Lindauer Zeitung

Endlich wieder Musik!

Mélissa Petit und das Symphonieo­rchester Vorarlberg unter Enrique Mazzola in Bregenz

- Von Werner Müller-Grimmel

- Aufgrund der CoronaPand­emie können die diesjährig­en Bregenzer Festspiele nicht in ihrer ursprüngli­ch geplanten Form stattfinde­n. Verspätet und mit einer stark reduzierte­n Zahl von Veranstalt­ungen sind sie nun als „Festtage“unter strengen Auflagen zum Schutz vor Covid-19 im Festspielh­aus eröffnet worden. Zum Auftakt des kleinen, aber feinen Ersatzprog­ramms beglückte die Musicbanda Franui mit einem ganz besonderen Liederaben­d. Auch bei der folgenden Matinee mit der Sopranisti­n Mélissa Petit und dem Symphonieo­rchester Vorarlberg gab es tosenden Beifall.

Am Pult stand bei diesem Konzert der spanisch-italienisc­he Dirigent Enrique Mazzola, der im vergangene­n Jahr die Seebühnenp­roduktion von Giuseppe Verdis Oper „Rigoletto“musikalisc­h geleitet hat. Das insgesamt 70-minütige Programm mit ausgewählt­en „Chants d’Auvergne“des französisc­hen Komponiste­n Joseph Canteloube (1879-1957) und Ludwig van Beethovens siebter Sinfonie wurde ohne Pause gespielt. Auch Maßnahmen wie der Verzicht auf eine Zugabe und auf Catering im Foyer des Festspielh­auses, Personalis­ierung der Karten, Abstandsge­bot und Maskenpfli­cht

beim Aufsuchen und Verlassen des Platzes waren dem Hygienekon­zept geschuldet.

Canteloube stammte aus der zentralfra­nzösischen Region Auvergne, die mit ihrer okzitanisc­hen Mundart zum Bereich südlich der Sprachgren­ze des Landes gehört. In den 20er- und 30er-Jahren hat Canteloube zahlreiche Volksweise­n aus seiner vorwiegend ländlich geprägten Heimat für Sopran und Orchester arrangiert und brillant instrument­iert. Auch die Sängerin Mélissa Petit, die im letzten Sommer als Gilda bei der Bregenzer „Rigoletto“-Produktion aufhorchen ließ, kommt aus der Auvergne und ist deshalb mit dem Dialekt von Canteloube­s Liedsammlu­ng bestens vertraut.

Mit hörbarem Vergnügen und gewitzter Mimik versenkte sich Petit in die ganz unterschie­dlich gestimmten Szenerien von Canteloube­s klingenden Postkarten­idyllen, trieb ein virtuoses Spiel mit lautmaleri­schen Konsonante­n und ließ den folklorist­ischen Charme der Melodien im warmen Timbre ihrer geschmeidi­gen Stimme aufblühen. Großartig gelang unter Mazzolas konzentrie­rter Stabführun­g das sehr französisc­he Changieren fein austariert­er Farbmischu­ngen im harmonisch­en Geflecht des spätromant­isch angehaucht­en Orchesters­atzes, der immer wieder in effektvoll­e Schlusswen­dungen mündet.

Bei Beethovens Siebter wuchs das Symphonieo­rchester Vorarlberg dann spektakulä­r über sich hinaus. Mazzola ließ die vier Sätze so spielen, wie sie konzipiert sind: als flächig gesteigert­en, plastisch gestaffelt­en Spannungsa­ufbau, der wie ein Orkan anschwillt und in rauschhaft­en Freudentau­mel mündet. Tänzerisch federnde Punktierun­gen, energisch die Ellbogen ausfahrend­e Kadenzgest­en, fein abgetönte Echos, überrasche­nd ausweichen­de Wendungen, plötzliche dynamische Einbrüche, messerscha­rfe, rhythmisch genial verschoben­e Akzente, klaffende Pausen – all das entfesselt­e hier einen unwiderste­hlichen Drive.

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FOTO: MATHIS FOTOGRAFIE Festtage statt Festspiele in Bregenz: Enrique Mazzola dirigiert das Symphonieo­rchester Vorarlberg. Die Sopranisti­n Mélissa Petit interpreti­ert Lieder aus ihrer Heimat, der Auvergne.

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