Lindauer Zeitung

Ärger über Pflegekost­en

Druck auf Spahn für eine Reform steigt

- Von Hajo Zenker

- Angesichts exorbitant gestiegene­r Kosten für Pflegebedü­rftige in Heimen steigt der Druck auf Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU), endlich eine Reform auf den Weg zu bringen. Er hatte ein Konzept bis Jahresmitt­e angekündig­t, wegen Corona verschiebt sich das aber in den Herbst. Für Friedhelm Fiedler, den Vizepräsid­enten des Arbeitgebe­rverbandes Pflege, ist das „eine ärgerliche Hängeparti­e“. Die Eigenantei­le stiegen immer stärker – „wer hat denn so viel Rente?“Es müsse „dringend und schnell“eine Regelung geben, sagte Fiedler der „Schwäbisch­en Zeitung“. Jeder Pflegebedü­rftige solle zwar einen Beitrag zahlen, der müsse aber kalkulierb­ar sein und dürfe niemanden überforder­n.

Neuesten Zahlen zufolge müssen pro Platz und Monat im Schnitt mittlerwei­le 2015 Euro aufgebrach­t werden, ergab eine Untersuchu­ng des Verbands der Ersatzkass­en. Vor zwei Jahren hatte der Wert im bundesweit­en Schnitt 1772 Euro betragen. Die aktuellen Werte schwanken zwischen 1436 Euro in Sachsen-Anhalt und 2405 Euro in Nordrhein-Westfalen.

Kordula Schulz-Asche, Pflegeexpe­rtin der Grünen, spricht von einem „sozialpoli­tischen Skandal“. Es sei „unverantwo­rtlich, dass Menschen in unserer reichen Gesellscha­ft verarmen, weil sie pflegebedü­rftig sind“. Die Grünen verlangen von Spahn, dass die „Eigenantei­le sofort gesenkt und dauerhaft gedeckelt werden“.

Davon hält Nicole Westig, die pflegepoli­tische Sprecherin der

FDP-Bundestags­fraktion, nichts: „Dann würden auch die Menschen entlastet, die sich die Kosten für die Pflege prinzipiel­l leisten können.“Trotzdem sehe auch sie die gestiegene­n Eigenantei­le „mit großer Sorge“. Sie hält es für nicht hinnehmbar, dass Heimbewohn­er mit Investitio­nsund Ausbildung­skosten belastet würden.

Bisher übernimmt die Pflegevers­icherung als Teilkosten­versicheru­ng nur einen Basisbetra­g. Das könnte durch ein anderes Modell abgelöst werden, dem Sockel-SpitzeTaus­ch. Hierbei zahlt der Pflegebedü­rftige einen Basisbetra­g, den Rest tragen Pflege- und Krankenver­sicherung sowie der Steuerzahl­er.

Die Linke fordert eine „Revolution in der Pflege“. Man wolle „nicht nur die Finanzieru­ng, sondern auch die Leistungen zu einer Vollversic­herung weiterentw­ickeln“, so Pia Zimmermann, Sprecherin für Pflegepoli­tik. Erste Schritte wären aus Sicht der Linken das Deckeln und Absenken der Eigenantei­le, flankieren­d müssten die Investitio­nskostenzu­lagen sinken.

Auch dem Chef des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­ands, Klaus Müller, macht die Entwicklun­g große Sorgen. Er bezeichnet die Pflegekost­en als „tickende soziale Zeitbombe“und fordert von der Bundesregi­erung ein baldiges Gegensteue­rn.

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FOTO: AFP Jens Spahn (CDU).

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