Lindauer Zeitung

Wie das Virus die Stadt verändert

- Von Finn Mayer-Kuckuk wirtschaft@schwäbisch­e.de

Das Umsatzplus des Einzelhand­els im Zeitraum von April bis Juni überrascht positiv. Was jedoch zunächst wie eine durchweg gute Nachricht klingt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als zwiespälti­ge Angelegenh­eit. Der Zuwachs fand allein im Versandhan­del statt. Die Läden hatten dagegen wie erwartet wegen Corona kaum Kunden. Vor allem die Bekleidung­sgeschäfte bleiben derzeit auf einer weiteren jahreszeit­lichen Kollektion sitzen. Im Handel hat die Pandemie einen Trend beschleuni­gt, den es vorher schon gab und der sich auch ohne das Virus fortgesetz­t hätte. Die Innenstädt­e werden sich verändern. Statt notwendige­r Ort für Einkäufe werden sie eher eine optionale Erlebniswe­lt. Die Verkäufe finden dagegen im Netz statt, und hier entsteht auch der Löwenantei­l der Umsätze.

Die großen Ketten können in den Städten weiterhin Möglichkei­ten zum Ausprobier­en und Zusammenko­mmen anbieten. Die Kunden können hier Ton und Klang ihres Heimkinos prüfen, bevor sie es sich liefern lassen. Sie können Schuhe anprobiere­n, die später DHL bringt. Sie können ihre Figur vermessen lassen, damit es später einfacher ist, online ein Oberteil zu ordern. Abgerundet durch Essengehen und Kino, bleibt damit die Attraktivi­tät der Fußgängerz­onen zum Teil erhalten.

Die klassische­n Läden, die bisher ihr Geld in den Städten direkt am Kunden verdient haben, werden am meisten leiden. Vermutlich werden die Mieten fallen, sodass Platz für spezieller­e Angebote wird: kleinere Geschäfte mit liebevolle­r Vorauswahl oder Läden für besondere Hobbys, die bisher mehr in Randlagen zu finden waren.

Einen Vorteil haben hier mittelgroß­e Städte mit schönen Fußgängerz­onen, in denen die Inhaber die Läden noch selbst führen. Wenn sie die Immobilie selbst besitzen, wirkt das stabilisie­rend, und sie haben gute Chancen, den Übergang zu schaffen. Doch auch sie müssen sich anpassen und sich an den Gedanken gewöhnen, künftig in erster Linie Erlebnisse anzubieten. Ohne die Verschränk­ung mit digitalen Parallelan­geboten werden junge Kunden künftig ausbleiben.

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