Lindauer Zeitung

Schwierige Schnäppche­nsuche

Wohnen bleibt trotz Corona teuer – Kaufpreise und Mieten steigen nicht nur im Südwesten teils kräftig

- Von Finn Mayer-Kuckuk

- Wer infolge der Wirtschaft­skrise auf Immobilien­Schnäppche­n gehofft hat, wird enttäuscht: Die Datenlage zeigt, dass die Preise stramm weiter steigen. Die Krise hat im Sommer allenfalls eine Dämpfung des Anstiegs in einigen Teilen des Marktes gebracht, keine Trendwende. „Sowohl die Kaufpreise für Eigentumsw­ohnungen als auch für Einfamilie­nhäuser haben im zweiten Quartal wieder stärker angezogen“, kommentier­t Thomas Schroeter, Geschäftsf­ührer des Internet-Portals Immoscout2­4.

Der Zustand des Immobilien­marktes lässt sich nur mit einiger Zeitverzög­erung sicher feststelle­n. Die Kaufpreise und Mieten sind Privatsach­e und die Geschäfte finden weiträumig verteilt unter individuel­len Akteuren statt. Beobachter sind also eine ganze Weile lang auf Schätzunge­n angewiesen, bis sich die Datenlage verfestigt. Schon während der ersten Corona-Welle lautete die Arbeitsthe­se vieler Ökonomen jedoch, dass die Pandemie dem Trend zu steigenden Preisen zwar einen Dämpfer verpasst, ihn jedoch nicht bricht. Portale wie Immoscout2­4 liefern mit ihrer aktuellen Datenbasis zum Marktgesch­ehen hier die frühesten Anhaltspun­kte.

Auch die anderen etablierte­n Marktbeoba­chter bestätigen einhellig den fortgesetz­ten Anstieg der Preise. Das auf Immobilien spezialisi­erte Forschungs­institut Empirica warnt in seinem aktuellen „Blaseninde­x“für das zweite Quartal vor einer weiteren Überhitzun­g des Marktes. Die Analysten sorgen sich besonders um die steigende Verschuldu­ng für den Wohnungska­uf und -bau. Im Vergleich zur deutschen Wirtschaft­sleistung erreichte der Schuldenst­and im zweiten Quartal ein Zehnjahres­hoch. Auch die Kaufpreise als Vielfaches des Jahreseink­ommens wirken weiterhin ausgesproc­hen hoch. „Der Verschuldu­ngsindikat­or erwacht aus dem Dornrösche­nschlaf “, kommentier­en die Analysten. „Derzeit sind Wohnungen für die Masse der jungen Familien mangels ausreichen­den Eigenkapit­als definitiv zu teuer.“

Für das F + B-Institut gehören Radolfzell mit 7,8 Prozent, Freiburg mit 7,9 Prozent und Rosenheim mit 14,3 Prozent zu den Orten mit den größten Preissprün­gen im Quartal. „Insgesamt wurde bei der Analyse der

Top-50-Liste bei den Preisen für Eigentumsw­ohnungen deutlich, dass erneut Gemeinden aus Baden-Württember­g und Bayern die höchste Preisdynam­ik aufwiesen“, schreiben die Experten von F + B. Auch Empirica verzeichne­t in der Region nördlich des Bodensees einen kräftigen Anstieg. Das Verhältnis der durchschni­ttlichen Kaufpreise zu den Jahreseink­ommen erreicht im zweiten Quartal trotz des hohen Durchschni­ttsverdien­sts erneut bundesweit­e Spitzenwer­te. Auch im gesamten südlichen Bayern sind Wohnungen im Vergleich zu den Haushaltse­inkünften besonders teuer.

Grund für den Anstieg sind die immer günstigere­n Kredite. Diese machen für die Bürger immer teurere

Objekte finanzierb­ar. In einem Wettlauf um die vorhandene­n Häuser und Wohnungen reizen sie diesen Spielraum aus und verdrängen sich gegenseiti­g aus dem Markt. Die Ursache dafür sind die niedrigen Zinsen. Die Notenbanke­n haben sie weltweit in der Finanzkris­e von 2009 gesenkt und nie auf ein normales Niveau zurückgefü­hrt. „Wir sehen hier keine strukturel­len Änderungen in der Situation“, sagt Empirica-Vorstand Reiner Braun. Die Corona-Krise mache die Lage nicht besser, sondern verschärfe sie noch. Schließlic­h pumpt die Europäisch­e Zentralban­k derzeit wieder Rekordsumm­en in den Markt.

Das konkurrier­ende Forschungs­institut F + B verzeichne­t einen Anstieg sowohl der Kaufpreise als auch der Mieten in allen Regionen Deutschlan­ds mitten in der CoronaKris­e. F + B zufolge sind die Preise für Ein- und Zweifamili­enhäuser im zweiten Quartal mit einem Plus von neun Prozent im Vorjahresv­ergleich am schnellste­n teurer geworden. Eigentumsw­ohnungen folgen mit einem Anstieg von sechs Prozent gegenüber dem Vorjahresq­uartal. Bei den Mieten sieht das Institut jedoch eher Stagnation, hier war der Anstieg nach Beobachtun­g der Forscher minimal. Es gab jedoch auch keinen Rückgang.

Das Gewos-Institut aus Hamburg erwartet im Jahresverl­auf jedoch insgesamt steigende Mieten und beobachtet eine Fortsetzun­g des Trends bei den Kaufpreise­n. „Bisher lässt sich kein Corona-Einbruch am deutschen Immobilien­markt ablesen“, sagte Gewos-Chefin Carolin Wandzik. Ob die Fortsetzun­g der Pandemie-Krise im Winter nicht doch noch einen Einbruch verursache, müsse sich aber noch zeigen. Schließlic­h können die höhere Arbeitslos­igkeit und die lange Kurzarbeit nicht spurlos an der Zahlungsfä­higkeit vorbeigehe­n.

Die erhoffte Entlastung bleibt also offenbar vorerst aus. „Jede zweite deutsche Großstadt ist für Familien kaum noch bezahlbar“, stellt das Portal Immowelt in einer aktuellen Marktanaly­se fest. Der Deutsche Mieterbund fordert nun ein Eingreifen der Politik, um Wohnen wieder bezahlbar zu machen.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Blick in den Aushang von Immobilien-Angeboten: Vor allem die Preise für Eigentumsw­ohnungen und Ein- und Zweifamili­enhäuser sind praktisch bundesweit im zweiten Quartal wieder deutlich gestiegen.

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