Volle Berge – schlechte Geschäfte
Berghütten in Bayern dürfen Kapazitäten wegen Corona bloß zur Hälfte ausschöpfen
- Der Deutsche Alpenverein (DAV) meldete unlängst, dass „die Berge voll sind“. Das gilt auch für die 68 Berg- und Schutzhütten in Bayern. Wer am Wochenende kurzentschlossen eine Übernachtung auf dem Berg plant, hat in der Regel Pech: „Wer spontan auf einer Hütte übernachten will, wird dort garantiert abgewiesen“, sagt DAV-Sprecher Thomas Bucher. Trotzdem rechnen die DAV-Sektionen, die Hütten in Bayern unterhalten, finanziell mit einem sehr schlechten Jahr.
So zum Beispiel die DAV-Sektion Augsburg, der die Otto-Mayr-Hütte in den Tannheimer Bergen gehört. Die Gästezahlen seien in diesem Jahr um etwa ein Drittel zurückgegangen, sagt Sektions-Vorsitzender Thomas John. Den Einbruch versuche man, zusammen mit der Pächterin zu schultern. Für den Rest des Jahres sieht John keine Chancen, den Rückgang wieder aufzuholen. Auch wenn der DAV Augsburg nicht „auf Biegen und Brechen zur Umsatzmaximierung gezwungen“sei, werde man wirtschaftliche Einbrüche „nicht mal eben so abpuffern“können.
Wegen der Corona-Epidemie und den daraus folgenden Hygieneauflagen dürfen die Übernachtungskapazitäten der Hütten nur zwischen 25 und 50 Prozent ausgenutzt werden, erläutert Hanspeter Mair, DAV-Geschäftsbereichsleiter für Alpine Raumordnung. Am vergangenen Montag traf sich die Spitze des fast 1,4 Millionen Mitglieder zählenden DAV mit Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), der sich in der Corona-Krise schon seit Längerem besonders um Gastronomie, Hotellerie und Tourismus sorgt. Am Ende des Gesprächs stand Aiwangers Zusage, die Hüttenbelegung „mit Blick auf die Herbstsaison zu optimieren, ohne Hygienerisiken einzugehen“.
Man wolle die für die Berghütten geltenden Hygienekonzepte mit „Praxis-Checks“noch einmal genau unter die Lupe nehmen, ob nicht doch noch ein wenig mehr gehe, sagte Mair. Der DAV interpretiert den Minister generell so, dass Staatsgelder fließen könnten, wenn eine DAV-Sektion durch die Einbußen in ihrer Hütte in finanzielle Schieflage gerät. Der Alpenverein stellt sich dazu einen „Hilfsfonds zur Existenzsicherung“für den Hüttenbetrieb sowie finanzielle Unterstützung bei coronabedingten Umbaumaßnahmen vor.
321 Hütten sind im Besitz der DAV-Sektionen. In Bayern befinden sich 66, in Österreich 183, eine in der Schweiz, 70 in den deutschen Mittelgebirgen und im französischen Mittelgebirge eine. So betreibt die Sektion München gleich mehrere große Häuser in den bayerischen und österreichischen Bergen, darunter das auf der Zugspitze. Das Spektrum reicht von kleinen Selbstversorgerhütten wie etwa die von der Sektion Regensburg betriebene Hanselberghütte im Oberpfälzer Jura bis zur Berliner Hütte der Sektion Berlin mit ihren 168 Betten in den Zillertaler Alpen – die einzige Berghütte, die unter Denkmalschutz steht. Nicht immer stimmen Name und Eigentümer der Hütte überein. So steht die Geraer Hütte in Tirol im Eigentum der DAV-Sektion Landshut.
Sektionen, die Hütten in Österreich betreiben, sind in diesem Jahr deutlich besser dran. Die Kapazitäten können voll ausgenutzt werden und die Maskenpflicht wird lax bis gar nicht gehandhabt, wie Bergtouristen beobachten. In bayerischen Hütten hingegen herrschen Einbahnregelungen,
ein weitreichendes Maskengebot und Akkreditierungspflicht. Decken werden aus Hygienegründen auch nicht mehr gestellt, sondern müssen mitgebracht werden.
Die unterschiedliche Behandlung der Gäste in den bayerischen und österreichischen Alpen sei „schwer vermittelbar“, räumt Hanspeter Mair vom DAV ein. Corona scheine in den österreichischen Bergen keine Rolle mehr zu spielen. „Gelockerte Maßnahmen in Anlehnung an die österreichischen Regeln“stehen daher auch auf der Wunschliste, die der DAV mit einem Brandbrief der bayerischen Staatsregierung zusandte.
Der Aufweichung von Anti-Corona-Regeln „rein aus wirtschaftlichen Gründen“steht der Augsburger Sektionschef John allerdings skeptisch gegenüber: „Wir wollen nicht den Namen einer unserer Hütten mit der Überschrift ,Ischgl 2’ in den Medien sehen.“Sinnvoller wäre es, wenn Hütten betreibende Vereine und Pächter „eine gewisse staatliche Unterstützung“bekommen würden. Letztlich sei die vom DAV bereitgestellte Infrastruktur Zugpferd für die gesamte Alpenregion.