Alle um einen großen Tisch versammelt
Umfrage beleuchtet Essverhalten in Familien – Zusammen gegessen wird vor allem abends und am Wochenende
(KNA) - Es gehört zu den Idealbildern des Familienlebens und gilt auch als gesünder: das gemeinsame Essen. Doch wie steht es darum eigentlich in Deutschland? Eine Aktion des Deutschen Kinderhilfswerks mit Unterstützung der Aldi Nord Stiftungs GmbH offenbarte in den vergangenen Jahren, dass viele Kinder in ihren Familien keine ausgeprägten Essensrituale vermittelt bekämen. Dem wollten die Beteiligten auf den Grund gehen und beauftragten das Meinungsforschungsinstitut Forsa mit einer Umfrage. Das Ergebnis: Es existieren Unterschiede zwischen Ost und West, aber auch nach Bildungsgrad der Eltern und Alter der Kinder.
Nimmt man zum Beispiel das Frühstück, so gibt ein Drittel der befragten Erziehungsberechtigten aus den ostdeutschen Bundesländern an, an keinem Werktag gemeinsam mit ihren Kindern zu essen. In den westdeutschen Bundesländern ist es dagegen nur rund ein Viertel. Als Erklärung führen die Studienautoren an, dass es in Ostdeutschland im Vergleich mehr berufstätige Mütter und Alleinerziehende gebe.
Unter den Erziehungsberechtigten mit Hauptschulabschluss erklärte nur knapp die Hälfte, an jedem Werktag gemeinsam mit dem Kind zu frühstücken. Bei den Befragten mit Abitur oder Hochschulabschluss waren es dagegen 60 Prozent.
Befragt wurden für die am Montag veröffentlichte Studie „Essensrituale von Familien in Deutschland“rund 1000 Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 14 Jahren sowie deren Erziehungsberechtigte – allerdings schon im Februar. Die Renaissance insbesondere des gemeinsamen Frühstücks und Mittagessens unter Corona-Bedingungen mit geschlossenen Schulen und Kitas wird daher noch nicht abgebildet. Bekanntermaßen wurden ja viele Familien
zuletzt wieder häufiger am heimischen Esstisch zusammengebracht.
Ob sich das auch auf das OstWest-Gefälle ausgewirkt hat, bleibt einstweilen unbeantwortet. Vor Corona zeigte sich dieses besonders deutlich beim Mittagessen: Während 65 Prozent der Kinder und Jugendlichen aus ostdeutschen Bundesländern angaben, an keinem Schul- oder Werktag diese Mahlzeit mit der Familie einzunehmen, waren es in Westdeutschland nur 28 Prozent. Ein wesentlicher Faktor dürfte dabei die im Osten traditionell viel höhere Betreuungsquote in Kita, Hort oder Ganztagsschule sein.
Bleibt noch das Abendessen als alltägliche Familienmahlzeit: Hier zeigen sich laut Studie größere Unterschiede in Abhängigkeit vom Alter der Kinder. Unter den 6- bis 9-Jährigen gaben demnach 84 Prozent an, unter der Woche gemeinsam mit ihrer Familie zu essen. Unter
den 10- bis 14-Jährigen waren es nur 67 Prozent. Nicht erhoben wurde dabei, wo die Älteren stattdessen speisen, also ob sie zum Beispiel bei Freunden zu Hause oder unterwegs mit Freunden essen. Lapidar merken die Autoren lediglich an, dass die niedrigere Quote steigender Unabhängigkeit und Selbstbestimmung mit zunehmendem Alter entspreche.
Immerhin: Am Wochenende finden offenkundig noch weitaus mehr Familien zur gleichen Zeit den Weg an den Esstisch. Wobei auch hier durch alle Mahlzeiten hindurch gilt, dass die jüngeren Kinder noch deutlich häufiger zusammen mit den Eltern essen als die unabhängigeren älteren. Alleinerziehenden gelingt es laut Studie im Vergleich zudem seltener, an beiden Wochenendtagen gemeinsam mit ihren Kindern zu essen.
Um die Tischsitten ist es aus Sicht des Kinderhilfswerks großteils ganz gut bestellt. Drei Viertel der Kinder und Jugendlichen gaben etwa an, dass erst gegessen wird, wenn alle am Tisch sitzen. Fast ebenso viele lassen sich Zeit beim Essen (72 Prozent). Und 60 Prozent bleiben nach eigenen Angaben am Tisch sitzen, bis jeder mit dem Essen fertig ist. Nur 14 Prozent sagten dagegen, dass am Tisch Mobiltelefone genutzt würden, und nur 11 Prozent, dass der Fernseher beim Essen eingeschaltet sei.
Eine Erhebung des Robert KochInstituts für die Jahre 2015 bis 2017 war zu dem Schluss gekommen, dass Familien – mit Ausnahme des Mittagessens – im Vergleich zu 2006 häufiger zusammen essen. In wohlhabenderen Familien geschieht dies demnach häufiger als in ärmeren. Und aus den damaligen Daten ging hervor, dass übergewichtige Kinder und Jugendliche seltener gemeinsam mit der Familie essen als solche ohne Übergewicht.