Hauptfeldwebel soll Soldatin zu Sex gezwungen haben
Prozessauftakt in Gera – Im Wehrbeauftragten-Bericht für 2019 finden sich 345 Verdachtsfälle auf sexuelle Übergriffe
(dpa) - Auf das Aus der Beziehung folgte die Erpressung: Ein Hauptfeldwebel der Bundeswehr soll einer Kameradin mit der Weitergabe von intimen Fotos an ihren Partner gedroht und Sex von ihr verlangt haben. Dazu kam es dann laut Anklage im Keller des Stabsgebäudes der Geraer Pionierkaserne. Seit Donnerstag muss sich der 46-Jährige nun unter anderem wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung vor dem Amtsgericht Gera verantworten. Am ersten Verhandlungstag hüllte er sich zu den Vorwürfen in Schweigen.
Die Fotos waren laut Anklage während einer Beziehung der beiden entstanden und zeigen die Frau nicht nur in Unterwäsche, sondern auch nackt. Auch gegenüber einer anderen Soldatin soll der Hauptfeldwebel übergriffig geworden sein. So habe er sie festgehalten, gegen ihren Willen auf den Mund geküsst und gesagt „Du willst es doch auch“, heißt es in der Anklageschrift. Ein anderes Mal soll er ihre Hand an sein bedecktes Genital geführt haben. Der 46-Jährige ist eigenen Angaben nach wegen der Vorfälle von 2017 vorläufig vom Dienst suspendiert.
In den vergangenen Jahren sind vermehrt Verdachtsfälle auf sexuelle Übergriffe innerhalb der Bundeswehr gemeldet worden. Wurden 2014 noch 64 bekannt, waren es im vergangenen Jahr 345, wie die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), auf Anfrage mitteilte. Dieses Jahr zeichne sich ein Rückgang ab – bisher seien es 131 Verdachtsfälle. Eva Högl: „Dies könnte coronabedingt sein: vermehrtes Homeoffice, keine Feiern mit Alkohol.“Und nicht in jedem Fall bestätigt sich der Verdacht.
Einige Beispiele lassen sich im Wehrbeauftragten-Bericht für 2019 nachlesen. So habe ein Feldwebelanwärter eine Kameradin vor Zeugen als Hure bezeichnet und behauptet, sie verbreite Geschlechtskrankheiten und feiere Gruppensexpartys. Er wurde entlassen. In einem anderen Fall hat ein Soldat seiner Kollegin gegen deren Willen eindeutige Videosequenzen gezeigt. Die Folge: Er musste ein Bußgeld in Höhe von 1500 Euro zahlen.
Auch gegen den in Gera angeklagten Hauptfeldwebel hatte es zuvor schon ein Disziplinarverfahren wegen sexueller Belästigungen gegeben, wie im aktuellen Prozess bekannt wurde. Daraufhin war er erst nach Ostthüringen versetzt worden. Fragen warfen vor Gericht allerdings auch Chatnachrichten der beiden Frauen auf, die durchaus „sexuell stimulierend“gedeutet werden könnten, wie Richter Siegfried Christ sagte. Die beiden Soldatinnen sollen am kommenden Donnerstag als Zeuginnen gehört werden.
Gibt es in der lange männlich dominierten Bundeswehr Strukturen, die solche Übergriffe begünstigen? Eva Högl sieht das nicht. „Feststellen kann man lediglich, dass es bei erhöhtem Alkoholkonsum – wie auch im Rest der Gesellschaft – zu vermehrten sexuellen Belästigungen kommt“, erklärte sie. „Außerdem werden viele Taten in oder nach einer Beziehung verübt.“
Generell gebe es in der Bundeswehr inzwischen in vielen Bereichen einen sensibleren Umgang mit Vorwürfen der sexuellen Belästigung. Eva Högl: „Heute werden solche Vorkommnisse grundsätzlich gemeldet, auch dürfte die Anzeigebereitschaft der Betroffenen höher sein.“