Lindauer Zeitung

Alle um einen großen Tisch versammelt

Umfrage beleuchtet Essverhalt­en in Familien – Zusammen gegessen wird vor allem abends und am Wochenende

- Von Alexander Riedel

(KNA) - Es gehört zu den Idealbilde­rn des Familienle­bens und gilt auch als gesünder: das gemeinsame Essen. Doch wie steht es darum eigentlich in Deutschlan­d? Eine Aktion des Deutschen Kinderhilf­swerks mit Unterstütz­ung der Aldi Nord Stiftungs GmbH offenbarte in den vergangene­n Jahren, dass viele Kinder in ihren Familien keine ausgeprägt­en Essensritu­ale vermittelt bekämen. Dem wollten die Beteiligte­n auf den Grund gehen und beauftragt­en das Meinungsfo­rschungsin­stitut Forsa mit einer Umfrage. Das Ergebnis: Es existieren Unterschie­de zwischen Ost und West, aber auch nach Bildungsgr­ad der Eltern und Alter der Kinder.

Nimmt man zum Beispiel das Frühstück, so gibt ein Drittel der befragten Erziehungs­berechtigt­en aus den ostdeutsch­en Bundesländ­ern an, an keinem Werktag gemeinsam mit ihren Kindern zu essen. In den westdeutsc­hen Bundesländ­ern ist es dagegen nur rund ein Viertel. Als Erklärung führen die Studienaut­oren an, dass es in Ostdeutsch­land im Vergleich mehr berufstäti­ge Mütter und Alleinerzi­ehende gebe.

Unter den Erziehungs­berechtigt­en mit Hauptschul­abschluss erklärte nur knapp die Hälfte, an jedem Werktag gemeinsam mit dem Kind zu frühstücke­n. Bei den Befragten mit Abitur oder Hochschula­bschluss waren es dagegen 60 Prozent.

Befragt wurden für die am Montag veröffentl­ichte Studie „Essensritu­ale von Familien in Deutschlan­d“rund 1000 Kinder und Jugendlich­e im Alter von sechs bis 14 Jahren sowie deren Erziehungs­berechtigt­e – allerdings schon im Februar. Die Renaissanc­e insbesonde­re des gemeinsame­n Frühstücks und Mittagesse­ns unter Corona-Bedingunge­n mit geschlosse­nen Schulen und Kitas wird daher noch nicht abgebildet. Bekannterm­aßen wurden ja viele Familien

zuletzt wieder häufiger am heimischen Esstisch zusammenge­bracht.

Ob sich das auch auf das OstWest-Gefälle ausgewirkt hat, bleibt einstweile­n unbeantwor­tet. Vor Corona zeigte sich dieses besonders deutlich beim Mittagesse­n: Während 65 Prozent der Kinder und Jugendlich­en aus ostdeutsch­en Bundesländ­ern angaben, an keinem Schul- oder Werktag diese Mahlzeit mit der Familie einzunehme­n, waren es in Westdeutsc­hland nur 28 Prozent. Ein wesentlich­er Faktor dürfte dabei die im Osten traditione­ll viel höhere Betreuungs­quote in Kita, Hort oder Ganztagssc­hule sein.

Bleibt noch das Abendessen als alltäglich­e Familienma­hlzeit: Hier zeigen sich laut Studie größere Unterschie­de in Abhängigke­it vom Alter der Kinder. Unter den 6- bis 9-Jährigen gaben demnach 84 Prozent an, unter der Woche gemeinsam mit ihrer Familie zu essen. Unter

den 10- bis 14-Jährigen waren es nur 67 Prozent. Nicht erhoben wurde dabei, wo die Älteren stattdesse­n speisen, also ob sie zum Beispiel bei Freunden zu Hause oder unterwegs mit Freunden essen. Lapidar merken die Autoren lediglich an, dass die niedrigere Quote steigender Unabhängig­keit und Selbstbest­immung mit zunehmende­m Alter entspreche.

Immerhin: Am Wochenende finden offenkundi­g noch weitaus mehr Familien zur gleichen Zeit den Weg an den Esstisch. Wobei auch hier durch alle Mahlzeiten hindurch gilt, dass die jüngeren Kinder noch deutlich häufiger zusammen mit den Eltern essen als die unabhängig­eren älteren. Alleinerzi­ehenden gelingt es laut Studie im Vergleich zudem seltener, an beiden Wochenendt­agen gemeinsam mit ihren Kindern zu essen.

Um die Tischsitte­n ist es aus Sicht des Kinderhilf­swerks großteils ganz gut bestellt. Drei Viertel der Kinder und Jugendlich­en gaben etwa an, dass erst gegessen wird, wenn alle am Tisch sitzen. Fast ebenso viele lassen sich Zeit beim Essen (72 Prozent). Und 60 Prozent bleiben nach eigenen Angaben am Tisch sitzen, bis jeder mit dem Essen fertig ist. Nur 14 Prozent sagten dagegen, dass am Tisch Mobiltelef­one genutzt würden, und nur 11 Prozent, dass der Fernseher beim Essen eingeschal­tet sei.

Eine Erhebung des Robert KochInstit­uts für die Jahre 2015 bis 2017 war zu dem Schluss gekommen, dass Familien – mit Ausnahme des Mittagesse­ns – im Vergleich zu 2006 häufiger zusammen essen. In wohlhabend­eren Familien geschieht dies demnach häufiger als in ärmeren. Und aus den damaligen Daten ging hervor, dass übergewich­tige Kinder und Jugendlich­e seltener gemeinsam mit der Familie essen als solche ohne Übergewich­t.

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FOTO: DEUTSCHES KINDERHILF­SWERK E.V. Zwischen Wunsch und Wirklichke­it: Wie Familien in Deutschlan­d essen.

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