Brudermord in Hitlers Reich – Der Röhm-Putsch
Arte zeigt eine französische Dokumentation über die „Nacht der langen Messer“
(KNA) - Als „Nacht der langen Messer“ging der Machtkampf zwischen Hitler und seinem langjährigen Freund Ernst Röhm in die Geschichte ein. Seit mehr als einem Jahr an der Macht, schaltete Adolf Hitler seinen Rivalen im Sommer 1934 mit einem Mordkomplott aus, um die eigene Macht zu festigen.
Der Dokumentarfilm „Durch Mord zur absoluten Macht. Hitler dezimiert die SA“von Marie-Pierre Camus und Gerard Puechmorel zeichnet die Ereignisse der Mordserie Ende Juni/Anfang Juli 1934 akribisch mit Bildmaterial aus Archiven in Deutschland und Frankreich sowie dem Steven Spielberg Film and Video Archive nach und ordnet sie mithilfe von Historikern in die Zeitgeschichte ein. Arte strahlt den Film am 25. August um 20.15 Uhr aus.
Ernst Röhm galt lange als der Mann fürs Grobe. Die von ihm geführte SA heizte die Stimmung gegen die Weimarer Republik an und lieferte sich jahrelang Straßenschlachten mit Kommunisten und Sozialdemokraten. Nach der Machtübernahme Hitlers stieg die Mitgliederzahl. Die Organisation wurde zu einer Macht im Staat, die Hitlers Führungsanspruch gefährlich werden konnte.
Nicht nur, weil er der Welt noch ein friedliches Gesicht vorgaukeln wollte. Röhm, Minister in Hitlers Regierung ohne Geschäftsbereich, hatte Ambitionen, das Kriegsministerium zu übernehmen. Vor allem bestand er auf der Einlösung der sozialistisch gefärbten Versprechen aus dem Parteiprogramm der NSDAP von 1920, das umfangreiche Enteignungen von Betrieben vorsah. Daran hatte Hitler kein Interesse. Er arbeitete längst an seinem Plan zur Aufrüstung
Deutschlands, der durch Enteignungen massiv gestört worden wäre.
Aber Röhm war bekannt. Deswegen musste eine passende Legende für Hitlers Vorgehen geliefert werden. Und was passte besser als ein Vorwurf, der in der Weltgeschichte in solchen Situationen Standard ist. Goebbels und Himmler orchestrierten den Sound vom Röhm-Putsch, auch um ihre eigene Macht zu festigen. Der Sieger bezichtigt den Vernichteten, Putschpläne gegen ihn geschmiedet zu haben. Außerdem verunglimpften die Nazis plötzlich Röhm für seine seit Langem bekannte Homosexualität, damals ein Straftatbestand.
Wie viele Männer in diesen Tagen im bayerischen Bad Wiessee, wo sich die Spitze der SA versammelt hatte, und anderen Orten von der SS verhaftet wurden, ist bis heute nicht genau bekannt. Hitler persönlich verhaftete am 1. Juli 1934 seinen Rivalen Röhm im Tagungshotel. Die gesamte Führungsriege der SA wurde wenig später erschossen. Der Säuberungsaktion fielen auch weitere vermeintliche Hitler-Gegner wie Kurt von Schleicher zum Opfer, Hitlers Amtsvorgänger. Ihr Tod war eine Warnung an alle Deutschen, die sich Hitlers Machtanspruch widersetzen wollten.
Göring ordnete die Vernichtung aller Akten zu dieser Mordaktion an. Ihre Rekonstruktion und Wertung ist dennoch möglich. Thomas Mann schätzte sofort in seinem Tagebuch ein: „Nun, immerhin, nach wenig mehr als einem Jahr, beginnt sich der Hitlerismus als das zu erweisen, als was man ihn von jeher sah, erkannte, durchdringend empfand: als das Letzte an Niedrigkeit entarteter Dummheit und blutiger Schmach – es wird klar, daß er sicher und unfehlbar fortfahren wird, sich so zu bewähren.“
In der informativen Dokumentation kommen zahlreiche Historiker zu Wort – Johann Chapoutot von der Sorbonne, Christian Ingrao vom Zentrum für Zeitgeschichte in Paris, Nicolas Patin von der Uni Bordeaux sowie Daniel Siemens und Ulrich Herbert, Experten von den Universitäten in Newcastle und Freiburg. Sie bringen den neuesten Forschungsstand ein und werten die Ereignisse als einen der letzten Bausteine im Streben Hitlers zur absoluten Macht. Die fiel ihm nach dem Tod von Reichspräsident Hindenburg wenige Monate später zu.
Durch Mord zur absoluten Macht. Hitler dezimiert die SA. Regie und Buch: Marie-Pierre Camus und Gerard Puechmorel. Arte, Di. 25.8., 20.15 - 21.45 Uhr.