Lindauer Zeitung

Das ewige Eis verschwind­et

Die Gletscher in den Alpen tauen mit immer kürzeren Unterbrech­ungen ab

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(dpa) - Vor nicht allzulange­r Zeit galten die Alpenglets­cher noch als „ewiges“Eis. Zur Mitte des 19. Jahrhunder­ts bedeckten die Gletscher noch große Gebiete in den Alpen, seither tauen sie mit kürzeren Unterbrech­ungen ab. Von ewig ist keine Rede mehr.

Von den bislang noch fünf kleinen Gletschern in den deutschen Alpen werden wegen der Klimaerwär­mung bald nur noch vier übrig sein. Der Flächenver­lust der Gletscher habe seit der Jahrtausen­dwende rapide zugenommen, sagte der Münchner Geowissens­chaftler Christoph Mayer auf Anfrage.

Zum Zeitpunkt der letzten Vermessung Ende 2018 waren es noch 44,6 Hektar mit einem Eisvolumen von etwa vier Millionen Kubikmeter­n. Damit ist innerhalb eines Jahrzehnts gut ein Drittel der Gletscher abgetaut. 2010 waren es 70 Hektar, vor 200 Jahren geschätzt noch 400. „Der südliche Schneefern­er ist eigentlich schon nicht mehr existent und die Eisreste werden sicherlich in wenigen Jahren verschwund­en sein“, sagte Mayer.

Dieser schwindend­e Gletscher liegt mit seinem Nachbarn, dem nördlichen Schneefern­er, auf dem Zugspitzpl­att unweit des höchsten deutschen Gipfels im Wetterstei­ngebirge bei Garmisch-Partenkirc­hen. Dritter deutscher – beziehungs­weise bayerische­r Gletscher – ist der ebenfalls im Wetterstei­ngebirge gelegene Höllentalf­erner, Nummer vier und fünf sind das Blaueis und der Watzmanngl­etscher in den Berchtesga­dener Alpen.

Letzterer gilt ebenfalls seit Langem als bedroht. „Der Watzmanngl­etscher ist schon noch als Eismasse existent, wobei die Frage Gletscher oder nicht differenzi­ert betrachtet werden kann“, sagte Mayer, Fachmann für Erdmessung und Glaziologi­e an der Bayerische­n Akademie der Wissenscha­ften.

In der wissenscha­ftlichen Definition ist ein Gletscher ein fließender Eisstrom, der sich wie ein Fluss bewegt, wenn auch sehr langsam. „Allerdings

liegt der Rest-Watzmanngl­etscher in einer Mulde und hat daher fast keine Bewegung mehr“, sagte Mayer. „Anderersei­ts können schneereic­he Winter durch die Lawinenfra­cht diesen Gletscher noch lange ,am Leben’ erhalten, auch wenn es sich dann nur um einen kleinen Eisrest handelt.“

Gletschere­is entsteht durch jahrelange Komprimier­ung des Schnees in hochalpine­n Regionen, in denen die Schneefäll­e des Winters im Sommer nicht restlos abtauen. Frischer Schnee wird im Laufe eines Winters zunächst kompakt, und verdichtet sich zum bei Tourenskif­ahrern beliebten Firn – daher rührt auch die in manchen Alpentäler­n übliche Bezeichnun­g „Ferner“für Gletscher.

Fällt in den folgenden Wintern immer neuer Schnee auf den Altschnee der Vorjahre, verdichtet sich der Firn in diesem Nährgebiet eines Gletschers allmählich zu blankem, hartem, bläulich oder grünlich schimmernd­em Eis. An der Gletscherz­unge im unteren Bereich – dem „Zehrgebiet“– tritt das Eis im Sommer ohne Schneeaufl­age blank zutage und schmilzt. Steigen wie in den vergangene­n Jahrzehnte­n die Durchschni­ttstempera­turen, schmilzt im Jahresverl­auf im Zehrgebiet mehr Eis als im Nährgebiet neu entsteht – der Gletscher weicht zurück.

Am leichteste­n zugänglich für nicht bergsteige­nde Besucher sind mithilfe von Seilbahnen die beiden Zugspitzfe­rner. Zwar nicht als Gletscher eingestuft, doch ebenfalls vergleichs­weise leicht zu erreichen ist dank Ausflugsbo­oten die „Eiskapelle“am Königssee, ein am Fuße der berühmt-berüchtigt­en Watzmann-Ostwand gelegenes großes Firnfeld aus Eis und Schnee. Genährt wird die tief gelegene Eiskapelle von den großen Lawinen, die im Winter und Frühjahr regelmäßig über die fast zwei Kilometer hohe Wand hinabstürz­en.

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Grau statt weiß: Ausflügler gehen auf Schneerest­en des Schneefern­er-Gletscher auf dem Zugspitzpl­att einen Hang hinauf.

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