Feuer aus den eigenen Reihen
Namhafte Republikaner machen mit Lincoln Project Stimmung gegen Präsident Trump
- Im Herbst vor vier Jahren, erinnert sich Stuart Stevens, bekam er etliche E-Mails, in denen ihm namhafte Republikaner für seine Courage dankten. Der konservative Stratege hatte in Fernsehinterviews Farbe bekannt, gegen Donald Trump, dem er unter anderem vorwarf, mit rassistischen Ressentiments zu spielen. Ein Drittel der Parteihierarchie habe ihm zugestimmt, ohne es allerdings an die große Glocke zu hängen, schreibt er in seinem Buch „It Was All a Lie“, das vor wenigen Tagen erschien. Am späten Abend des 8. Novembers 2016, als sich ein Wahlsieg des Außenseiters abzeichnete, meldeten sich einige der Absender
erneut bei ihm, diesmal in einem Anflug von Panik. Er möge die E-Mail, die man ihm seinerzeit geschickt habe, doch bitte löschen.
Für Stevens ist das ein Sinnbild für eine Partei, die sich schnell mit dem Populisten Trump arrangierte und darüber ihre Prinzipien vergaß – etwa das Eintreten für freien Welthandel, fiskalische Disziplin und internationale Allianzen. Der Mann aus Mississippi hat mehrere Präsidentschaftskandidaten im Wahlkampf beraten, Bob Dole, George W. Bush und Mitt Romney. 2016 wurde er zum Never-Trumper, zu einem jener Konservativen, die sich schworen, niemals für Trump zu stimmen, sondern lieber, wenn auch mit zugehaltener Nase, für Hillary Clinton. Ein Never-Trumper ist Stevens noch immer. Er bastelt maßgeblich mit am Lincoln Project, einer Initiative republikanischer Renegaten, die vor allem durch bitterböse polemische Werbespots von sich reden macht. In den Filmchen wird dringend vor der
Wiederwahl eines Amtsinhabers gewarnt, durch dessen miserables Corona-Krisenmanagement Amerika „schwächer, kränker und ärmer“geworden sei. Wobei es sich bei den Vätern des Projekts, es sind allesamt Männer, nicht um obskure Randfiguren handelt, sondern um einstmals einflussreiche Ratgeber. Einer ist Steve Schmidt, 2008 der Kampagnenchef John McCains, ein anderer George Conway, ein angesehener Anwalt, dessen kompromisslose Kritik am Präsidenten schon deshalb für Aufsehen sorgt, weil seine Frau Kellyanne als wichtige Beraterin im Weißen Haus den Präsidenten ebenso kompromisslos verteidigt. Trump füge dem Rechtsstaat und dem Charakter Amerikas einen solchen Schaden zu, dass er an der Wahlurne besiegt werden müsse, begründeten die Lincolnianer in der „New York Times“, warum sie die Trommel gegen ihn rühren würden. Leiten lasse man sich von Abraham Lincoln. Der habe verstanden, dass nicht nur die im Bürgerkrieg zerrissene Union gerettet, sondern die Nation nach dem Krieg wieder zusammengestrickt werden müsse.
Dass Stevens den Demokraten Joe Biden zur Wahl empfiehlt, hat nicht nur mit Trump zu tun. Er hadert auch mit seinen Parteifreunden. Die nämlich, doziert er, hätten sich nicht nur zu 90 Prozent angepasst, sie hätten auch kaum Probleme mit dem SichAnpassen gehabt. Vielen sei es leichtgefallen, sich nur noch als Stimme des weißen Amerikas zu verstehen. Damit aber werde man zu einer Identitätspartei, die nicht mal mehr den Anschein erwecke, als kümmere sie sich auch um die Belange ethnischer Minderheiten. 1956 habe der Präsident Dwight Eisenhower noch 40 Prozent der Stimmen schwarzer Amerikaner gewonnen. Später, als sich die Afroamerikaner mit großer Mehrheit den Demokraten zuwandten, habe man sich zumindest noch gefragt, was man falsch mache.