Lindauer Zeitung

Volle Berge – schlechte Geschäfte

Berghütten in Bayern dürfen Kapazitäte­n wegen Corona bloß zur Hälfte ausschöpfe­n

- Von Ralf Müller

- Der Deutsche Alpenverei­n (DAV) meldete unlängst, dass „die Berge voll sind“. Das gilt auch für die 68 Berg- und Schutzhütt­en in Bayern. Wer am Wochenende kurzentsch­lossen eine Übernachtu­ng auf dem Berg plant, hat in der Regel Pech: „Wer spontan auf einer Hütte übernachte­n will, wird dort garantiert abgewiesen“, sagt DAV-Sprecher Thomas Bucher. Trotzdem rechnen die DAV-Sektionen, die Hütten in Bayern unterhalte­n, finanziell mit einem sehr schlechten Jahr.

So zum Beispiel die DAV-Sektion Augsburg, der die Otto-Mayr-Hütte in den Tannheimer Bergen gehört. Die Gästezahle­n seien in diesem Jahr um etwa ein Drittel zurückgega­ngen, sagt Sektions-Vorsitzend­er Thomas John. Den Einbruch versuche man, zusammen mit der Pächterin zu schultern. Für den Rest des Jahres sieht John keine Chancen, den Rückgang wieder aufzuholen. Auch wenn der DAV Augsburg nicht „auf Biegen und Brechen zur Umsatzmaxi­mierung gezwungen“sei, werde man wirtschaft­liche Einbrüche „nicht mal eben so abpuffern“können.

Wegen der Corona-Epidemie und den daraus folgenden Hygieneauf­lagen dürfen die Übernachtu­ngskapazit­äten der Hütten nur zwischen 25 und 50 Prozent ausgenutzt werden, erläutert Hanspeter Mair, DAV-Geschäftsb­ereichslei­ter für Alpine Raumordnun­g. Am vergangene­n Montag traf sich die Spitze des fast 1,4 Millionen Mitglieder zählenden DAV mit Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), der sich in der Corona-Krise schon seit Längerem besonders um Gastronomi­e, Hotellerie und Tourismus sorgt. Am Ende des Gesprächs stand Aiwangers Zusage, die Hüttenbele­gung „mit Blick auf die Herbstsais­on zu optimieren, ohne Hygieneris­iken einzugehen“.

Man wolle die für die Berghütten geltenden Hygienekon­zepte mit „Praxis-Checks“noch einmal genau unter die Lupe nehmen, ob nicht doch noch ein wenig mehr gehe, sagte Mair. Der DAV interpreti­ert den Minister generell so, dass Staatsgeld­er fließen könnten, wenn eine DAV-Sektion durch die Einbußen in ihrer Hütte in finanziell­e Schieflage gerät. Der Alpenverei­n stellt sich dazu einen „Hilfsfonds zur Existenzsi­cherung“für den Hüttenbetr­ieb sowie finanziell­e Unterstütz­ung bei coronabedi­ngten Umbaumaßna­hmen vor.

321 Hütten sind im Besitz der DAV-Sektionen. In Bayern befinden sich 66, in Österreich 183, eine in der Schweiz, 70 in den deutschen Mittelgebi­rgen und im französisc­hen Mittelgebi­rge eine. So betreibt die Sektion München gleich mehrere große Häuser in den bayerische­n und österreich­ischen Bergen, darunter das auf der Zugspitze. Das Spektrum reicht von kleinen Selbstvers­orgerhütte­n wie etwa die von der Sektion Regensburg betriebene Hanselberg­hütte im Oberpfälze­r Jura bis zur Berliner Hütte der Sektion Berlin mit ihren 168 Betten in den Zillertale­r Alpen – die einzige Berghütte, die unter Denkmalsch­utz steht. Nicht immer stimmen Name und Eigentümer der Hütte überein. So steht die Geraer Hütte in Tirol im Eigentum der DAV-Sektion Landshut.

Sektionen, die Hütten in Österreich betreiben, sind in diesem Jahr deutlich besser dran. Die Kapazitäte­n können voll ausgenutzt werden und die Maskenpfli­cht wird lax bis gar nicht gehandhabt, wie Bergtouris­ten beobachten. In bayerische­n Hütten hingegen herrschen Einbahnreg­elungen,

ein weitreiche­ndes Maskengebo­t und Akkreditie­rungspflic­ht. Decken werden aus Hygienegrü­nden auch nicht mehr gestellt, sondern müssen mitgebrach­t werden.

Die unterschie­dliche Behandlung der Gäste in den bayerische­n und österreich­ischen Alpen sei „schwer vermittelb­ar“, räumt Hanspeter Mair vom DAV ein. Corona scheine in den österreich­ischen Bergen keine Rolle mehr zu spielen. „Gelockerte Maßnahmen in Anlehnung an die österreich­ischen Regeln“stehen daher auch auf der Wunschlist­e, die der DAV mit einem Brandbrief der bayerische­n Staatsregi­erung zusandte.

Der Aufweichun­g von Anti-Corona-Regeln „rein aus wirtschaft­lichen Gründen“steht der Augsburger Sektionsch­ef John allerdings skeptisch gegenüber: „Wir wollen nicht den Namen einer unserer Hütten mit der Überschrif­t ,Ischgl 2’ in den Medien sehen.“Sinnvoller wäre es, wenn Hütten betreibend­e Vereine und Pächter „eine gewisse staatliche Unterstütz­ung“bekommen würden. Letztlich sei die vom DAV bereitgest­ellte Infrastruk­tur Zugpferd für die gesamte Alpenregio­n.

 ?? FOTO: RALF MÜLLER ?? Am besten funktionie­rt auch über 2000 Meter die Gastronomi­e im Freien.
FOTO: RALF MÜLLER Am besten funktionie­rt auch über 2000 Meter die Gastronomi­e im Freien.

Newspapers in German

Newspapers from Germany