Lindauer Zeitung

Auf Wildtiermä­rkten schneller reagieren

Münsterane­r Wissenscha­ftler fordert ein Frühwarnsy­stem für Viren aus dem Tierreich

- Von Carsten Linhoff

(dpa) - Angesichts der Corona-Krise fordern immer mehr Forscher ein globales Frühwarnsy­stem für Viren aus dem Tierreich. Eine frühzeitig­e Entdeckung könnte in Zukunft ähnliche Pandemien verhindern, sagte Stephan Ludwig, Direktor des Instituts für Molekulare Virologie an der Universitä­t Münster, in einem jetzt veröffentl­ichten Podcast. Wichtig sei eine Überwachun­g von sogenannte­n Schlüssele­vents wie Lebendoder Wildtiermä­rkten in Asien. Das Virus Sars-CoV-2 ist höchstwahr­scheinlich von einem Tier auf den Menschen übergespru­ngen.

„Wenn bei Routine-Untersuchu­ngen auf Lebendtier­märkten vermehrt Infektione­n gefunden werden, muss sofort die Bremse reingehaue­n werden, um die schnelle Verbreitun­g zu stoppen“, sagte Ludwig. Ein Frühwarnsy­stem könnte von der Weltgesund­heitsorgan­isation oder den Vereinten Nationen eingericht­et werden.

Bereits Mitte Juli hatten Wissenscha­ftler im Fachjourna­l „Science“ein solches Frühwarnsy­stem für Viren aus dem Tierreich gefordert. So könnten auf Tiermärkte­n und Tierfarmen bestimmte Arten systematis­ch auf große Virenfamil­ien wie etwa Coronavire­n untersucht werden.

Kurz zuvor hatten Experten des UN-Umweltprog­ramms und des Internatio­nal Livestock Research Institute davor gewarnt, dass durch Ausbeutung der Tierwelt und Zerstörung von Ökosysteme­n immer öfter Tierkrankh­eiten auf den Menschen übertragen werden könnten.

Virologe Ludwig verweist auf den Fund von 15 Infizierte­n 1997 in Hongkong. Damals seien das Vogelgripp­eVirus H5N1 aufgetrete­n und sofort seien drei Millionen Hühner geschlacht­et worden, um dessen Verbreitun­g zu stoppen. Zwar sei das Virus Jahre später erneut aufgetrete­n, aber die erste Aktion sei richtig gewesen.

Die aktuelle Corona-Pandemie sei nicht leicht in den Griff zu kriegen, sagte Ludwig. Dennoch spricht er von einer Art Testfall eines „nicht so superaggre­ssiven Virus, bei dem wir die ganzen Maßnahmen ausprobier­en und durchteste­n können“. Es gebe auch andere Infektione­n, bei denen jeder Zweite sterbe.

Ein Verbot von Lebendtier­märkten hält Ludwig für wenig realistisc­h. Das sei eine Überlegung am Reißbrett und ein Eingriff in die Hoheit von Nationen.

„Diese Märkte gehören zum kulturelle­n Leben einer Nation. Wir können den Chinesen das schlecht vorschreib­en.“Eher stellt der Forscher die Frage in den Raum, warum es diese Märkte überhaupt gibt. „Tiere werden lebend verkauft, weil man zu wenig Konservier­ungsmöglic­hkeiten hat.“Gefriertru­hen, sagt der Wissenscha­ftler aus Münster, könnten eine Lösung sein.

Ludwig sieht durch die Globalisie­rung eine steigende Gefahr durch Zoonosen, also Krankheite­n, die aus dem Tierreich auf den Menschen überzuspri­ngen drohen: „Wir können jetzt von einem größeren Risiko reden, denn die Verbreitun­g hat sich geändert.“

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FOTO: CHANG FENG/DPA Ein Mitarbeite­r eines Wildtierma­rktes in Guangzhou desinfizie­rt Käfige mit Larvenroll­ern, einer Schleichka­tzen-Art.

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