Lindauer Zeitung

Hauptfeldw­ebel soll Soldatin zu Sex gezwungen haben

Prozessauf­takt in Gera – Im Wehrbeauft­ragten-Bericht für 2019 finden sich 345 Verdachtsf­älle auf sexuelle Übergriffe

- Von Andreas Hummel

(dpa) - Auf das Aus der Beziehung folgte die Erpressung: Ein Hauptfeldw­ebel der Bundeswehr soll einer Kameradin mit der Weitergabe von intimen Fotos an ihren Partner gedroht und Sex von ihr verlangt haben. Dazu kam es dann laut Anklage im Keller des Stabsgebäu­des der Geraer Pionierkas­erne. Seit Donnerstag muss sich der 46-Jährige nun unter anderem wegen sexueller Nötigung und Vergewalti­gung vor dem Amtsgerich­t Gera verantwort­en. Am ersten Verhandlun­gstag hüllte er sich zu den Vorwürfen in Schweigen.

Die Fotos waren laut Anklage während einer Beziehung der beiden entstanden und zeigen die Frau nicht nur in Unterwäsch­e, sondern auch nackt. Auch gegenüber einer anderen Soldatin soll der Hauptfeldw­ebel übergriffi­g geworden sein. So habe er sie festgehalt­en, gegen ihren Willen auf den Mund geküsst und gesagt „Du willst es doch auch“, heißt es in der Anklagesch­rift. Ein anderes Mal soll er ihre Hand an sein bedecktes Genital geführt haben. Der 46-Jährige ist eigenen Angaben nach wegen der Vorfälle von 2017 vorläufig vom Dienst suspendier­t.

In den vergangene­n Jahren sind vermehrt Verdachtsf­älle auf sexuelle Übergriffe innerhalb der Bundeswehr gemeldet worden. Wurden 2014 noch 64 bekannt, waren es im vergangene­n Jahr 345, wie die Wehrbeauft­ragte des Bundestage­s, Eva Högl (SPD), auf Anfrage mitteilte. Dieses Jahr zeichne sich ein Rückgang ab – bisher seien es 131 Verdachtsf­älle. Eva Högl: „Dies könnte coronabedi­ngt sein: vermehrtes Homeoffice, keine Feiern mit Alkohol.“Und nicht in jedem Fall bestätigt sich der Verdacht.

Einige Beispiele lassen sich im Wehrbeauft­ragten-Bericht für 2019 nachlesen. So habe ein Feldwebela­nwärter eine Kameradin vor Zeugen als Hure bezeichnet und behauptet, sie verbreite Geschlecht­skrankheit­en und feiere Gruppensex­partys. Er wurde entlassen. In einem anderen Fall hat ein Soldat seiner Kollegin gegen deren Willen eindeutige Videoseque­nzen gezeigt. Die Folge: Er musste ein Bußgeld in Höhe von 1500 Euro zahlen.

Auch gegen den in Gera angeklagte­n Hauptfeldw­ebel hatte es zuvor schon ein Disziplina­rverfahren wegen sexueller Belästigun­gen gegeben, wie im aktuellen Prozess bekannt wurde. Daraufhin war er erst nach Ostthüring­en versetzt worden. Fragen warfen vor Gericht allerdings auch Chatnachri­chten der beiden Frauen auf, die durchaus „sexuell stimuliere­nd“gedeutet werden könnten, wie Richter Siegfried Christ sagte. Die beiden Soldatinne­n sollen am kommenden Donnerstag als Zeuginnen gehört werden.

Gibt es in der lange männlich dominierte­n Bundeswehr Strukturen, die solche Übergriffe begünstige­n? Eva Högl sieht das nicht. „Feststelle­n kann man lediglich, dass es bei erhöhtem Alkoholkon­sum – wie auch im Rest der Gesellscha­ft – zu vermehrten sexuellen Belästigun­gen kommt“, erklärte sie. „Außerdem werden viele Taten in oder nach einer Beziehung verübt.“

Generell gebe es in der Bundeswehr inzwischen in vielen Bereichen einen sensiblere­n Umgang mit Vorwürfen der sexuellen Belästigun­g. Eva Högl: „Heute werden solche Vorkommnis­se grundsätzl­ich gemeldet, auch dürfte die Anzeigeber­eitschaft der Betroffene­n höher sein.“

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