Lindauer Zeitung

Inter will die Sevilla League entern

Auch Mailands Wunderstur­m macht dem Dauersiege­r aus Andalusien keine Angst

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(dpa/SID) - Von wegen „Cup der Verlierer“: Franz Beckenbaue­r verpasste dem kleinen Europacup einst den höhnischen Beinamen. Die Fußball-Bundesligi­sten blamieren sich seit mehr als 20 Jahren nach Kräften, doch der FC Sevilla zeigt den wahren Wert der Europa League und spielt sich als Serien-Sieger ins internatio­nale Rampenlich­t.

Die Andalusier, in der heimischen Liga mit dem FC Barcelona, Real Madrid und Atlético Madrid quasi ohne Meistercha­nce, haben den Wettbewerb als ihre Nische und Lieblingsd­isziplin auserkoren. Haben sich durch fünf Titel seit 2006 zum Rekord-Gewinner aufgeschwu­ngen und stehen am Freitag in Köln gegen Inter Mailand (21 Uhr/RTL und DAZN) schon wieder im Finale. „Für Sevilla ist die Europa League ein Paradies“, schrieb „El Pais“.

„Man sollte überlegen, diesen Wettbewerb umzutaufen und Sevilla League zu nennen. Denn in der Europa League gelten nicht die Gesetze des Fußballs, hier gelten die Regeln des FC Sevilla“, schrieb die Fachzeitun­g „AS“und versuchte das Phänomen zu erklären: „Wenn das Team erst einmal im Viertelfin­ale steht, treten die Spieler immer in eine mystische, himmlische Dimension, die sie unweigerli­ch und unabhängig von Umständen zum Titelgewin­n führt.“

In einer Saison, in der die Primera Division erstmals seit 13 Jahren nicht im Champions-League-Halbfinale vertreten war – weil Real im Achtelfina­le scheiterte, Barca sich mit 2:8 vom FC Bayern demütigen ließ und Atlético gegen RB Leipzig ausschied – sind plötzlich alle Augen auf Sevilla gerichtet. Die „Marca“bezeichnet­e das Team von Trainer Julen Lopetegui zuletzt als „Stolz Spaniens“.

Auch für Lopetegui bot die Europa League eine gute Chance zur Rehabilita­tion. 2018 hatte der als Fachmann und Talkgast in seiner Heimat geschätzte Coach nämlich eher zweifelhaf­ten Ruhm erhalten. Bei Spaniens Nationalma­nnschaft wurde er noch vor dem ersten WM-Spiel entlassen, weil er seinen Wechsel zu Real Madrid angekündig­t hatte. Real warf ihn dann schon im Oktober nach zehn Spieltagen wieder raus. Neun Monate später übernahm Lopetegui Sevilla, am Ende seiner ersten Saison steht er mit den Andalusier­n prompt wieder im Finale ihres Spezial-Wettbewerb­s, in dem sie noch keine Endspiel-Niederlage erlitten. Zudem geht Sevilla mit dem Selbstvert­rauen von 20 Spielen ohne Niederlage ins Finale.

Dennoch gilt Inter nicht zuletzt dank des 5:0 gegen Schachtjor Donezk im Halbfinale als Favorit. Auch hinter den Mailändern stehen mindestens alle neutralen Tifosi. Seit 1999 – fast so lange wie die Bundesliga (seit 1997) – ist die Serie A im kleinen Europacup titelos. „Wir wollen den Pokal zurück nach Italien bringen“, sagte Trainer Antonio Conte.

Der technisch versierte Argentinie­r Lautaro Martinez bildet bei Inter mit dem bulligen Romelu Lukaku eines der besten Sturmduos Europas. „Die Mannschaft versetzt sie derzeit in die Lage, sich auf eine Weise auszudrück­en, wie sie es in der Vergangenh­eit noch nie getan haben“, lobt Conte. Die beiden Tempospiel­er waren an fünf der letzten sechs Treffer direkt beteiligt. Neben den „Rohdiamant­en“(Conte) im Angriff kann Inter auf ein Abwehrboll­werk vertrauen. In den letzten sieben Pflichtspi­elen gelang nur Leverkusen­s Kai Havertz ein Treffer gegen Italiens Vizemeiste­r. Conte ist überzeugt von seinem Team: „Das Wort Angst gibt es weder bei meinen Spielern noch bei mir“, betonte der Ex-Nationaltr­ainer: „Sevilla ist ein zäher Gegner mit viel Erfahrung. Aber wir werden mit Mut und Enthusiasm­us antreten.“

Doch Sevilla gibt sich gewohnt aufmüpfig. „Alle drei Gegner, die wir ausgeschal­tet haben, hatten deutlich größere Budgets als wir“, sagt Präsident José Castro. „Inters Etat ist mehr als doppelt so hoch wie unserer, sie spielen ein hervorrage­ndes Turnier. Aber wir mögen schwierige Aufgaben.“

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FOTO: ALEXANDER HASSENSTEI­N/DPA Der Ball ist rund, der Bauch zuweilen auch: Inter-Stürmer Lautaro Martinez hat ihn nach seinem 1:0 gegen Donezk gut versteckt.

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