Abenteuer Flusswandern
Das Paddeln auf der Iller ist sehr beliebt – Doch der Fluss ist nicht zu unterschätzen
- Bier trinkende Menschen auf Schlauchbooten dicht an dicht. Die Isar ist abschnittsweise zum Partyfluss geworden. Auch die Iller, die sich durch das Oberallgäu und Kempten schlängelt, erfreut sich großer Beliebtheit. Haben wir hier bereits Isar-Verhältnisse? Das soll ein Boots-Ausflug zeigen. Eines jedenfalls steht fest: Der Fluss ist nicht zu unterschätzen.
Ein sommerlicher Samstagvormittag. Eine Gruppe junger Männer in Neoprenanzügen sitzt an einer Einstiegsstelle in Fischen auf Steinen in der Iller. Selbst im Hochsommer ist sie selten wärmer als 12 Grad. Wenig später holen die Männer ihre Kanus, setzen sich Helme auf und los geht die Fahrt.
Mehrere professionelle Anbieter bieten Touren auf der Iller an und zeigen den Teilnehmern, auf was diese achten müssen. Michael Pruß zum Beispiel hat seine Firma „Spirits of Nature“bereits vor 22 Jahren gegründet. Die Nachfrage ist aktuell sehr hoch, sagen er und seine Frau Gundula. Auch, weil gerade so viele Urlauber im Allgäu Station machen.
Die Gruppe junger Männer ist nicht mehr zu sehen. Die eigene Fahrt startet – mit drei aufblasbaren Kajaks und vier erfahrenen Flusspaddlern. „Wenig Wasser heute“, sagt einer von ihnen. Später kommen wir an einer Brücke vorbei mit einer Messlatte. Die Wasseroberfläche schwappt um die 80 Zentimeter.
Wie auf der Straße heißt es: Vorausschauend fahren! Das erfordert stete Konzentration. Weiß-kräuselndes Wasser kündigt Gefahrenstellen an. Je nach Pegelstand stechen mehr oder weniger Felsen aus dem Fluss heraus. Die gilt es zu umfahren. Wegen dieser spitzen Steine sei es wichtig, gutes Material zu verwenden, sagt Gundula Pruß: Billige Luftmatratzen oder Schlauchboote platzten bisweilen und gehen unter.
Man könnte meinen, ein Wasserfall naht. Doch das Rauschen kündigt lediglich eine kleine Stufe an. Die erfahrenen Paddler wollen sich die Stelle erst anschauen, bevor sie passieren. Sie navigieren die Boote ans Ufer und gehen zu Fuß ein paar Meter weiter, von wo aus sie die Stelle überblicken. „Wir müssen mittig fahren“, lautet das Ergebnis.
Ausrüstung Wenn Gundula und Michael Pruß von „Spirits of Nature“mit ihren Gruppen auf der Iller paddeln, sind Helm und Neopren Pflicht. Letzteres selbst bei hochsommerlichen Temperaturen – oder gerade dann: Wenn der Körper aufgeheizt ist, das Boot kentert und man ins zehn bis zwölf Grad kalte Wasser fliegt, ist der Schock groß. Es kann sogar zum Herzinfarkt kommen. Vorbereitung „Man muss sich über den Fluss informieren“, sagen Gundula und Michael Pruß. Zudem sollte man wissen, wie man sich in Extremsituationen richtig verhält.
Gegen Mittag ziehen Wolken vor die Sonne. Aus dem Fluss ragen mehrere Steine nacheinander empor. Es wird knapp, das Boot kentert nicht, aber ein Schwall kaltes Wasser schwappt bei dem Manöver hinein.
Auf dem ersten Abschnitt sind vornehmlich Paddler mit professioneller Ausrüstung unterwegs. Der am meisten befahrene Abschnitt ist nach Angaben der Sonthofener Flussmeister zwischen Blaichach und dem nördlichen Immenstadt. Ihnen zufolge hat das Bootfahren auf der Iller nach dem Corona-Lockdown wieder zugenommen, sagt Toni Schuwerk, beim Wasserwirtschaftsamt fürs Oberallgäu und Kempten zuständig. Allerdings nicht stärker als im Sommer in den Jahren
Je nach Wasserstand verändert sich die Schwierigkeit. Ab Hochwasserstufe eins darf man die Iller nicht befahren. Die Pegelstände gibt es online unter www.hnd.bayern.de
Allgemein Baden in der Iller ist nur im Oberallgäu, nicht aber im Kemptener Stadtgebiet erlaubt. Zelten am Fluss ist nirgends gestattet. In Landschaftsschutzgebieten muss auf Tiere Rücksicht genommen werden, an manchen Stellen ist das Betreten verboten. Laut Wasserwirtschaftsamt lassen immer mehr Menschen ihren Müll liegen – ein negativer Trend. (jaj) zuvor. Mittlerweile haben sich die Wolken am Himmel verzogen. Auf dem Kiesstrand Höhe Wasserskilift in Blaichach breitet eine Familie gerade ihre Handtücher aus. Ein paar andere haben sich ihren Platz bereits gesichert. Am heißen Sonntag in der Woche zuvor herrschte hier deutlich mehr Betrieb. Auch auf dem Wasser. Da fuhr ein Boot nach dem anderen vorbei. Mehrere Achter-Gruppen in voller Montur – sogar mit Mundschutz. Dahinter barbusige Kanutinnen. Und ein Schlauchboot: Darauf junge Leute in Bikinis und Badehosen mit Dosenbier in der Hand und lauter Musik an Bord.
Eine solche Gruppe ist auch an diesem Wochenende unterwegs. Zwischen Seifen und Martinszell dröhnen Männerstimmen über den Fluss. „And after all, you’re my wonderwall“, singen sie den Hit der Band Oasis mit und lassen sich treiben. Auf mehreren ähnlichen Wassergefährten strömen etwa 20 Feiernde flussabwärts – im Schlepptau ein aufblasbarer Flamingo sowie ein Alpaka. Derartige Gruppen sind immer wieder zu beobachten, sagt Michael Pruß. Besonders bei Junggesellenabschieden seien Bootsausflüge beliebt. Aber Isar-Verhältnisse? „Nein, die haben wir noch lange nicht.“
Endstation Martinszell. Inklusive Pausen hat die 25 Kilometer lange Tour etwa sieben Stunden gedauert. An mehreren Stellen mussten die Boote um gefährliche Stellen getragen werden. Diese Anstrengung macht das Erlebnis aber wett: Vom Wasser aus zeigt sich die Landschaft von einer besonders schönen Seite.