Teure Kippen, Kaffeebecher und Burger-Schachteln
Fast-Food- und To-go-Verpackungen landen oft im Straßenmüll – Umweltministerin will Hersteller zur Kasse bitten
(dpa) - Ein achtlos weg geworfener Zigarettenstummel, ein Kaffeebecher neben dem Mülleimer, eine Plastiktüte im Gebüsch: Die Entsorgung von Plastik- und Verpackungsmüll aus Umwelt und Abfalleimern kostet Stadtreinigungsunternehmen jährlich Millionenbeträge. Allein für Einwegkunststoffe und Zigarettenreste sind es 700 Millionen Euro, wie eine Studie des Bundesumweltministeriums und des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU) berechnet. Geht es nach Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) soll künftig auch die Wirtschaft hierfür blechen müssen. „Ich möchte die Bürgerinnen und Bürger entlasten und die Einwegplastikhersteller stärker zur Kasse bitten. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit“, sagte sie bei der Vorstellung der Studie am Donnerstag in Berlin.
Wie viel Produzenten genau zahlen sollten und wie das Geld eingesammelt werden solle, könne sie im Detail noch nicht sagen, so Schulze. Die Studie sei eine erste Grundlage, um ins Gespräch zu kommen und die ab nächstem Juli geltende EU-Kunststoff-Richtlinie vorzubereiten. Denn: die Untersuchung zeigt, wie groß der Plastikanteil am Müll überhaupt ist. Über ein ganzes Jahr hinweg wurden dazu Daten aus 20 Städten
gesammelt. Das Ergebnis: Plastikund Verpackungsmüll machen im Volumen mehr als zwei Fünftel des Straßenkehrichts aus. Am größten ist dabei mit 22 Prozent der Anteil von Einwegkunststoffen. Metall-, Glas- oder Papierverpackungen machen etwa 17 Prozent aus und ganz selten landen auch andere Kunststoffe, etwa Spielzeuge, im Straßenmüll. Zum Vergleich: knapp die Hälfte des gesamten Mülls machen Straßensplit, Sand und Grünabfälle aus. Laut der Studie umweltbedingte, nicht vermeidbare Abfälle.
VKU-Präsident Michael Ebling sagte bei der Vorstellung der Studie, dass seit Jahren steigende Müllmengen
beobachtet würden. Dies habe auch mit den To-go-Verpackungen zu tun. Auch er wolle deshalb „die in die Pflicht nehmen, die auch für das Verursachen stehen“.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund begrüßte den Vorstoß. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg sagte in „SWR Aktuell“: „Wir haben immer mehr Wegwerfartikel, in manchen Städten eine regelrechte Müllflut in Parks und auf öffentlichen Straßen.“Der Ansatz, dass Hersteller sich an den Entsorgungskosten beteiligen sollen, sei zutreffend, denn für die Bürger werde es teurer. Dass der Verursacher spätere Beseitigungskosten zu tragen habe, sei in allen Bereichen Grundsatz. Auch der Deutsche Städtetag steht hinter der Forderung. Es müsse aber sichergestellt werden, dass das Geld dann vor Ort bei den Kommunen und ihren Entsorgungsbetrieben ankommt.
Ob mit einer finanziellen Beteiligung der Hersteller aber die Gebühren für die Müllentsorgung wirklich gesenkt werden, ist unklar. „Mir reicht es nicht, wenn die Kosten nur anders verteilt werden, wir brauchen auch ein Plus für die Umwelt“, sagte Schulze. Parks und Straßen sollen sauberer werden. Und: es gehe nicht darum, Plastikbecher durch Pappbecher zu ersetzen. „Die Alternative muss Mehrweg sein“, forderte die Ministerin. Genau das will auch die
Deutsche Umwelthilfe (DUH). Ganz konkret fordert der Verein eine „verbindliche Mehrwegquote und Abgabe von mindestens 20 Cent auf Einwegbecher und -Essensboxen“.
Widerstand kommt hingegen aus der Wirtschaft. Zwar sehe die EUKunststoffrichtlinie eine Beteiligung der Produzenten von Einwegplastik an deren Entsorgung vor, so Peter Feller, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie. „Diese gesetzliche Kostenbeteiligungspflicht beim sogenannten Littering stellt allerdings keinen Freibrief für die Kommunen dar, mit extensiven finanziellen Forderungen an die Nahrungsmittelhersteller heranzutreten.“
Die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen warnte gar vor falschen Maßnahmen: „Achtloses Wegwerfen gilt es zu verhindern und nicht zu finanzieren. Wegen ihrer Ökobilanz seien Kunststoffverpackungen zum Mitnehmen zudem oft die bessere Wahl gegenüber Glas, Alu oder Papier. „Daher muss es darum gehen, eine kosteneffiziente Getrenntsammlung im öffentlichen Raum zu fördern, statt einfach Gelder für bestehende Geschäftsmodelle zu generieren und Kunststoff durch andere, womöglich weniger ökologische Materialien zu ersetzen.“