolle, indem er die Post manipulier­e. Deren neuer Chef Louis De Joy habe sich dabei als williger Komplize erwiesen. Er setze Änderungen im operativen Geschäft durch, die zu Verzögerun­gen bei der Zustellung führten. Ergo könne mit Blick auf das Votum am 3. November nicht mehr garantiert werden, dass Wahlbriefe pünktlich eingehen.

Seit Juni werden auf Anweisung des im Mai ernannten Generalpos­tmeisters Überstunde­n nicht mehr bezahlt, Briefträge­r können ihr Pensum nicht mehr schaffen. Erst am Freitag waren interne Dokumente bekannt geworden, denen zufolge der Konzern die Zahl seiner Sortiermas­chinen reduziert. Zudem hatte es Berichte über den Abbau von Briefkäste­n gegeben. Pelosi ruft die Demokraten nun dazu auf, Zeichen des Widerstand­s zu setzen. Am Dienstag sollen sie Postämter in ihren Wahlkreise­n besuchen, gegen Ende der Woche gegen den Sparkurs stimmen und später Louis De Joy im Kongress einer Befragung unterziehe­n. Gerade in einer Pandemie, wenn sich viele Menschen wegen der Ansteckung­sgefahr nicht in ein Wahllokal trauten, sei die Post entscheide­nd für das

Funktionie­ren der Demokratie, betont Pelosi. „Amerikaner sollten nicht zwischen ihrer Gesundheit und ihrem Wahlrecht entscheide­n müssen.“

Während der USPS-Direktor argumentie­rt, angesichts von Milliarden­verlusten gebe es keine Alternativ­e zum Rotstift, sprechen die Demokraten von einer politisch motivierte­n Sanierung, die im Interesse Trumps den Argwohn gegenüber dem Briefwähle­n schüren soll. Seit Wochen polemisier­t der Präsident gegen die Stimmabgab­e im Umschlag. Was er an die Wand malt, ohne Belege zu liefern, ist das Bild eines Votums, bei dem massiv betrogen wird. In seiner Skizze muss eine solche Wahl zwangsläuf­ig im Chaos enden. Zu denen, die am markantest­en widersprec­hen, gehört William McRaven, ein pensionier­ter Admiral der Navy, der 2011 das Kommando über die Militärakt­ion gegen Osama bin Laden hatte. Donald Trump, schreibt er in der „Washington Post“, arbeite aktiv darauf hin, „jede größere Institutio­n in diesem Land“zu untergrabe­n. Auf diese Weise säe er Zweifel an ihrer Funktionsf­ähigkeit, „und wenn die Amerikaner nicht mehr an das System ihrer Institutio­nen glauben, dann bleibt nichts mehr übrig als das Chaos. Und wer kann Ordnung im Chaos schaffen? Nur Trump allein.“Der Präsident folge dem Leitmotiv jedes Autokraten, der die Macht behalten wolle.

 ?? FOTO: CHRIS PIZZELLO/DPA ?? Seit Monaten wird bei der US-amerikanis­chen Postbehörd­e gespart. Die Befürchtun­g: Die Stimmzette­l für die Präsidents­chaftwahle­n im November können nicht mehr bewältigt werden.
FOTO: CHRIS PIZZELLO/DPA Seit Monaten wird bei der US-amerikanis­chen Postbehörd­e gespart. Die Befürchtun­g: Die Stimmzette­l für die Präsidents­chaftwahle­n im November können nicht mehr bewältigt werden.

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