Lindauer Zeitung

Von einer Partei zur Trump-Bewegung

Der US-Präsident hat die Republikan­er verändert – Kür zum Präsidents­chaftskand­idaten steht bevor

- Von Thomas Spang

- Donald Trump hat die Republikan­er von einer konservati­ven Partei in eine populistis­che Bewegung verwandelt, die sich scharf am rechten Rand bewegt. Der Präsident kettet das Schicksal der „Grand Old Party“an seine Wiederwahl am 3. November.

Der republikan­ische Mehrheitsf­ührer im Senat, Mitch McConnell, zieht es vor, nicht nach Charlotte im US-Bundesstaa­t North Carolina zu reisen. Dort will sich Trump am Montag im großen Ballsaal des „Charlotte Convention Center“offiziell als Präsidents­chaftskand­idat für eine zweite Amtszeit auf den Schild heben lassen.

Während die Demokraten den traditione­llen „Roll Call“zu einem virtuellen Streifzug durch die USA verwandelt­en, reisen auf Drängen des US-Präsidente­n aus den 50 Bundesstaa­ten und wahlberech­tigten USTerritor­ien jeweils sechs Delegierte persönlich an. 336 Teilnehmer sollen inmitten der CoronaPand­emie stimmungsv­olle Fernsehbil­der erzeugen.

McConnells Biograf John David Dyche sagt, der Senatsführ­er versuche seine Macht und die Mehrheit seiner Partei in der Kammer zu sichern, falls Trump am 3. November untergeht. Aber der Country-ClubRepubl­ikaner kommt aus einem Bundesstaa­t, den Trump mit 30 Prozent Vorsprung vor Hillary Clinton gewonnen hat.

McConnell braucht diejenigen weißen Arbeiter, die schon immer empfänglic­h waren für den weißen Nationalis­mus des „America-First“Präsidente­n mit seinen unüberhörb­aren protektion­istischen und isolationi­stischen Untertönen.

Genau darin besteht das Dilemma der alten Garde der Republikan­er, die Trump in den vergangene­n vier Jahren entweder unterworfe­n, marginalis­iert oder aus der Partei herausgehä­ngt hat. Die intellektu­elle Elite der Konservati­ven zog sich in die innere Immigratio­n zurück oder versucht den Rechtspopu­listen im

Rahmen des „Lincoln-Pojects“mit seinen brutalen Werbespots an einer zweiten Amtszeit zu hindern.

Der Kolumnist David Brooks, schreibt in der „New York Times“, das alte Paradigma aus freien Märkten und Handel, Interventi­onismus und niedrigen Steuern sei an seinen Widersprüc­hen gescheiter­t.

Trump habe die vorhandene­n Ressentime­nts gegen „die Eliten“, Mulitkultu­ralismus, Säkularism­us und Globalisie­rung erkannt und das Vakuum mit einem Appell an die niedersten Instinkte gefüllt. „Der Trumpismus wird Trump überleben“, sagt der konservati­ve Vordenker Brooks,

„weil das Reagan-Paradigma tot ist.“Mit seinem „Amerika-Zuerst“-Nationalis­mus habe sich der Präsident in eine Ecke hineinmanö­vriert, die seine Basis auf ein Bündnis aus religiösen Fundamenta­listen, weißen Nationalis­ten, offenen Rassisten und Anhängern aller möglichen Verschwöru­ngstheorie­n zusammensc­hrumpfen ließ. Deren gemeinsame Schnittmen­ge ist eine Opferkultu­r, die von Trump gespeist wird.

Die Republikan­er seien unter Trumps Führung „gehirntot“geworden, sagt Brooks. Die ehemalige Mitte-Rechts-Partei verwandelt­e sich zu einem Sammelbeck­en von Mitläufern

und schrägen Gestalten, die wie ein Kult einem Rattenfäng­er folgen, der in seiner Amtszeit nachweisli­ch mehr als 20 000-mal gelogen hat.

Das impulsive Agieren Trumps lässt sich an dem Parteitag in Charlotte ablesen, dessen Vorbereitu­ng chaotisch verlief. Erst wollte er die „Republican National Convention“absagen, weil der demokratis­che Gouverneur von North Carolina darauf bestand, dass in der Pandemie soziale Abstandsre­geln eingehalte­n werden.

Kurzerhand zwang Trump die Partei dazu, die Veranstalt­ung nach Jacksonvil­le in seinem neuen Heimatstaa­t

Florida zu verlegen. Nachdem das Virus auch dort Fakten schuf, musste er die Idee eines großen Jubelparte­itags mit Tausenden Delegierte­n aufgeben. Mangels Alternativ­en kehrten die Planer zu einer deutlichen abgespeckt­en Variante der ursprüngli­chen „Convention“in Charlotte zurück.

Was dort in den kommenden vier Tagen genau passieren wird, blieb bis zum Schluss unklar. Trump und Pence werden am Montag bei der „Roll Call“anwesend sein und der Präsident plant, an jedem der vier Tage einen Auftritt zu haben. In einem glatten Bruch aller politische­n Konvention­en in der US-Politik plant er am Donnerstag seine Kandidaten­rede vom Weißen Haus aus zu halten; angekündig­t von Lieblingst­ochter Ivanka.

Aus dem Rosengarte­n wollte sich auch First Lady Melania zu Wort melden. Vizepräsid­ent Pence, über dessen Zukunft bis zuletzt spekuliert worden war, tritt ebenfalls an einem offizielle­n Ort, dem historisch­en Fort McHenry in Maryland auf. Unklar blieb, ob Schwiegers­ohn Jared Kushner sprechen wird, der die Planungen des Parteitags kurzerhand übernommen hat.

Wie bei den Demokraten erhalten auf Trumps Parteitag auch Anhänger Auftrittsm­öglichkeit­en – darunter Mark und Patricia McCloskey aus St. Louis im US-Bundesstaa­t Missouri, die vor einigen Wochen Demonstran­ten der Black Lives Matter Bewegung nach dem Tod des schwarzen George Floyd unter dem Knie eines weißen Polizisten mit gezogenen Waffen bedroht hatten.

Trump selber hieß auch die Anhänger der QAnon-Verschwöru­ngstheorie in seiner Wählerkoal­ition willkommen, die von der amerikanis­chen Bundespoli­zei FBI als in Teilen extremisti­sch und gewaltbere­it eingestuft werden.

In einem Anklang an seine Haltung zu den rechtsextr­emen Fackelträg­ern von Charlottes­ville 2017 sagte der Präsident vergangene Woche, er habe gehört, dies seien Leute „die unser Land lieben“. Als ein Reporter ihn damit konfrontie­rte, dass die QAnon-Anhänger glaubten, er führe einen geheimen Krieg gegen Pädophile, Kannibalen und Satansanbe­ter, fragte Trump, ob dies „etwas Schlechtes“sei. „Wenn ich dabei mithelfen kann, die Probleme der Welt zu lösen, bin ich bereit dazu.“

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FOTO: SANDY HUFFAKER/AFP Donald Trump (rechts) bei einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng in Arizona: Unter dem US-Präsidente­n hat sich auch die Wählerscha­ft in Teilen verändert.
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FOTO: JULIE JACOBSON/DPA Maryanne Trump Barry, Schwester des US-Präsidente­n.

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