Ein Fall für Ötzi
Im Ötztal stürzt der Horlachbach 159 Meter in die Tiefe
also ohne die Brücken und Stufen des normalen Gehweges zu kreuzen.
Auf einer Bank in der Nähe der obersten Aussichtsplattform sitzt Ulrike Negwer und ruht sich aus. Die Urlauberin aus Düsseldorf hat den Klettersteig gerade hinter sich gebracht, es war der erste ihres Lebens. „Das war schon eine Herausforderung“, berichtet sie. „Es gab zwei, drei richtige Steilstücke.“Am Ende des Steigs, der als leicht bis mittelschwer eingestuft und für Kinder ab zehn Jahren empfohlen ist, kann man spektakulär und fotogen an einem Seil über dem oberen Ende des Wasserfalls entlangbalancieren. Wie lang sie für die Route gebraucht hat, kann die Klettersteig-Novizin gar nicht sagen. „Ich war total zeitlos.“
Ganz ohne Kletterausrüstung kann man von hier nach Niederthai weiterwandern, zu einem idyllischen Bergdorf mit mehreren Einkehrmöglichkeiten. Oder auf dem gleichen Weg ins Tal zurückkehren. Dann kommt man kurz vor dem Ort zu einer Ansammlung fensterloser Hütten aus Lehm und Holz – und damit zurück zu Ötzi. Denn Umhausen ist der Standort des „Ötzi-Dorfes“, eines Freilichtmuseums, in dem Besuchern die Lebenswelt der Jungsteinzeit nahegebracht wird. Ötzi selbst mag zwar, wegen seines Fundortes wenige Meter südlich der österreichisch-italienischen Grenze, im Museum in Bozen liegen – touristisch verwertet wird er aber auch hier in dem Tal, das ihm seinen Namen gab.
Doris Grüner führt Besucher durch das Freilichtmuseum und zeigt, wie Ötzi und seine Zeitgenossen gekleidet waren, wie sie Feuer und Werkzeuge machten, wie sie ihre Toten bestatteten. Außerdem sei die Anlage bereits Filmkulisse gewesen, erzählt sie. „Der Film ,Der ÖtztalMann und seine Welt' ist hier gedreht worden“, berichtet Grüner. „Der kommt jedes Jahr wieder auf ORF“. Ergänzt wird das Ötzi-Dorf durch einen Greifvogelpark direkt nebenan, in dem unter anderem das Tiroler Wappentier, der Adler, präsentiert wird, aber auch Falken, Bussarde, Geier, Raben und Eulen. Während der täglichen Vorführungen sausen die Tiere teils im Tiefflug über die Köpfe des Publikums hinweg. Sie werden auch für die Jagd trainiert. Wanderer, die sich auf den Weg zum Stuibenfall machen, können also durchaus schon einmal einen Greifvogel über sich kreisen sehen. Ein Anblick, der schon Ötzi nicht fremd gewesen sein dürfte.
Der Stuibenfall ist jeden Mittwoch nachts beleuchtet. An diesen Tagen werden geführte Nachtwanderungen ab Umhausen und ab Niederthai angeboten. Kosten: vier Euro, Reservierung bei den Tourismusbüros nötig.
Die Recherche wurde unterstützt vom Tourismusverband Ötztal.
Alle Beiträge der „Sommerzeit“Serie finden Sie auch online unter www.schwäbische.de/sommerzeit.